Hotelgastronomie Mehrwegpflicht und Take-away Lösungen in der Praxis

Ob Pizza oder Salat: Das Mehrweggeschirr von Recircle ist vielseitig einsetzbar. © Ricarda Schueller

Seit Januar gilt die Mehrwegpflicht: Wer Essen zum Mitnehmen verkauft, muss neben Einweggeschirr auch wiederverwendbare Alternativen anbieten. Ein Blick auf Details, Lösungen und Praxisbeispiele.

Der Hintergrund für die gesetzlichen Maßnahmen erschließt sich schnell. Laut Umweltbundesamt (UBA) werden in Deutschland jährlich allein rund 2,8 Milliarden Einwegbecher für Heißgetränke verbraucht. „Das sind 5.300 Becher pro Minute“, sagt Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Umwelt ist genau der Ort, an dem viele dieser Becher früher oder später landen. Doch auch unter Ressourcenschutz-Gesichtspunkten sind frische Ideen in Richtung kreislauffähiger Behälter dringend vonnöten.

Seit dem 1. Januar 2023 sind Gastronomen – von bestimmten Kleinunternehmen abgesehen – verpflichtet, für die Mitnahme und Lieferung von Speisen und Getränken Mehrwegalternativen anzubieten. Konkret geht es um andere Lösungen für Einweg-Kunststoffgeschirr. Bei Getränkebechern gilt die Vorgabe sogar grundsätzlich, unabhängig vom Material. Ebenfalls zu beachten: Die Konditionen hinsichtlich Preis, Mengenvolumen und Qualität des Produkts dürfen gegenüber der Einweglösung nicht schlechter sein, und der Gastronom muss – zum Beispiel mittels Hinweistafeln – über das Mehrwegangebot informieren. Das erklärte Ziel: Möglichst viele Gäste sollen sich für die Mehrwegvariante entscheiden. Jeder Verstoß gegen den Paragraph 33 des Verpackungsgesetzes kann mit bis zu 10.000 Euro geahndet werden.

Klar ist aber auch: Der Zeit- und Personalaufwand erhöht sich enorm. Gastronomen müssen das wiederverwendbare Geschirr reinigen und sich um die Rücknahme ausgegebener Mehrwegbehälter kümmern. Insofern sind möglichst einfach zu handhabende Lösungen gefragt.

Welche Optionen gibt es?

Für Gastronomen gibt es mittlerweile verschiedene Möglichkeiten, die gesetzlichen Anforderungen mit ihren Take-away-Produkten zu erfüllen oder darüber hinaus freiwillig aktiv zu werden:

  1. Eigene Mehrwegkonzepte: Hier haben Gastgeber volle Entscheidungsfreiheit bezüglich der Behältertypen-, - formen und -größen. Anbieter sind beispielsweise Greenbox oder Crafting Future. Auch ein individuelles Unternehmens-Branding ist möglich. Merways heißt zum Beispiel eine App, mit der Gastgeber auch pfandlose Lösungen einführen und den logistischen Aufwand reduzieren können.
  2. Von Gästen mitgebrachte Gefäße: Hier ist Vorsicht geboten. Diese Option ist neu: als Ausnahme für bestimmte Kleinunternehmen beziehungsweise als zusätzliche Variante möglich.
  3. Übergeordnete Pool-Lösungen: Hier schließen sich Gastronomen größeren Kreisläufen an und profitieren vom Service der Spezialisten. Weiterer Vorteil: Gäste können die Produkte an verschiedenen Orten wieder zurückgeben. Das Angebot dieser Pool-Lösungen wächst stetig, wobei sich zwei Mehrweg-modelle parallel entwickeln: mit und ohne Pfand.
Liegen gut in der Hand: Die Bowl-Schüsseln aus dem Hause Vytal. - © Vytal

Vorteil des Pfands aus Gästesicht: Die Systeme sind anonym, es werden keine Nutzerdaten erhoben. Beim Start-up Pfabo beispielsweise ist der Name Programm – er steht als Abkürzung für Pfandbox. Die mit 5 Euro Pfand belegten Boxen können Gastronomiebetriebe in verschiedenen Größen wählen und beliebig füllen. Durch den angebrachten handelsüblichen Barcode und 2D-Data-Matrix-Code lassen sie sich an die bestehenden Kassensysteme anbinden und die Pfandbeträge verbuchen. Nach Rückgabe wird das Pfand wieder ausgezahlt. Gäste können die Pfabos bei allen Pfabo-Partnern wieder abgeben, wo sie in der Industriespülmaschine gereinigt und geprüft werden, bevor sie zum nächsten Einsatz kommen. Pfabo geht von rund 200 möglichen Umläufen der Boxen aus, die aus Polypropylen bestehen und somit am Ende ihres Lebenswegs sortenrein recycelbar sind.

Inga Ali, Inhaberin des Wildland Natural Resorts mit Restaurant Lisbeth in Hornbostel, hat sich für Pfabo als Partner entschieden und bietet ausnahmslos Mehrweg im To-go-Bereich an. Da die Küche zu groß ist, um ausschließlich Hotelgäste zu bewirten, kreierte Ali in Kooperation mit Geschäftspartner Pascal Rasche unter dem Namen „Aller Liebe“ eine Manufaktur-Marke, deren Gerichte auch andere Unternehmen wie Hotels, Fußballvereine, Kantinen, Büros oder Einzelhändler mit heißen Theken beziehen können. Alle Speisen werden frisch gekocht, heruntergekühlt, schockgefroren und in den Pfabos ausgeliefert.

Auch bei Mehrwegsystem-Anbieter Recircle handelt es sich um eine Pfand-Lösung. Die Eckdaten: 10 Euro für eine „Recircle Box“, die in vier Größen, neuerdings auch als Pizza- und in Kürze als Burger-Verpackung erhältlich ist, und 5 Euro für den wärmeisolierenden „Isy Cup“, den es in drei Varianten gibt. Das Pfand wurde laut Gründer und Geschäftsführer Thorben Bechtoldt bewusst relativ hoch angesetzt, damit die Behälter nicht für immer in den Privathaushalten verbleiben. Das Unternehmen kooperiert im Segment Hotellerie beispielsweise mit dem Hotel Imbery in Hinterzarten, das auf Instagram ein Video zum Mehrwegangebot veröffentlicht hat. Die Recircle-Boxen bestehen aus Polybutylenterephthalat (PBT), einem thermoplastischen Kunststoff, die Deckel aus Polypropylen (PP), und lassen sich den bisherigen Erfahrungen zufolge mindestens 150 bis 200 Mal befüllen. Nach acht bis 16 Wiederverwendungen sei die Ökobilanz positiv.

Kettenhotellerie setzt auf Mehrwegkaffeebecher

Die inzwischen recht bekannten Mehrwegbecher-Lösungen rund um Coffee to go von Anbietern wie Cupforcup, Faircup oder Recup basieren ebenfalls auf Pfandsystemen. Faircup bietet inzwischen auch die „Fairbox“, also Schalen für Speisen, Recup die „Rebowl“ an.  Recup ist nach eigenen Angaben mit derzeit rund 21.000 Ausgabestellen Deutschlands größtes Mehrwegsystem und zählt bereits mehr als 500 Hotels zu seinen Kunden, darunter Meininger, Linder Hotels, Dorint, Mercur, Ibis, Accor und Novum Hospitality.

„Das Mehrwegsystem von Recup hat uns mit der einfachen Handhabung, dem hohen Bekanntheitsgrad und Netzwerk sowie den hochwertigen Produkten überzeugt“, sagt David Etmenan, Chief Executive Officer & Owner von Novum Hospitality. Sowohl Recup (1 Euro Pfand) als auch Rebowl (5 Euro Pfand) sind mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ zertifiziert. Sie bestehen aus Polypropylen und sind zu
100 Prozent recycelbar.

Neue Materialalternative: Glas

Lecker inszeniert: Der „Isy Cup“ von Recircle lässt sich nicht nur für Getränke, sondern auch für Salate oder Desserts nutzen. - © Recircle

Bis zu 1.000 mögliche Wiederverwendungen prognostiziert Relevo für seine Schalen und Becher aus recyclingfähigem SAN-Kunststoff. Glas ist eine neue Materialalternative, und gerade wurde die Produktpalette zudem um wiederverwendbare Verpackungen für Pizza, Burger und Sushi ergänzt. Nutzer scannen die auf den Behältern aufgebrachten QR-Codes, entweder in der Relevo-App oder mit der Smartphone-Kamera, ohne vorher eine App installieren zu müssen. Laut Anbieter erkennen die intelligenten QR-Codes das System in diesem Fall selbst und buchen sich dem Nutzerprofil zu, ohne dass der Gast vorher eine App öffnen muss. Über den eigens entwickelten „Fast-Check-in“ seien neue Nutzer schnell registriert. Die Gäste zeigen dem Gastronomen im Anschluss einfach ihre Scan-Bestätigung vor.

Der Vorteil: Bei dieser rein digitalen Lösung entfällt aufwendiges Pfand-Handling komplett. Nach Gebrauch müssen Kunden das Geschirr in einem Zeitraum von zwei Wochen zurückgeben, was auch bei anderen Relevo-Partnern möglich ist. Der Gast muss lediglich am jeweiligen Standort den Code auf dem Rückgabeposter scannen. Zudem wird er rechtzeitig an die Rückgabe erinnert. Wer die pünktliche Abgabe trotzdem versäumt, muss eine sogenannte Klimagebühr von 10 Euro pro Schale und 5 Euro pro Becher bezahlen. „Nach nur zwei Jahren und nunmehr 3.000 Partner-Standorten liegt die Rückgabequote bei positiven 99,5 Prozent und die Ausleihdauer bei weniger als drei Tagen“, so das Unternehmen.

Eine ähnlich hohe Rücklaufquote verzeichnet das Unternehmen Vytal, das ebenfalls ohne Pfand mit einer App arbeitet. Vytal hat laut Gründer und Geschäftsführer Tim Breker bereits „viele hochkarätige Hotelpartnerschaften geschlossen“, etwa mit der HRG Hotel Gruppe, den Ruby Hotels, Flemings Hotels, der Amano Group, Althoff Hotels, 25hours und Maritim. Die vorgestellten Anbieter kümmern sich auch um das Bestandsmanagement des Geschirrs. Zeigt das Reporting geringe Bestände, wird automatisch an die Ausgabestellen nachgeliefert. Das Bezahlmodell basiert nahezu bei allen auf Pay-per-Use. Pro Befüllung werden ein- bis zweistellige Cent-Beträge für die Systemnutzung in Rechnung gestellt, bei Relevo beispielsweise 12,5 Cent pro Becher und 25 Cent pro Schale. Recup finanziert sich über einen Nutzungsbeitrag der Partnerunternehmen zwischen 25 und 45 Euro monatlich, je nach Vertragsdauer. Entsteht bei Partnern ein Überschuss an Mehrwegbehältern, weil mehr zurückgegeben als ausgeliehen werden, oder sind Mehrwegbehälter abgenutzt, nimmt Recup sie zurück.

Flächendeckende Strategie statt Insellösungen

Damit Mehrweg zum Standard im To-go-Bereich und der CO2-Abdruck weiter gesenkt wird, gilt es die gesamte Prozesskette zu verbessern. Das erklärte Ziel: Bisherige Insellösungen untereinander zu koordinieren, indem verstärkt Return-Anywhere-Konzepte zum Einsatz kommen und sich die komplette Rückhol- und Spüllogistik besser aufeinander abstimmen lässt. Dazu gibt es derzeit gleich mehrere Projekte:

„Mehrweg einfach machen“ unter Federführung des Berliner Sozialunternehmens Project Together und unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Kooperationspartner sind der Mehrwegverband Deutschland sowie die Umweltorganisation WWF.

„Refrastructure“ startete 2022 als Initiative des Mehrwegverbands Deutschland und ist mittlerweile eine gemeinnützige GmbH. Über die digitale Infrastruktur können Daten verschiedener Mehrwegsysteme ausgetauscht werden. Logistik- und Spüldienstleister können sich niedrigschwellig beteiligen. In Kürze soll ein Pilotprojekt in der Gemeinde Haar bei München starten, Dehoga, Recircle, Recup und Relevo engagieren sich.

„Reusable To-Go“ will international die Grundvoraussetzungen für eine verwendungsnahe und systemunabhängige Rückgabe für alle Ausgabestellen schaffen. Im Beirat sind etwa der Verband Pro Mehrweg, der Arbeitskreis Mehrweg und der Dehoga Bundesverband. Die Initiative stützt eine Universitätsstudie im Auftrag der Landesumweltministerien von Hessen und Rheinland-Pfalz.

„Repaid“ widmet sich der Forschung, um Rückgabe- und Wiedereinsatzquoten zu erhöhen. Kooperationspartner sind das Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu), das Institut für ökologische Wirtschaftsförderung (IÖW) sowie die Mehrweg­anbieter Recup und Vytal. Das Projekt wird unter anderem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt und gefördert.

Gutes gut verpackt“: Diese Initiative stammt vom Wildland Natural Resort, Aller Liebe, Mehrweganbieter Pfabo sowie den Unternehmen Dotch, Circujar und Grossmann Feinkost.

Auch in der Industrie ist der Wunsch nach flächendeckenden Lösungen groß. „Die Rückgabe von Mehrweggeschirr sollte jederzeit und überall unkompliziert ermöglicht werden“, sagt Marc Schumacher, Key Account Manager bei Spültechnik-Spezialist Meiko Deutschland. Seine Vision: „Langfristig wäre es sinnvoll, wenn sich hier eine Norm für Becher und Schüsseln etabliert. Das wäre ein wesentlicher Beitrag für flächendeckende Akzeptanz.“

3 Fragen an: Jörg Forderer, Leiter Projektschulung Winterhalter

Jörg Forderer. - © Winterhalter

Herr Forderer, der Einsatz von Mehrweggeschirr bringt neue Herausforderungen für die Spüllogistik mit sich. Worauf sollten Hoteliers achten?

Jörg Forderer: Beim Spülen von Kunststoffgeschirr liegt die Herausforderung weniger beim Reinigungsprozess als vielmehr bei der Trocknung.

Können Sie das genauer erläutern?

Weil die Bowls und Becher nach dem Spülen oft platzsparend ineinander gestapelt werden, müssen sie vollkommen trocken sein. Kunststoff kann im Gegensatz zu Porzellan und Glas aber viel weniger Wärme speichern. Für die Trocknung ist das allerdings entscheidend.

Wie unterstützt Winterhalter diese Thematik?

Wir haben für das Spülen von Kunststoff ein spezielles, aufeinander abgestimmtes System entwickelt. Der Wasserdruck wird beispielsweise wegen des geringen Eigengewichts etwas verringert, die Temperatur aber wegen der schlechten Wärmespeicherung erhöht. Für Becher und Bowls gibt es speziell entwickelte Körbe mit Aufsätzen. Die Becher werden beim Einschieben des Korbs automatisch durch einen Bügel fixiert und der Korb wird verriegelt. Nicht zuletzt kommt ein neu entwickelter Klarspüler zum Einsatz, der die Trocknung der Kunststoffteile fördert.