Megatrend Nachhaltigkeit Gastro-Konzepte: Grün ist in aller Munde

Grüne Akzente: Zum Interior des Restaurants Radius gehört eine üppige Pflanzendeko. © Michel Reybier Hospitality

Nichts prägt die Gastronomielandschaft derzeit stärker als das Thema Nachhaltigkeit. Vegane Küche ist längst salon- und sternefähig, Bio sowieso, Nose-to-Tail hebt gerade ab. Wir haben in die Töpfe namhafter Fine-Dining- und Sterne-Chefs geschaut und gesehen: Die Gastro-Zukunft ist grün.

Ob vegan, vegetarisch oder flexitarisch – immer mehr Gäste in Deutschland wünschen sich heute auch im Restaurant eine rein oder vorwiegend pflanzliche Küche. Die Internorga in Hamburg stellt bereits seit Jahren stets neue Produkte auf diesem Gebiet vor, von Fisch-, Fleisch- und Geflügelalternativen bis zu innovativen Ei-Ersatzprodukten. Auch in diesem Jahr ging die Messe dabei wieder mit ihrem Partner ProVeg e.V. an den Start, dessen Expertenteam spannende Einblicke in die Welt der pflanzlichen Ernährung gab. „Pflanzenbasierte Gerichte sind gekommen, um zu bleiben. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind heute drängendere Themen denn je, und auch das neue Positionspapier vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft betont die Bedeutung pflanzenbetonter Kost für alle“, ist Katleen Haefele, Head of Food Services and Events bei ProVeg, überzeugt. „Wer diese Entwicklung verschläft, wird abgehängt. Kreative, attraktive und abwechslungsreiche pflanzliche Gerichte gehören auf jede Speisekarte.“

In der Praxis dominieren derzeit die beiden Trends vegan und regional die F&B-Landschaft. Executive Küchenchef Stefan Beer und sein Team vom Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa im schweizerischen Interlaken setzen dabei gleich beides um: Sie verwenden in ihrem neuen Fine-Dining-Restaurant „Radius“ – ehemals „La Terrasse“ – bereits seit 2018 ausschließlich Lebensmittel, die im Umkreis von 50 Kilometern angebaut werden. Das geflügelte Wort auf der Speisekarte lautet „vo hie“, auf Deutsch „von hier“. Im Menü finden sich dann beispielsweise Zutaten wie Sauerklee aus Uetendorf, Krevetten aus Burgdorf oder Mirabellen aus dem Hotelgarten. Beim Wein wird der Radius zwar noch bis nach Übersee ausgedehnt, Restaurantleiter und Sommelier Torsten Noack und sein Team stellen aber als Begleitung zum Menü ausschließlich Weine aus dem Kanton Bern vor. „Durch unsere Weinbegleitung möchte ich unsere Gäste auf die qualitativ hochstehenden Weine in der Region aufmerksam machen“, so Noack.

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    Blick in die Küche des Fine-Dining-Restaurants "Marburger Esszimmer" im Vila Vita Hotel Rosenpark.
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    Eingespieltes Gastro-Duo: Denis und Kathrin Feix wirken jetzt in Marburg.
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    Regionales Green-Fine-Dining à la Denis Feix: Kartoffelcroissant mit Saiblingskaviar.
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    Küchenchef Stefan Beer vom Fine-Dining-Restaurant „Radius“ im Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa in Interlaken legt Wert auf ­Lebensmittel aus einem 50-Kilometer-Umkreis.
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    Grüne Akzente: Zum Interior des Restaurants Radius gehört eine üppige Pflanzendeko.
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    "Vo hie": Die Zutaten des Gerichts Meiringer Sauerrahm | Kaviar.
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    Geht mit dem Zeitgeist: Sternekoch Joshua Leise vom Restaurant "Mural" in München.
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    Aus dem veganen Mural-Menü: "Kohlvielfalt mit Polenta | Champignon | Kamille".

Küche emotional: Wenn nicht vegan, dann Nose-to-Tail

Heute haben die Gäste bei Stefan Beer die Wahl zwischen drei mehrgängigen Menüs: eines mit Fleisch und Fisch zum Preis von 260 CHF, eines vollständig vegan (180 CHF) sowie eines für zwei Personen (190 CHF pro Person). Bei den veganen Gerichten sind alle Alternativen zu Fleisch und anderen tierischen Produkten hausgemacht, als Gänge des veganen Menüs wurden im Februar 2023 beispielsweise Zimmerwaldner Kichererbsen und Uetendorfer Basilikum, Frischkäse-Buchweizen-Bällchen, hausgemachtes Berner Soja-Zwetschgen-Joghurt und Federkohl, Caponata, „Farotto: Steffisburger Dinkel“, hiesiger Kürbis und Kapuziner angeboten.

Stefan Beer lüftet sogar seine Küchengeheimnisse und serviert zu den veganen Gerichten jeweils eine Rezeptanleitung zum Nachmachen für zu Hause dazu. Beim Einsatz tierischer Produkte setzt Beer auf das Nose-to-Tail-Prinzip. „Ich möchte meinen Gästen eine emotionale Küche bieten“, sagt er. „Eine Küche, die berührt und Gefühle auslöst.“

Auch bei der Ausstattung des Restaurants wurde der 50-Kilometer-Radius nicht aus dem Blick verloren: Mit teilweise speziell für das Restaurant im Oberland getöpfertem Geschirr sowie Holzunterlagen aus einem im Hotelgarten gefällten Baum. Auf Tischtücher wird verzichtet, die mit Pflanzen dekorierten Wände und Decke vermitteln das Gefühl, im Freien unter Bäumen zu sitzen. Ausführlich über die Lieferanten berichtet das kulinarische Magazin des Hotels, das auf dessen Homepage einsehbar ist.

"Weniger Show, mehr Authentizität"

Gastro-Experte Jean Ploner von F&B Heroes - © F&B Heroes

"Mit Blick auf die nächsten fünf Jahre sehe ich vor allem eine Anforderung: den Wandel von der Dienstleistung zum Produkt. Momentan will Hotelgastronomie den Gästen noch alle Wünsche erfüllen und denkt, dass sie sie damit zufriedenstellt. Das perfekte Erlebnis ist jedoch etwas, für das Gäste sich entscheiden können – auch wenn sie es vielleicht noch gar nicht kennen. Ein einzigartiges Produkt oder Gastro-Konzept, das von den Betreibern bewusst gestaltet und konsequent betrieben wird.

Die Gastronomie im Hotel braucht genauso eine ganzheitliche Konzeption, Identität und Aufmerksamkeit wie das Haus selbst. Doch häufig fehlt es schon in der Planung an einem Gastro-Konzept – nicht zu verwechseln mit Interior Design und Küchenplanung. Warum also nicht Food als USP wählen und sich damit abheben? Food kann ein idealer Driver für Eigenständigkeit sein und damit im Hotel viele Umsatzquellen erschließen – das reicht von Bar-, über Wellness-, Retail- bis hin zu Coffee-Food.

Indem sie die neue Realität annehmen, können Hotelbetreiber den Wandel im Bestand anstoßen, sprich: Mit weniger mehr erreichen. Weniger Auswahl, aber dafür mehr Abwechslung. Weniger Masse, dafür mehr Geschmack. Weniger Show, dafür mehr Authentizität. Gute Restaurants haben ein schlankes, konkretes Angebot und unterstützen Gäste bei der Auswahl und der Entscheidung. Ein weiterer Schritt ist ein stärkerer Fokus auf Hospitality. Es geht darum, wie Gäste sich fühlen, wenn wir sie bedienen. Nicht darum, alles richtig gemacht zu haben. Der amerikanische Gastronom William Guidara – NoMad, Eleven Madison Park New York – formulierte es so: ‚Service is black and white! Hospitality is color‘."

"Eine Herausforderung, die unsere Kreativität anregt"

Der gestiegenen Nachfrage nach veganen Gerichten wird ganz neu auch Joshua Leise, Sternekoch des „Mural“ in München, mit einem veganen Menü gerecht, welches das bisherige Portfolio des Mural-Degustationsmenüs mit Fisch und Fleisch oder mit vegetarischen Alternativen ergänzt. „Es ist für uns die selbstverständliche Ergänzung und Weiterentwicklung unseres Portfolios“, erläutert er, „natürlich auch dem kulinarischen Zeitgeist folgend, in dem sich immer mehr Gäste rein pflanzlich ernähren.“

Das 100 Prozent vegane Sieben-Gänge-Menü wird alle drei bis vier Wochen neugestaltet und folgt mit dem Einsatz ausschließlich regionaler und saisonaler Zutaten dem Mural-Credo „Eat local“. Bei einem Menüpreis von 155 Euro pro Person soll es keine Unterschiede zwischen den Menü-Varianten geben. „Die Kreation veganer Fine-dine-Gerichte ist eine spannende Herausforderung an jeden Koch, die unsere Kreativität auch besonders anregt“, so Leise. Zum Geschmackserlebnis seiner veganen Saucen trage unter anderem eine Kombination aus Gemüse, Nüssen und Obst bei. Das vegane Februar-Menü im Mural bot Gerichte wie „Rote Bete: Haselnuss, Meerrettich und Himbeeressig“, „Butternusskürbis: Safran, Senf und Topinambur“, „Kohlvielfalt: Polenta, Champignon und Kamille“ oder zum Nachtisch „Apfel: Mohn und weiße Schokolade“.

Im am 6. Januar unter neuer Leitung wiedereröffneten Fine-Dining-Restaurant „Marburger Esszimmer“ des Vila Vita Hotels Rosenpark hat sich das Gastronomen-Ehepaar Denis und Kathrin Feix Regionalität und Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Der Spitzenkoch und seine Frau waren zuletzt in der „Zirbelstube“ im Althoff Hotel am Schlossgarten in Stuttgart tätig, wo sie einen Michelin-Stern erkochten.

In Marburg wird vegan auf Wunsch mit ein bis zwei Tagen Vorlauf gekocht. Auf der Karte stehen Gerichte wie Rotkohlsud mit Trüffel, Kartoffelcroissant mit Saiblingskaviar oder Wirsing mit dem Pilz Krause Glucke. Das Interior stimmt bereits auf das Green-Fine-Dining-Konzept ein: Gedeckte Grün- und Brauntöne dominieren das umgestaltete Marburger Esszimmer. Elf Tische bieten Platz für je bis zu acht Personen. In einem Hydroschrank als grüne Oase – zugleich ein Hingucker – wachsen diverse Kräutersprösslinge und Salate heran.

"Schwerpunkt auf alten Gemüsesorten"

Die Gerichte werden als sechs- oder viergängiges Menü zum Preis ab 139 Euro serviert. Mit auf der Speisekarte stehen auch Signature Dishes von Denis Feix wie Chicorée mit Pariser Karotten und Yuzu, Kalbsfilet Sandwich mit N25 Kaviar und Zitronenthymian oder Kaisergranat mit handgerolltem Couscous und Amchoor, hier bewegen sich die Preise zwischen 18 und 49 Euro.

„Unser Schwerpunkt liegt auf alten und sehr selten genutzten Gemüse- und Kräutersorten. Diese kommen vor allem aus dem eigenen regionalen Anbau vom Hofgut in Dagobertshausen und verfügen über einen besonderen Geschmack und kraftvolle Aromen“, so Denis Feix. „Zudem servieren wir Fisch und Fleisch ausschließlich aus artgerechter Haltung beziehungsweise freier Wildbahn.“ Sommelière Kathrin Feix ergänzt die Speisen mit korrespondierenden Weinen, wobei die komplette Karte rund 300 nachhaltige, darunter zahlreiche Bio- und Demeterzertifizierte Weine umfasst.

F&B-Update: Kreative Lösungen, Weiterbildung & Optimierung

Philipp Neveling und Deandra Anderson. - © Ebb & Flow Keg/Marie Haefner

Nachhaltigen Weingenuss für Hotels und Caterings bietet das Start-up Ebb & Flow Keg aus Frankfurt am Main mit Bio- und Naturwein aus wiederbefüllbaren 20-Liter-Edelstahlfässern (Kegs). Ein Keg ersetzt dabei 27 Glasflaschen und spart 40 Prozent an CO2 gegenüber der Glasflasche ein. Der gekühlte Wein aus dem Zapfhahn ist bis zu vier Wochen haltbar, die Platz­einsparung in der Kühlung beträgt 50 Prozent. Ebb & Flow Keg übernimmt Lieferung und Abholung. Das Weinsortiment besteht aus Weinen ausgewählter Winzer sowie Eigenmarken in Weiß, Rot, Rosé und als Perlwein.

Plant Based Cooking: Wie die Transformation zu einer pflanzenbasierten Küche gelingt und wie die Profiküche als Küche mit System effizienter, strukturierter und planbarer gestaltet werden kann, zeigen die Master Classes und interaktiven Workshops, die das Beratungsunternehmen F&B Heroes in der neuen „Heroes Kitchen“ nahe der Galluswarte in Frankfurt am Main anbietet. Die Workshops werden geleitet von Köchin Antje de Vries und Betriebswirt Uwe Plappert.

Penta Hotels kooperieren ab sofort mit dem App-Anbieter Too Good To Go und dem Mehrwegsystem Recup gegen Lebensmittel­verschwendung und für den Einsatz von Mehrwegprodukten. Die Reste der Frühstücksbuffets aus den Hotels gehen an Too Good To Go, durch die Kooperation mit der Recup GmbH werden sowohl Coffee-to-go-Offerten als auch Speisen gegen Pfand in Mehrwegbehälter gefüllt, die bei einem von über 20.500 Partnern deutschlandweit zurückgegeben werden können.

Die Rolle von F&B für Investoren und Betreiberrückt der erstmals aufgelegte „F&B Optimisation Hub“ beim diesjährigen International Hospitality Investment Forum (IHIF) vom 15. bis 17. Mai in Berlin in den Mittelpunkt. Auf dem Programm stehen dabei Themen wie „Durchdachtes F&B-Design: Befreien Sie sich von langweiligen Räumen, um das Gästeerlebnis zu maximieren und den Umsatz zu steigern“ oder „Outsourcing von Lebensmittel- und Getränkepartnerschaften“.