Interview „In die Offensive gehen“

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Expertin Jutta Rump: „Was wir an Schwierigkeiten erleben, ist erst der Beginn". © Simon Wegener

Demografisch bedingt wird der Wettbewerb um Mitarbeitende härter. Im Tophotel-Interview zeigt Personalmanagement-Expertin Jutta Rump Wege auf, wie die Hotellerie im Begehrlichkeitsranking bei (angehenden) Berufstätigen weiter nach oben rücken kann.

Tophotel: Frau Rump, Sie sind Mitglied der Jury des Deutschen Personalwirtschaftspreises und begleiten die Handelsblatt-Initiative „Fair Company“. Welchen Umgang empfehlen Sie mit Arbeitgeber-Preisen, -Rankings und -Bewertungsportalen?

Jutta Rump: Arbeitgeber sollten sehr genau hinschauen, wer die Preise vergibt beziehungsweise wie hoch die Reputation des Herausgebers, die Reichweite und die genaue Zielgruppe sind. Auch das Verfahren sollte kritisch unter die Lupe genommen werden: Ist es objektiv, transparent und nachvollziehbar? Es gilt, hinter die Kulissen zu schauen, bevor ein Arbeitgeber sich um einen Preis bewirbt oder aktiv an einem Ranking-Prozess teilnimmt.

Ebenso wichtig wie die Frage, ob sich ein Engagement lohnt und ob es Mehrwert verspricht, ist die, ob man überhaupt etwas vorzuweisen hat. Die eigenen Hausaufgaben sollten erledigt und die Bewerbungsunterlagen hochprofessionell erstellt sein. Teilnehmen nach dem Motto „Schauen wir mal, was dabei herauskommt“, ist die falsche Strategie, denn schließlich gelangen die Ergebnisse an die Öffentlichkeit. Ich empfehle grundsätzlich, vor einer Einreichung eine Generalprobe im eigenen Unternehmen oder im Austausch mit Kollegen und Freunden vorzunehmen: Wie bewerten sie die Bewerbung und den Auftritt?

Wie fällt Ihre Empfehlung zu Bewertungsportalen aus?

Hier müssen Arbeitgeber auf jeden Fall in die Offensive gehen. Sie müssen diese Plattformen stets im Blick behalten und umgehend aktiv werden, sobald es neue Einträge gibt. Von Reaktionen wie „Wir würden gern etwas aus Ihrer Kritik lernen, was können wir besser machen?“, geht das Signal aus, dass der Anstoß ernst genommen wird. Gleichzeitig sollte substanzielle Kritik tatsächlich als Chance zur Verbesserung gesehen werden. Die Hotellerie hat bereits ein hohes Maß an Erfahrung durch Gästebewertungen. Die dort gesammelten Kenntnisse und Erfahrungen lassen sich 1:1 übertragen.

Es gibt derzeit kaum ein Ranking, bei dem die Hotellerie zu den Spitzenreitern zählt. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Die Hotellerie hat natürlich einen gewissen Wettbewerbsnachteil durch ihre langen Öffnungszeiten und den Schichtbetrieb. Die Unternehmen werden aber nicht umhinkommen, an ihren Arbeitszeitmodellen und an der Entgeltstruktur zu arbeiten. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass wir uns in einem Knappheitsmarkt bewegen. Bis 2035 werden altersbedingt elf Millionen Menschen den Arbeitsmarkt in Deutschland verlassen, es wachsen aber nur 60 Prozent an potenziellen Erwerbstätigen nach, um diese Lücke zu schließen.

„Die Hotellerie hat in den ­vergangenen Jahren viel geleistet, um ihre Gäste zu begeistern. Dieselbe Kreativität ist nun in puncto ­Personal gefordert.“

Junge Menschen wissen, dass sie ein knappes Gut sind. Sie suchen gute Arbeitsbedingungen, und sie haben die Wahl. Hinzu kommt: Wer in der Hotellerie ausgebildet, also dienstleistungsorientiert ist, wird mit Kusshand auch in anderen Branchen genommen. Was wir momentan an Schwierigkeiten erleben, ist erst der Beginn. Die Kurve des Personalmangels steigt von nun an exponentiell. Wenn schon die laut Arbeitgeberrankings besten Unternehmen Schwierigkeiten bei der Personalsuche haben, wie soll es dann den weniger guten ergehen?

Optimierungen bei Arbeitszeitmodellen und Entgeltstruktur – wie lässt sich ­darüber hinaus gegensteuern?

Ich empfehle als ersten Schritt, die Plus­punkte herauszuarbeiten. Was sind die Dinge, die Menschen dazu bringen, sich für Ihren Betrieb zu entscheiden? Was können Sie als Arbeitgeber bieten? In der heutigen Zeit – und es zählt inzwischen jeder Tag – kommt es darauf an, kreativ zu sein. Ich weiß, dass die Branche das kann.

Die Hotellerie hat in den vergangenen Jahren so viel geleistet, um ihre Gäste zu begeistern. Es wurde in Wellness­, Sportangebote, Gastronomie, Events und in die Zimmerausstattung investiert. Als Vielreisende kann ich nur resümieren: wow! Dieselbe Kreativität ist nun in puncto Personal gefordert. Hier geht es genauso um Menschen und ihre Bedürfnisse. Ich bin überzeugt, dass noch viel möglich ist, zugleich hoffe ich es. Denn wenn die Hotellerie diese Herausforderung nicht meistert, geht uns allen sehr viel Lebensqualität verloren.

Zur Person: Die Personalexpertin ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen sowie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability, ebenfalls in Ludwigs­hafen. Außerdem agiert sie als Botschafterin der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und ist in zahlreichen Unternehmen sowie Institutionen in der DACH-Region als Prozessbegleiterin tätig. Ferner war Rump Mitglied der Kommission „Zukunft der Arbeit 2030“ der Robert Bosch Stiftung.