Konzepte Gastro: Crux oder Chance?

Ember Locke Restaurant
Der Bedarf gibt die Richtung vor: Das F&B-Konzept „Eve“ im neuen Ember Locke in London ist ein Mix aus Restaurant, Bar und Café. © Kensington Leverne

F&B-Konzepte bringen Hotels nicht nur mehr Umsatz, sondern auch Gewinn. Wenn sie denn clever geplant sind, das heißt auch Place to be für die lokale Bevölkerung. Dann können sie sogar den Wert der Immobilie steigern.

Erst im Juli drückte der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA per Pressemeldung seine Sorge über Deutschlands Rückkehr zur vollen Mehrwertsteuer im Gastro-Bereich aus und widmete sich damit einem für ihn eher ungewöhnlichem Thema. „Cafés, Gasthäuser und Restaurants sind oft das soziale Herz der Innenstädte. Sie tragen zur Lebendigkeit bei und sorgen für Frequenzen auch in anderen Bereichen wie dem Handel“, betonte ZIA-Präsident Andreas Mattner. „Verschwinden sie aus den Citys, dann wird die Stadtentwicklung regelrecht ausgebremst – gerade in einer Phase, in der viele Zentren neu durchstarten wollen.“

Wie positiv sich die Gastronomie auf den Erfolg eines Hotelbetreibers und damit auch der Hotelimmobilie auswirken kann, zeigten beim diesjährigen International Hotel Investment Forum (IHIF) in Berlin erstmals Vorträge auf, die sich neben den Angeboten auch mit Design und Ausstattung der Hotelgastronomie befassten. Ob Hotels die Restaurants selbst betreiben oder mit Partnern zusammenarbeiten, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Jordan Kiziuk, Head of Experience bei der Lifestyle-Aparthotel-Marke Edyn, wozu die Locke Hotels zählen, hat den Weg mit Partnern gewählt: Bei der Analyse jedes Betriebs stelle sich das Unternehmen die Frage, welches Konzept für die geplanten F&B-Flächen am geeignetsten ist. „Wir werden unser F&B nicht selbst betreiben, denn wenn das Hotel das tut, wird das Restaurant als weniger attraktiv wahrgenommen“, erläuterte Kiziuk. Die Zimmer der Extended-Stay-Betriebe seines Unternehmens hätten alle Küchen, die Gäste seien also nicht auf das Restaurant angewiesen. Man wolle daher Dienstleistungen schaffen, die auch Passanten nutzen.

Gefragt: Ein guter Partner für den Betrieb

„Wir suchen mit Locke die kulturelle Annäherung an die Destination“, so Kiziuk. Sehr erfolgreich sei das bereits im Wunderlocke in München gelungen. Das dortige Restaurant „Mural“ – ausgezeichnet mit dem Tophotel Newcomer Award 2023 – zählt derzeit zu den angesagtesten Konzepten der Bayernmetropole. „Dort beherbergen wir sogar Food-Touristen, die unser Hotel gebucht haben, weil sie das Restaurant besuchen möchten“, so Kiziuk. Im Locke Kopenhagen, das im Frühjahr 2014 an den Start geht, wird es wiederum eine Galerie mit einer Bäckerei geben. Die Immobilie des im Sommer in Berlin eröffnete Locke at the Eastside Gallery beherbergt dagegen einen Third-Wave-Coffee-Shop, ein Feinkostgeschäft, eine audiophile Bar sowie das Restaurant „Anima“.

Einen guten Partner an Bord zu holen ist nicht immer einfach. Viele Hoteliers hätten gern das Konzept der Big Mamma Group aus Paris in ihren Häusern. Diese betreibt 24 italienische Restaurants in Europa, darunter das „Edmondo“ in Hamburg, das „Coccodrillo“ in Berlin und das „Giorgia“ in München. „Viele Hotelunternehmen haben mit uns Kontakt aufgenommen, weil sie den Traffic in ihren Häusern durch uns erhöhen wollten“, so Mitbegründer und CEO Tigrane Seydoux. „Aber es ist schwierig, die DNAs zu vermischen und Big Mamma in irgendeinem Hotel zu eröffnen. Dazu müsste die Hotelmarke eine Verbindung zu unserer DNA haben.“ Außerdem sei es kompliziert, den Back-Off-House-Bereich mit einem Hotel zu teilen oder auch noch das Frühstück zu servieren, was nicht zum Kernbusiness von Big Mamma zähle.

Leitgedanken für die Gastro-Entwicklung

  1. Konzept vor Planung: Flächenmäßig meist klein, hat die Hotelgastronomie sowohl technisch-baulich als auch in der Wahrnehmung einen großen Impact. Doch bei vielen Hotelentwicklungen gleicht sie einer Blackbox und steht bei Planungen ganz hinten an. Dadurch werden Chancen vergeben oder kostenintensive Fehlentscheidungen getroffen. Tipp: Zunächst die Zielsetzung festlegen, Strategie entwickeln, Konzept- und Business-Modell ableiten, realitätsnah planen.
  2. Klarheit in der Komplexität erhalten: Eine realistische Planung berücksichtigt die besondere Situation der Gastronomie im Hinblick auf den Mangel an Mitarbeitenden, die hohe Volatilität und Komplexität. Tipp: Effizienz – auch durch den Einsatz von Technologie – kann bereits im Grundriss verankert werden, vor allem für den Raum, aber auch für Logistik, Prozesse und Arbeitsabläufe.
  3. Timing: Überlegungen hinsichtlich Destination und Frequenz frühzeitig berücksichtigen. Empfehlung: Nicht abwarten, bis Betreiber oder Pächter feststehen, sondern frühzeitig die Rahmenbedingungen auf Konzeptgrundlage schaffen. Dieser Rahmen lässt Raum- und Gestaltungsfreiheit zu und schafft Klarheit, bis hin zur Produkt- beziehungsweise Pächterwahl.
  4. ESG und Nachhaltigkeit als Konzept-Grundpfeiler: Der Gesetzgeber sowie viele Interessensgruppen – Firmen, Reiseveranstalter, Gäste, Mitarbeitende – erwarten heute nachhaltiges Wirtschaften. Die Gastronomie bietet sich als perfekte Plattform an, etwa durch die Reduzierung zu großer Vielfalt, kleinere, dafür gut genutzte Flächen, pflanzenbasierte Küche sowie smarte Technologie – Stichwort Robotik, Systemküchen, Digitalisierung und datenbasierte Entscheidungen.
  5. Perspektivenwechsel: Statt vom Hotel wird F&B vom öffentlichen Raum heraus gedacht: Die Gastro ist offen für auswärtige und einheimische Gäste, stärkt die lokale Identität durch Kooperationen und nimmt eine Führungsrolle bei Themen wie Innovation, Technologie, New Work und Kultur ein.

Worauf kommt es an?

Wayne Brown, Vice President F&B Development bei der Accor-Tochter Ennismore, zu der unter anderem die für ihre Restaurants bekannten 25hours oder Mama Shelter Hotels zählen, sagt: „Der Betrieb von Restaurants ist sehr, sehr hart.“ Um aus ihnen Kapital zu schlagen, komme es vor allem auf den Service an. Das Design sei für ihn noch der einfachste Teil. Bei der Entwicklung von Konzepten im Ennismore Studio starte man mit der immateriellen Ebene. also Themen, die über F&B und das Design hinaus reichen, zum Beispiel die Mitarbeitenden. Auch Ennismore setzt im F&B-Bereich auf langfristige Partnerschaften mit guten Restaurateuren, die mindestens zwei bis drei Restaurants betreiben können. „Es kommt darauf an, einen Ort zu schafften, den jeder gern aufsucht. Dabei liegt unsere Ambition außerhalb des Hotels und ist abhängig von den verschiedenen Märkten,“ so Brown.

Weltweit mehr als 200 Restaurants hat Afroditi Krassa entworfen, Designerin für F&B-Konzepte von Afroditi, London. Zu ihren laufenden Projekten zählen das erste Mandarin Oriental Hotel & Spa in Griechenland an der Costa Navarino, die One & Only Hotels Mykonos und Athen, das Rosewood Blue Palace sowie der kulinarische Masterplan für die Insel Sindalah, die im Rahmen des Neom-Projekts im Nordosten Saudi-Arabiens entsteht. Das Stigma, dass Hotelrestaurants schlechter seien als unabhängige Restaurants, gelte nicht an allen Standorten, so Krassa, zum Beispiel nicht in New York. Es sei möglich, F&B-Marken zu entwickeln, die an verschiedenen Standorten Erfolg haben. „Hotelrestaurants sind generell zu groß“, so die Designerin. Doch die wenigsten seien mutig genug, den Raum zu reduzieren, so entstünden massive leere Flächen. „Verkleinern Sie Ihr Restaurant bis auf die Knochen und orientieren Sie sich nicht an der Zimmerzahl“, rät sie. Für ein Innenstadtkonzept sei es zudem wichtig, die lokale Community anzusprechen. Auf Mykonos aber, wo die Einheimischen alle selbst Restaurants betrieben und keine Zeit zum Ausgehen hätten, sollte man sich mit dem Konzept auf die Hotelgäste konzentrieren. Ein Stadthotel müsse dabei keinesfalls immer die gesamte Community ansprechen. Ein Hotel in Athen etwa vergebe eine Mitgliedschaft für den F&B-Bereich an inte­ressierte Athener, sodass die Hotelgäste dort spannende Begegnungen mit Einheimischen erleben können.

Wie sich Potenziale der Hotelgastronomie erkennen und konzeptionell nutzen lassen, haben die F&B Heroes aus Frankfurt in einem Hotelgastronomie-Leitfaden für Immobilienentwickler zusammengefasst. Unter dem Motto „Form follows F&B and People“ stellen sie fünf Leitgedanken vor. „Gastronomie ist eine große Chance für Hotels, die sich bewusst dafür entscheiden. Sie ist Differenzierungsmerkmal und schafft sogleich die Voraussetzung, Teil der lokalen Szene und Community zu sein“, so Tim Plasse, Head of Strategy des Beratungsunternehmens (siehe Interview links). Die Digitalisierung sei sehr hilfreich bei der Unterstützung gastronomischer Prozesse, sei es durch produktivitätsorientierte Dienstpläne, die verbesserte Datenqualität für eine KPI-basierte Führung oder die Verschlankung und Automatisierung von Prozessen. Digitale Instrumente sagen Auslastung und Umsätze voraus, und Führungskräfte seien heute durchaus in der Lage, datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Zu den Referenzen der F&B Heroes zählen das Hyatt Hotel in Mainz, das Steigenberger in Wien, das Marriott Tribute Hotel The Passenger in Salzburg und das ehemalige Maritim in Nürnberg, das als Hotel Pomander wieder eröffnen wird.