Reisemarkt Asien Kommt jetzt das Comeback aus Fernost?

Reisemarkt Asien_Frau am Brandenburger Tor
Nach drei Jahren Pause sind Individualreisen von China nach Deutschland wieder möglich. © Maridav - stock.adobe.com

Hoteliers hoffen, dass die Gäste aus Asien wiederkommen. Doch nach der Coronapause gibt es Hürden, und auch die Wünsche der Reisenden haben sich verändert.

Verglichen mit den Jahren vor der Coronapandemie ist der Incoming-Markt aus China derzeit noch ein kleines Pflänzchen. Allerdings mit guter Perspektive: Das Nachholbedürfnis für Reisen ist dort gewaltig. China könnte bald wieder der größte Reisemarkt der Welt sein. Internationale Hotelketten bereiten sich bereits darauf vor. Neal Jones, Chief Sales & Marketing Officer für die Region EMEA bei Marriott, sagt: "Da die Reisebeschränkungen für China aufgehoben sind und vor der Pandemie ausgestellte, nicht abgelaufene Visa jetzt akzeptiert werden, erwarten wir, dass die Ein- und Ausreise nach China im Laufe des Jahres zunehmen wird. Zumal auch der internationale Luftverkehr wieder zunimmt."

Vor der Pandemie haben Reisende aus China als Quellmarkt für die Marriott Hotels in Europa an Bedeutung gewonnen. Besonders für Ziele wie London, Paris, Frankfurt, Mailand und Rom. "Wir behalten die aktuelle Entwicklung genau im Auge, auch weil wir davon ausgehen, dass die Erholung dazu beitragen wird, das Tempo von Vertragsabschlüssen und Bauvorhaben zu beschleunigen", sagt Jones.

Die Marriott Hotels bereiten sich auf die Ankunft der Reisenden aus Fernost vor. Das beginne bei den Grundlagen, wie Mandarin und Kantonesisch sprechende Mitarbeitende, über besonders geschulte Concierge-Teams bis hin zu speziellen Menüangeboten. Auch die bei Chinesen beliebten Bezahlsysteme Wechat Pay und Alipay hat Marriott eingerichtet. Zum Nationalfeiertag und zum chinesischen Neujahrsfest gibt es in den Hotels Extra-Angebote.

Visa-Vergabe weiter schwierig

Aktuell bauen die Verkaufsteams ihre Netzwerke wieder auf, nehmen an Foren in Festlandchina teil und veranstalten für chinesische Reiseveranstalter sogenannte Fam-Trips zum Kennenlernen der EMEA-Märkte. Außerdem arbeitet das Unternehmen mit Ämtern und Vertriebspartnern daran, die Visavergabe zu erleichtern. Die Präsenz auf lokalen Plattformen und Vertriebskanälen für die Märkte wird verstärkt. Dazu zählt auch eine Übersetzungsoffensive des Digitalteams, um mehr Direktbuchungen zu generieren. „Sie sind bei Reisenden aus China bereits der beliebteste Kanal und steigern sich dank unseres Loyalty-Programms Marriott Bonvoy rasant“, sagt Jones.

Peter Reischl, General Manager des Frankfurt Marriott Hotels, zeigt sich ebenfalls optimistisch: „Was Buchungen aus Asien betrifft, haben wir zwar in den vergangenen Wochen noch deutlich mehr von Gästen aus Korea, Japan und Singapur erhalten,  aber es gibt auch wieder mehr Reservierungen und sogar Gruppenanfragen aus China.“

Sandra Dreher, Vice President Sales & Marketing bei den Leonardo Hotels Central Europe, ist verhalten optimistisch. Noch verhindere die komplizierte und langwierige Visavergabe für Einreisen aus Asien nach Deutschland eine echte Renaissance dieses Incoming-Business. „Reisende sind deshalb gezwungen, über Nachbarländer einzureisen, was außerdem die Kosten in die Höhe treibt. Zum anderen haben der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Flugverbotszonen das Flugangebot aus Fernost verringert. Bestehende Flugverbindungen haben sich enorm verteuert“, sagt Dreher. So würden Reisen zum Luxus, den sich nur wenige leisten können. „Wir beobachten sehr genau, wie sich die Nachfrage entwickelt. Tour Operator rechnen übereinstimmend mit einem Anstieg zum Jahresende.“

"Direktbuchungen sind bei Reisenden aus China bereits der beliebteste Kanal und steigern sich dank unseres Loyalty-Programms Marriott Bonvoy rasant."

Neal Jones, Chief Sales & Marketing Officer für die Region EMEA bei Marriott

Digitale Technik wichtig

Auch die Deutsche Hospitality ist auf eine neue Reisewelle aus Asien eingestellt. „Wir rechnen bereits jetzt mit einer kontinuierlichen Zunahme chinesischer Gäste in unseren Hotels“, sagt Oliver Bonke, CEO der Deutschen Hospitality. „Dabei profitieren wir von der starken digitalen Kompetenz unseres asiatischen Shareholders H World und investieren in die notwendigen Technologien und Systeme, um die Erwartungen unserer chinesischen Gäste zu erfüllen.“ Die Hotels der Deutschen Hospitality in der Region EMEA sind über die 200 Millionen Mitglieder zählende Treueprogramm-Plattform H Rewards vollumfänglich buchbar. Zudem hat Deutsche Hospitality für Gäste aus China das Programm „Hai Na Qin Peng“ entwickelt. Es umfasst Leistungen rund um Buchung und Ankunft, Zimmerausstattung sowie F&B. Zu dem Programm gehören auch chinesische Zahlungssysteme, die Sprache sprechende Mitarbeitende, chinesische Frühstücksoptionen und eine chinesische Service-Website.

Außerdem gibt es eine Hotline, Sprachübersetzungsgeräte zur besseren Verständigung mit den Hotelmitarbeitenden, einen chinesischen Willkommensbrief, chinesische Fernsehsender, eine Online-Medienbibliothek und Wasserkocher auf den Zimmern. Die Mitarbeitenden in den Hotels werden regelmäßig weitergebildet, zum Beispiel mit interkulturellen Schulungen und Kochkursen in der Steigenberger Akademie, mit dem Schwerpunkt auf chinesischer Küche.

Andere Trends und Vorlieben

Doch reicht das, um den Post-Pandemie-Wünschen der Gäste aus Asien gerecht zu werden? Die drei Jahre im eigenen Land, kombiniert mit den Erfahrungen von Abriegelungen und erzwungenen Inlandsreisen hätten zu großen Veränderungen in der Nachfrage und im Verhalten chinesischer Gäste geführt, sagen die China-Insider Wolfgang Georg Arlt und Gary Bowerman. Die beiden China-Experten haben das „China Outbound Tourismus Handbuch 2023“ veröffentlicht. In dem Buch geben die beiden Autoren Tipps, wie sich Tourismus-Unternehmen auf den erwarteten Reiseansturm aus China vorbereiten können.

So empfehlen Arlt und Bowerman zum Beispiel, Produkte und Reiseangebote für sogenannte Early Adopter – also innovationsinteressierte und technikaffine Trendsetter – vorzubereiten und diese frühzeitig bekannt zu machen. Andererseits machen die Autoren aber auch darauf aufmerksam, die Macht der chinesischen Regierung nicht zu unterschätzen. Diese könne den Ausreisetourismus leicht kontrollieren und den Tourismus aus politischen Gründen wieder stoppen oder verlangsamen.

Bereits vor der Pandemie hatte ein Übergang von Gruppenreisen zu selbst organisierten Individualreisen eingesetzt. Die Pandemie und ihre Folgen, heißt es in dem Handbuch, bewegten mehr chinesische Touristen dazu, auf unabhängige Buchungen und individuell zusammengestellte Reisen umzusteigen. Somit werde sich die nächste Welle des chinesischen Auslandstourismus deutlich in Richtung des Foreign Individual Traveler (FIT) bewegen. Besonders interessiert seien diese Individualreisenden an Abenteuertourismus, bei jüngeren Gästen rücke auch der kosmetische Tourismus, inklusive Schönheitsoperationen, sowie Städtereisen mit Kunst- und Kulturtourismus in den Fokus.

Fakten zum China Outbound

In den 2010er-Jahren war China die Lokomotive des internationalen Tourismus.  Von 57 Millionen Grenzübertritten im Jahr 2010 verdreifachte sich die Zahl auf 170 Millionen im Jahr 2019.

Im Vergleich dazu stieg der internationale Tourismus von 940 Millionen Reisen im Jahr 2010 auf 1,5 Milliarden Reisen im Jahr 2019. Jeder neunte Reisende hatte einen Reisepass der Volksrepublik China bei sich. 2020 wurden aufgrund der Pandemie nur noch 30 Millionen Reisende aus China gezählt.

Im Jahr 2024 könnte Chinas Ausreiseverkehr wieder auf 170 Millionen Grenzübertritte wachsen. Bis 2030 würde die jährliche Wachstumsrate bei fünf Prozent liegen. Demnach wären 2025 bis zu 179 Millionen Grenzübertritte zu erwarten. 2026 bis zu 188 Millionen, 2027 bis zu 197 Millionen und 2030 bis zu 228 Millionen.

Quelle: China Outbound Tourism Handbook 2023

UNESCO-Stätten ziehen an

Beliebt ist nach wie vor der Besuch von Stätten der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste. Reisen an Orte mit Spielbanken, aber auch nachhaltiger Tourismus und ländlichere Destinationen gewinnen an Bedeutung. Die Autoren raten Hoteliers zum Beispiel zu Lifestreams über Aktionen in ihren Häusern oder den Blick hinter die Kulissen. Sie weisen auch darauf hin, dass es keine Einheitsstrategie für die Vermarktung gibt. „Die Reisepräferenzen sind in den kleineren Städten der chinesischen Provinzen und landesweit sehr unterschiedlich. Finden Sie die Märkte, die am besten zu Ihrem Angebot passen“, schreiben Arlt und Bowerman. Gäste aus kleineren Städten seien sich ihrer Bedeutung für den Tourismus bewusst und nicht weniger anspruchsvoll als Reisende aus den Metropolen. Die neue Generation der chinesischen Reisenden interessiere sich auch mehr für lokale kulinarische Spezialitäten als die Vorgängergeneration.

Regionale Spezialitäten beliebt

Ältere Reisende auch China schätzen zum Beispiel Weinverkostungen, Besuche von Craft-Bier-Brauereien und Whisky-Touren. Bereits vor der Pandemie habe es unter den Reisenden die Tendenz gegeben, einen Teil des Reisebudgets nicht mehr für den Einkauf von Luxusmarken einzusetzen, sondern für die gehobene Gastronomie. Vor allem dann, wenn das kulinarische Erlebnis mit Storytelling verbunden sei, mit dem die Reisenden in den sozialen Netzwerken für Aufmerksamkeit sorgen könnten.

Als Faustregel gelte: Je kürzer die Reise, je jünger die Reisenden und je höher der Grad an internationaler Erfahrung, desto wahrscheinlicher würden chinesische Touristen im Ausland lokales Essen bevorzugen. Auch Lounge-Bars, Rooftop-Bars und Cocktails stehen hoch im Kurs. In China selbst hat sich laut dem Handbuch während der Pandemie die Afternoon Tea-Kultur weiter verbreitet, die chinesische Touristen auch auf Reisen erleben möchten.

Bauernhof statt Luxus

Auch in China wachse inzwischen das Bewusstsein für den Klimawandel und das Thema Nachhaltigkeit. Besuche von Kräuter- und Gemüsegärten in Hotels, von Bauernhöfen oder Stadtrundfahrten mit E-Bikes zögen umweltbewusste chinesische Touristen und Reisemedien an. Zudem würden exklusive, maßgeschneiderte Erlebnisse und ausgefallene Marken wichtiger. Destinationen wie Hongkong, Sydney oder Paris verlören unter den oberen zehn Prozent der Gesellschaft an Bedeutung, ebenso Handtaschen einschlägiger Luxusmarken.

Während der Pandemie habe sich die Fragmentierung der chinesischen Gesellschaft fortgesetzt. Viele Millennials und die junge Generation Z hätten eine neue Genügsamkeit für sich entdeckt. Das sparsame jüngere chinesische Segment schaffe neue Möglichkeiten für einfachere und umweltfreundlichere Reiseformen und Aktivitäten abseits von Luxusboutiquen und Sightseeing, zum Beispiel für Hostels, Budget-Hotels, Urlaub auf dem Bauernhof und Campingplätze.

"Junge Reisende aus China sind sparsamer und suchen einfachere Aktivitäten abseits von Luxusboutiquen und Sightseeing."

Wolfgang Georg Arlt und Gary Bowerman, China Outbound Tourism Handbook 2023

Infos auch auf Chinesisch

Wer chinesische Gäste erwartet, sollte im digitalen Zahlungsverkehr top aufgestellt sein und informiert über Innovationen in der chinesischen Fintech- und Reisezahlungsinfrastruktur und den digitalen Yuan oder e-CNY. Die Zahlungssysteme müssten Upgrades für Alipay, Wechat Pay und Unionpay erfüllen.  Berührungslose Bezahlung mit Kredit- und Debitkarten wirke auf Chinesen veraltet. Da die chinesische Regierung vor kurzem den Gebrauch der englischen Sprache im Land eingeschränkt habe, einschließlich des Englischunterrichts in der Schule, sei es wichtiger denn je, Online- und Offline-Informationen auf Chinesisch bereitzustellen.

Außer Chinesen werden künftig auch Reisende aus Indien eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Im noch sehr eingeschränkten Reisejahr 2022 übernahmen die Inder den ersten Platz der asiatischen Herkunftsmärkte für Reisen ins Ausland. IPK’s World Travel Monitor hatte im Vorfeld der ITB Berlin einen Anstieg der indischen Auslandsreisen um 190 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ermittelt. Mit rund zehn Millionen Auslandsreisen setzten sich die Inder an die Spitze, vor China, Südkorea und Japan.

Zu den beliebtesten Reisezielen gehörten Dubai, die USA, Thailand, Saudi-Arabien und Singapur. Rund 15 Prozent der Reisen führten nach Europa oder Amerika. Mit etwa 30 Prozent Marktanteil nahmen Rundreisen den ersten Platz ein, gefolgt von Städtereisen und Strand-Urlaub. 40 Prozent der Reisen waren Kurzreisen und dauerten ein bis drei Nächte.

Auch indische Gäste im Blick

Laut Umfragen von IPK International wird sich die positive Entwicklung des indischen Auslandsreisemarktes fortsetzen. Dazu sagt Neal Jones von Marriott: „Mit einer boomenden Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht ist Indien ein dynamischer Markt, den wir genau beobachten sollten. Wir sind seit langem in Indien tätig und haben 140 Hotels auf dem Markt. Die gute Nachricht für uns ist, dass Reisende aus Schwellenländern in der Regel Hotelmarken wählen, die sie von zu Hause kennen, sodass unsere lange Tradition in Indien uns helfen wird, das indische Geschäft in unseren internationalen Hotels zu gewinnen.“

China Outbound Tourism Handbook 2023

Das Handbuch enthält 88 Schlüsselthemen, die die neue Welle des chinesischen Outbound-Tourismus beeinflussen. Damit wollen die Autoren den Tourismusunternehmen helfen, ihre Produkte, Dienstleistungen und Marketing auf die neuen Bedürfnisse und Wünsche der chinesischen Reisenden abzustimmen.

Die Autoren, Wolfgang Georg Arlt, Professor für International ­Tourism Management, und Asien-Tourismus-Experte Gary Bowerman haben mehrere Bücher über Chinas Outbound-Tourismus geschrieben. Sie unterstützen Unternehmen und Organisationen bei der Arbeit mit dem Reisequellmarkt China. Das China Outbound Tourism Handbook 2023 umfasst 180 Seiten und kostet 25 Euro. Herausgeber ist das China Outbound Tourism Research Institute.