Architekten und Innenarchitekten haben stets den Finger am Puls der Zeit und kennen die neuesten Bau- und Design-Entwicklungen. Wohin die Reise 2023 geht, sagt Erich Bernard, Architekt & Designer bei BWM Architekten in Wien im Gespräch mit Tophotel.
Herr Bernard, was ist derzeit State-of-the-art in der Hotelarchitektur beziehungsweise beim Interior Design von Hotels?
Erich Bernard: Das Verschmelzen von funktionalen Zonierungen in Public Spaces.
Welche Trends werden Hotels im nächsten Jahr prägen? Gibt es möglicherweise ein Revival einer speziellen Räumlichkeit im Hotel?
Restaurants beziehungsweise F&B-Bereiche befinden sich im Wandel. Hier sehe ich eine Evolution von klassisch gelernten „Hotels mit Restaurant“ über effiziente Hotels ohne F&B-Flächen hin zum „Restaurant with Rooms“. Das rührt auch daher, dass ein großer Teil des Gesamterlebnisses in Hotels über den F&B-Bereich abläuft.
Wie beeinflussen Corona-Pandemie, Ukrainekrieg und Klimakrise die Architektur und das Interior Design?
Um mit einem Beispiel zu antworten: Bei Conference und Meeting Areas sind die Zeiten der reinen Bedarfsdeckung und des klassischen Mehrzweckraums ohne Atmosphäre und Charakter definitiv vorbei. Vor der Corona-Pandemie, als der Run auf den Conference-Hospitality-Bereich noch riesig und die Nachfrage größer war als das verfügbare Angebot, gab es keine wirkliche Konkurrenzsituation. Aber mit Corona ist aus dem Nachfragemarkt innerhalb kürzester Zeit ein Angebotsmarkt geworden. Wer heute im Eventbereich erfolgreich sein will, muss sich schon etwas einfallen lassen.
"Es muss warm, weich und richtig cosy sein"
Meine Erfahrung: Seit der Pandemie habe ich an keiner Konferenz mehr teilgenommen, die nicht an einer ziemlich sensationellen Location stattgefunden hat. Zugleich gilt: Es muss warm, weich und richtig cosy sein. Die Menschen sehnen sich nach Farben und Textilien, nach Laid-back- und Low-Seating, nach reibungsloser Multifunktionalität, die sich aber zugleich hinter der Optik eines schönen, behaglichen Wohnzimmers verbirgt.
Hinzu kommt, dass sich infolge des gesellschaftlichen Wandels, sprich mit stärkerer Betonung des „Life“ in Work-Life-Balance, Herausforderungen für Arbeitgeber in der Hospitality auftun. So kommen zum Beispiel vermehrt neue, hybride Hospitality-Produkte wie etwa digitalisierte Serviced Apartments auf, die zugleich weniger Belegschaft benötigen. Außerdem werden Leisure-Produkte aus Investmentsicht salonfähig, denn sie haben Krisen-Resilienz bewiesen. Die Trends „Bleisure“ und „Workation“ unterstützen zudem die Nachfrage bei den Leisure-Produkten.
Wie lautet Ihr gestalterisches Credo?
Bei BWM arbeiten wir stark über den Tellerrand hinaus. Die Verwirklichung unserer Projekte ist mehrdimensional. Das heißt, es geht nicht einfach nur um das Hinstellen einer gebauten Form, sondern Verwirklichung bedeutet, dass das Ergebnis funktioniert. Die Basis ist bei uns daher auch immer eine sehr synergetische Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Für uns ist Hospitality fast die Krönungsaufgabe in der Architektur. Unsere Projekte drehen sich um die Menschen als Nutzer. Oder bildlicher: Ein Organismus ohne Blut ist kein Organismus, sondern nur ein Körper. Man muss Architektur als Organismus denken, dann ist man am richtigen Weg.
"Infolge des gesellschaftlichen Wandels kommen vermehrt neue, hybride Hospitality-Produkte auf"
Worauf wollen Sie im nächsten Jahr den Fokus Ihrer Arbeit legen?
Lange Zeit war die Hotellerie ein Markt der Bedarfsdeckung. Doch nun müssen Hotels echte Anziehungskraft entwickeln. Hier forcieren wir beispielsweise das Thema „Essen im Hotel“ in Hinblick auf einen bewussteren und nachhaltigeren Umgang. Aus dem klassischen Buffet wird dabei ein „Serviced Buffet“. Ein anderer Fokus gilt individuellen Settings und Szenarien, nach denen wir Hotels ausrichten: In der Resort-Hotellerie etwa denken wir Schlechtwetter-Tage mit. Bei Hotels im Ortsverband richten wir uns auch an die Einheimischen.
Worauf sollten Hoteliers bei der Planung und Gestaltung mehr Wert legen?
Wir stellen uns immer die Frage: Was kann ein Hotel machen, um seiner Umgebung etwas zurückzugeben. Ich glaube, ein Hotel kann wie eine „Tankstelle der Zukunft“ sein: Ursprünglich ist dort jeder gekommen, um Benzin abzufüllen. Doch dann haben Tankstellen ihr Angebot erweitert – Café, Supermarkt, Gastronomie, Paketshop und mehr. Wieso kann nicht das Hotel auch solche Funktionen übernehmen?
Ihre drei Schlagworte für Hotelarchitektur und -interior 2023?
Conversion, Environmental Social Governance (ESG), „Restaurant with Rooms“
Brit Glocke
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