Politik Denkfabrik: 38 Maßnahmen für den Tourismusstandort Deutschland

Brandenburger Tor mit Touristen
Die Denkfabrik will einen Booster für den Tourismusstandort Deutschland. © Patrick Daxenbichler - stock.adobe.com

Der Thinktank will Bewegung in die Debatte zur Nationalen Tourismusstrategie bringen. Dafür hat er ein eigenes Strategiepapier ausgearbeitet.

Langwierige Abstimmungen und Prozesse zwischen Bund, Ländern und der Tourismuswirtschaft bremsen seit Jahren eine kohärente Entwicklung des Standortes Deutschland aus – so die Berliner Zukunft der Gastwelt (DZG). Dabei gebe es in vielen Fragen inhaltlichen Konsens und auch entsprechende Maßnahmen würden vielfach auf der Hand liegen. Die vorhandenen Bremsen will die DZG nun mit einem Sofortprogramm lösen und Bewegung in die weitere Debatte zur Nationalen Tourismusstrategie bringen.

38 konkrete Maßnahmen, die bis zum Ende der Wahlperiode auf den Weg gebracht werden können, hat die DZG zusammengestellt. Sie schlägt vor, den Prozess der Nationalen Tourismusstrategie weiterzuverfolgen, aber weitgehend unstrittige Maßnahmen vorzuziehen. Man könne bei zentralen Fragen wie dem Arbeitskräftemangel, Klimaschutz, Digitalisierung und der zunehmenden Investitionsschwäche vieler Unternehmen nicht bis zur Fertigstellung einer Tourismusstrategie warten, so DZG-Vorstandssprecher Marcel Klinge.

Zum politischen Hintergrund des Strategiepapiers

Die Bundesregierung arbeitet seit 2018 an einer Nationalen Tourismusstrategie, ohne diese bisher fertiggestellt zu haben. Nachdem im Sommer 2021 vom federführenden Bundeswirtschaftsministerium ein erster Aktionsplan vorgelegt wurde, intensiviert die Ampel derzeit die Arbeiten an diesem politischen Projekt: zunächst mit einer interfraktionellen Konferenz Anfang September in Berlin und bis Jahresende mit einem Antrag im Bundestag. 

Der Thinktank plädiert deshalb in dem Papier "360 Grad Zukunft – das Machbare endlich umsetzen!" für konkretes Handeln. "Um den laufenden Prozess mit einem Booster zu beschleunigen, haben wir gemeinsam mit den Experten von Trepublica rund um meinen früheren grünen Bundestagskollegen Markus Tressel ein eigenes Strategiepapier ausgearbeitet und den Fokus vor allem auf Maßnahmen gelegt, die zeitnah Verbesserungen bringen, und gleichzeitig die Grundlage für langfristige Reformen schaffen. Die Vorschläge sollen Bund, Länder und Wirtschaft dabei unterstützen, bis zum Ende der Wahlperiode 2025 zu erkennbaren Ergebnissen zu kommen", erklärt der 42-Jährige. 

Fokus auf gesamtes Wertschöpfungsnetzwerk

Wichtig sei bei der Erarbeitung des Papiers gewesen, das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk, das die Autoren Tourismus Plus+ (Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie) nennen, in alle Überlegungen einzubeziehen. "Immerhin sprechen wir hier – laut einer Wertschöpfungsstudie des Fraunhofer IAO aus dem Jahr 2022 – über ein Ökosystem mit 5,8 Millionen Mitarbeitenden und über 240.000 Unternehmen in Deutschland", unterstreicht Klinge.

Um den Tourismusstandort nachhaltig zu „pushen“, will die Denkfabrik gleich an mehreren Stellschrauben drehen und nimmt dabei vier Schlüsselbereiche in den Fokus: Arbeit und Ausbildung, Politik und gesellschaftliche Akzeptanz, Mobilität und Nachhaltigkeit sowie Finanzierung und Förderung. In diesen Feldern, so der Vorstandsprecher weiter, sei das Ökosystem mehr denn je auf einen verlässlichen Handlungsrahmen angewiesen. 

Diesen sollen künftig zwei neue politische Koordinierungsplattformen gewährleisten: Das ist (1) ein Ministerausschuss, der einerseits die engere Abstimmung zwischen den Bundesministerien selbst und andererseits den reibungsloseren Austausch zwischen Bundesregierung und Bundesländern sicherstellen soll. Die DZG schlägt (2) die zügige Einrichtung eines "Deutschen Tourismusrates" vor, der eine Zusammenlegung und Weiterentwicklung der Dialogplattform „Zukunft des Tourismus“ und des Tourismusbeirates des Bundeswirtschaftsministeriums darstellt. Der Tourismusrat soll mindestens einmal pro Jahr als öffentliche Konferenz mit inhaltlichen Foren die „unternehmerische Basis“ anhören und für mehr Kollaboration werben. 

Programm zur Sicherung der unternehmerischen Basis

Damit die Tourismuswirtschaft ihr Wertschöpfungspotenzial im In- und Ausland noch stärker heben und gleichzeitig ihre ökologische Verantwortung aktiv wahrnehmen kann, brauche es außerdem weitere staatliche Fördermaßnahmen des Bundes, so die Autoren des Papiers. Dazu müsse nicht nur die Mehrwertsteuersenkung auf Speisen ab 2024 entfristet werden, sondern Bund und Länder flankierend auch ein breitangelegtes Programm zur Sicherung der unternehmerischen Basis entwickeln: Im Falle von Betriebsübergaben und Nachfolgeregelungen könnte es zum Beispiel für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einen One-Shot-Impuls von 100 000 Euro geben, der als Guthaben für Investitionen in Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und Digitalisierung einlösbar wäre. 

>> Lesetipp: "Mehrwertsteuererhöhung hätte fatale Folgen"

Hieran anknüpfend wirbt der Thinktank für die Schaffung einer von Bund und Ländern getragenen nationalen Förderbank nach österreichischem Vorbild, deren Experten Unternehmen beraten, touristische Geschäftsmodelle valide bewerten und als Ratgeber fungieren könnten. Gerade Investitionen in Nachhaltigkeit- und Digitalisierungsmaßnahmen erforderten „maßgeschneiderte Finanzierungslösungen, die auf die besonderen Bedürfnisse der gesamten Hospitality, des Verpflegungssektors und der vielen Zulieferer zugeschnitten sind“, sagt DZG-Vorstand Alexander Aisenbrey.

Die Denkfabrik beschwört in ihrem Strategiepapier abschließend eine neue gesellschaftliche Allianz: Vom Wohlergehen des Ökosystems profitierten schließlich nicht nur andere Wirtschaftszweige, ländliche Regionen oder die Finanzminister, sondern auch Umwelt und Natur. "n unserem Strategiepapier sprechen wir deswegen auch immer von einer Tourismuspolitik Plus+, einer verbindenden und verbindlichen Tourismuspolitik zum Wohle aller. "Tourismus in der 360-Grad-Perspektive ist auch Daseinsvorsorge, interkultureller Dialog und Mehrgenerationentreffpunkt: Wir sind eine All-in-One-Lösung und diese Stärke wollen wir mit unserem Strategiepapier noch einmal dick unterstreichen", sagt Klingered/sar