Halbjahresbilanz 2023 "Mehrwertsteuererhöhung hätte fatale Folgen"

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Dehoga-PK in Berlin: (von links) Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin Dehoga, Guido Zöllick, Dehoga-Präsident und Pressesprecherin Stefanie Heckel. © Stefanie Reinhardt

Nach drei Verlustjahren in Folge steht das Gastgewerbe in Deutschland noch immer vor großen Herausforderungen. Der Dehoga warnt deshalb erneut vor einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen.

Die Lage für das Gastgewerbe ist und bleibt extrem herausfordernd – so der Tenor auf einer Pressekonferenz des Dehoga in Berlin. Auf dieser stellte der Bundesverband Ergebnisse einer aktuellen Umfrage sowie die Umsatzzahlen für das erste Halbjahr 2023 vor.

Umsatzverlust im ersten Halbjahr

Laut dem Statistischen Bundesamt liegen die preisbereinigten Umsatzverluste in den ersten sechs Monaten mit real 10,4 Prozent deutlich unter den Werten des Vorkrisenniveaus in 2019 (nominal +9,6%). Das Gaststättengewerbe schneidet bei diesen Vergleichswerten mit einem realen Umsatzminus von 13 Prozent (nominal +8,7%) sogar noch schlechter ab. Allein in 2020 und 2021 hat die Branche 36.000 Unternehmen verloren. In 2024 droht das Aus von 12.000 weiteren Betrieben, wenn zum Jahreswechsel die geplante Steuererhöhung von sieben auf 19 Prozent kommen würde. So lauten die Ergebnisse der aktuellen Dehoga-Umfrage. "Das ist bitter. Denn schon jetzt ist die Gastronomiedichte insbesondere im ländlichen Raum spürbar gesunken", sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick auf der Pressekonferenz in Berlin und mahnte erneut vor einer Steuererhöhung auf Speisen zum 1. Januar 2024.

Gastgewerbe mit schwierigem Sommer

Die Branche steht laut Dehoga massiv unter Druck, auch weil das Sommergeschäft vielerorts nicht wie erwartet lief. Laut Umfrage fiel es für jeden zweiten Unternehmer (54,4%) schlechter aus als im Vorkrisenjahr 2019, und für 40,7 Prozent sogar auch schlechter als 2022. "Neben dem wechselhaften Wetter stellten 64,5 Prozent der Betriebe einen Rückgang der Gästezahlen wegen der zunehmenden Konsumzurückhaltung fest", bestätigte der Dehoga-Präsident.

Als größte Herausforderung sehen 83,8 Prozent der Betriebe aktuell die Kostenexplosion in den Bereichen Lebensmittel und Getränke, gefolgt von den überproportional gestiegenen Kosten für Energie (79,5%), Personal (76%) und der zunehmenden Bürokratie (75%). 65,2 Prozent der Unternehmer sprechen zudem von einem akuten Mitarbeitermangel. "Die Existenzängste in der Branche sind unvermindert hoch. Mit 45,5 Prozent erwarten fast die Hälfte unserer Unternehmer, dass die Geschäfte in den kommenden drei Monaten schlechter laufen als bisher", so Zöllick. Vor dem Hintergrund sinkender Gästezahlen bei zugleich steigenden Kosten befürchten 28 Prozent der Unternehmer, mit ihrem Betrieb im Jahr 2023 sogar in die Verlustzone zu geraten.

Verband befürchtet "fatale Folgen"

Eine Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen zum Jahreswechsel hätte laut Zöllick deshalb fatale Folgen für Gäste und Beschäftigte, für die Tourismuswirtschaft und die Betriebe. "Wir wollen, dass Gastronomie bezahlbar bleibt", sagte Zöllick, "das gilt auch für die Gemeinschafts- wie für die Kita- und Schulverpflegung. Sieben Prozent geben den Anbietern mehr finanzielle Möglichkeiten für den Kauf frischer, regionaler und ökologisch erzeugter Lebensmittel. Eine Steuererhöhung auf 19 Prozent würde daher in krassem Widerspruch zu den Zielen der Ernährungsstrategie der Bundesregierung stehen."

Dehoga Pressekonferenz Berlin
Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges, Präsident Guido Zöllick und Pressesprecherin Stefanie Heckel bei der
Pressekonferenz des Dehoga Bundesverbands im Restaurant Ständige Vertretung in Berlin. - © Stefanie Reinhardt

Bevölkerung für Erhalt der 7 Prozent

Auch eine Mehrheit der Bevölkerung (67 Prozent) lehnt eine Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen in der Gastronomie zum Jahreswechsel ab. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag des Dehoga Bundesverbands hervor. Sollte in Folge einer Steuererhöhung der Preis für Speisen um durchschnittlich zwölf Prozentpunkte steigen, würde die Mehrheit der Befragten (58 Prozent) seltener als aktuell auswärts essen gehen.

Diese Ergebnisse bestätigen nach Angaben des Dehoga die Zahlen ihrer eigenen Branchenumfrage, wonach eine Steuererhöhung zu Gästerückgängen und Umsatzeinbußen führen würde.

Der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt aktuell in 23 EU-Staaten. In den meisten Staaten wird Essen, egal ob, wie und wo zubereitet, steuerlich gleichbehandelt. "Mit Blick auf die hohe Relevanz der Gastronomie muss sie steuerpolitisch sachgerecht behandelt und darf gegenüber anderen Anbietern von Essen nicht benachteiligt werden", sagte der Dehoga-Präsident. Es sei "weder fair, noch gerecht noch logisch, dass ab dem 1. Januar 2024 für Essen in Cafés und Restaurants wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, während für das Essen zum Mitnehmen, den Fertigsalat aus dem Supermarkt und die Essenslieferung weiterhin sieben Prozent gelten."

Entscheidung für Ende des Jahres angekündigt

Über eine Fortführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie wird nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst am Jahresende entschieden. Es gebe einen Haushaltsentwurf, und im November oder Dezember müsse der Bundestag schauen, ob er Geld habe oder nicht, sagte Scholz vor Kurzem bei einem Bürgergespräch der Bayern-SPD in München. "Das ist ja eine teure Veranstaltung", sagte der SPD-Politiker. Wenn man die Regelung verlängern wolle, brauche man dafür den Bundestag und den Bundesrat. Denn die Verlängerung würde nicht nur den Bundeshaushalt Geld kosten, sondern auch die Länder und Gemeinden. Ein entsprechendes Gesetz müsse also in beiden Kammern mehrheitsfähig sein. sr/sar