Weiter keine Öffnungsperspektive für das Gastgewerbe Lockdown-Verlängerung – Reaktionen aus der Branche

Kommt ein erneuter Lockdown? Voraussetzung dafür ist laut Bundesregierung ein gemeinsames bundeseinheitliches Vorgehen. © Adobe Stock/Axel Bueckert

Der Corona-Lockdown wird verlängert, die Bürger können vorerst nicht mit großen Lockerungen rechnen. Es gibt zwar Perspektiven für einige Wirtschaftszweige. Das Gastgewerbe muss aber weiter zittern. Die Branche reagiert mit Unverständnis und pocht auf eine Exit-Strategie.

Lockdown-Verlängerung bis zum 7. März

Trotz sinkender Infektionszahlen fahren Bund und Länder weiter einen vorsichtigen Kurs in der Corona-Pandemie. Sie einigten sich am Mittwoch darauf, die geltenden Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Gastronomiebetrieben und Hotels grundsätzlich bis zum 7. März zu verlängern (Statements aus der Branche dazu lesen Sie weiter unten im Artikel). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte mit Blick auf die Gefahr ansteckenderer Virusvarianten: "Wir wollen alles tun, damit wir nicht in eine Wellenbewegung hoch und runter, auf und zu kommen."

Erste Öffnungsschritte bei Inzidenz unter 35

Einen nächsten Öffnungsschritt könnte es geben, wenn die Zahl der Neuinfektionen weiter sinkt. Sollte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen bis zum 7. März stabil unter 35 gesunken sein, sollen die Beschränkungen von den Ländern danach schrittweise gelockert werden können. Dann sollten der Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen unter konkreten Auflagen wieder aufmachen können, heißt es in dem Beschluss von Bund und Ländern.
Momentan liegt die Zahl pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen bundesweit im Schnitt bei 68 bestätigten Neuinfektionen täglich. Der Wert von 35 sei durchaus in Sichtweite, betonte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Ausnahme für Friseure

Eine Ausnahme soll es zuvor für Friseure geben. Sie sollen unter strikten Hygiene-Auflagen bereits Anfang März wieder öffnen dürfen. Wann es welche Öffnungsschritte in Schulen und Kindertagesstätten geben soll, wird nicht bundeseinheitlich geregelt.

Weiter keine Öffnungsperspektive für Hotels und Restaurants

Offen bleibt, wie es für Restaurants, Hotels, Museen, Clubs, Theater und Konzerthäuser sowie den Amateursport weitergehen soll. Nicht notwendige private Reisen und Besuche sollen weiterhin unterlassen werden. In dem Beschluss heißt es dazu lediglich, Bund und Länder arbeiteten "weiter an der Entwicklung nächster Schritte der sicheren und gerechten Öffnungsstrategie." Bund und Länder wollen am 3. März erneut beraten.

Zur Auszahlung von Hilfsgeldern

Zur Unterstützung der Unternehmen, die aufgrund des Lockdowns schließen mussten, haben Bund und Länder umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen vereinbart. Seit Ende November wurden bereits mehr als fünf Milliarden Euro an die betroffenen Unternehmen ausgezahlt (November- und Dezemberhilfe). Nun ist die Antragstellung für die Überbrückungshilfe III möglich (mehr dazu lesen Sie hier). (dpa)


Reaktionen aus der Branche

Dehoga Bundesverband: "Erwarten abgestimmten Fahrplan für den Re-Start des Gastgewerbes"

Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), sagte der Deutschen Presse-Agentur, es gebe immer noch keine Öffnungsperspektive: "Dass Hotels und Restaurants in dem vorliegenden Beschluss mit keinem Wort erwähnt werden, löst in der Branche Frust und Verzweiflung aus."
"Wir haben nicht mit einem konkreten Öffnungsdatum gerechnet, aber definitiv mit einer Aussage, wann und unter welchen Voraussetzungen Hotels und Restaurants wieder Gäste empfangen dürfen." Gastronomie und Hotellerie hätten von 2010 bis 2019 gut 300.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. "Unsere Betriebe wurden am 2. November geschlossen und werden Ende Februar inklusive des Lockdowns im Frühjahr 2020 insgesamt sechs Monate geschlossen sein."
Die Branche erwarte spätestens zu den nächsten Beratungen von Bund und Ländern am 3. März einen abgestimmten Fahrplan für den Re-Start des Gastgewerbes. Hartges: "Dabei hat für uns die Gesundheit der Gäste und Mitarbeiter höchste Priorität. Alle notwendigen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung tragen wir mit, wir erwarten jedoch, dass diese gut begründet, nachvollziehbar und verhältnismäßig im Rechtssinne sind."

Dehoga-Präsident Guido Zöllick. © Dehoga

Dehoga-Präsident Guido Zöllick verwies zudem darauf, dass die zugesagten Finanzhilfen bei 30 bis 40 Prozent der Betriebe noch nicht vollständig angekommen seien. Größere Unternehmen könnten noch nicht einmal einen Antrag stellen. „In dieser Situation den Gastgebern kein Konzept für eine Perspektive zu vermitteln, verkennt die existenziellen Nöte sowie die Verzweiflung bei Unternehmern und Beschäftigten“, so Zöllick.
Zudem habe der Dehoga detaillierte Leitlinien für ein verantwortungsvolles Wiederhochfahren des Gastgewerbes ausgearbeitet (wir berichteten). Die Landesverbände hätten Stufenpläne entwickelt. „Zusammen mit unseren Gästen hoffen wir, dass wir spätestens eine Woche vor Ostern wieder aufmachen können, damit nicht ein zweites Mal das Ostergeschäft ausfällt.“

Deutscher Reiseverband: "Gravierende Folgen für die Wirtschaft"

Der Deutsche Reiseverband spricht angesichts der neuerlichen Beschlüsse von gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Dies gelte ganz besonders für die verheerende Lage von Reisebüros, Reiseveranstaltern und der vielen weiteren Dienstleister im Tourismus. Die Branche befinde sich, von einer kurzen Phase der Erholung im Sommer abgesehen, de facto seit einem Jahr im Lockdown – ohne eine Perspektive.
"Die Menschen in der Reisebranche brauchen aber nichts dringender als eine Perspektive. Viele mussten bereits ihr Geschäft aufgeben oder stehen kurz vor der Insolvenz. Für uns als Deutscher Reiseverband ist klar: Wer ganze Wirtschaftszweige in den Lockdown schickt, muss auch Konzepte für den Restart vorlegen." Öffnungsszenarien, Stufenpläne und inzidenzbasierte Teststrategien lägen auf dem Tisch und müssten jetzt zeitnah verabschiedet werden, um der Reisebranche endlich die dringend notwendige Zukunftsperspektive zu geben.

Bundesverband mittelständische Wirtschaft: "Beweis der Unverbindlichkeit der Politik"

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) kommentierte: "Der Coronagipfel ist ein weiterer Beweis der Unverbindlichkeit der Politik und der Gipfel der Enttäuschungen für den Mittelstand."

Zentraler Immobilien Ausschuss: "Jeder Tag Lockdown kostet 1,5 Milliarden Euro allein im Handel"

Der Zentrale Immobilien Ausschusses (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, kritisierte, es fehle weiterhin jede Perspektive für eine Öffnung des Handels. "Jeder Tag Lockdown kostet 1,5 Milliarden Euro allein im Handel. Die Folgen sind und werden dramatisch sein. Es geht um die Existenzen ganzer Innenstädte", sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner der dpa.

Dehoga Hessen: "Wünschen uns Fingerzeig"

Auch das hessische Hotel- und Gastgewerbe vermisst in der Corona-Politik eine Perspektive für die Branche. "Wir sind verärgert", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gaststättenverbandes Dehoga in Hessen, Julius Wagner, am Donnerstag in Wiesbaden. "Das, was fehlt, ist ein Fingerzeig."
Bei aller Wertschätzung für die Kollegen in den Friseursalons fühle sich das Gastgewerbe von der Politik nicht gesehen. Es habe auch eine hohe psychische Relevanz, dass das Hotel- und Gastgewerbe nach dem Treffen von Bund und Ländern am Mittwoch nicht direkt erwähnt worden sei, sagte Wagner. "Wir haben kein Datum erwartet, aber eine Perspektive."

Dehoga Bayern: "Wir lassen uns nicht entmutigen"

"Wir lassen uns von dem Bund-Länder-Gespräch nicht entmutigen - das Ergebnis war ja zu befürchten", heißt es beim Dehoga Bayern. "Umso mehr drängen wir jetzt darauf, bei der angekündigten Öffnungsstrategie in unserem Sinne berücksichtigt zu werden und dass bis dahin die Hilfsgelder schneller fließen und wirklich alle Betriebe profitieren."


Überblick: Die Beschlüsse im Einzelnen

REISEN: Nicht notwendige private Reisen und Besuche sollen unterlassen werden.
WEITERE ÖFFNUNGEN: Erst wenn eine "stabile" Inzidenz von höchstens 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen erreicht ist, sollen weitere Öffnungen durch die Länder folgen. Dann sollen der Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen wieder aufmachen können. Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) sagte, ein Shopping-Tourismus solle verhindert werden. Deswegen hätten alle Länder betont, dass es mindestens in benachbarten Ländern eine Verständigung geben sollte über ein einheitliches Vorgehen.
Für Lockerungen in Kultur, Sport in Gruppen, Freizeit, Gastronomie und Hotelgewerbe wollen Bund und Länder eine "sichere und gerechte Öffnungsstrategie" weiterentwickeln. In Ländern und Landkreisen, wo es binnen sieben Tagen weiterhin mindestens 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gibt, sollen gegebenenfalls weiter härtere Auflagen gelten.
KONTAKTE: Privat sollen sich die Menschen in Deutschland weiterhin nur mit jeweils einer weiteren Person außerhalb des eigenen Haushalts auf einmal treffen. Der Kreis dieser Menschen sollte möglichst klein gehalten werden. Die Bürger sind dringend gebeten, "alle Kontakte auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken und
insbesondere Zusammenkünfte in Innenräumen zu vermeiden".
MASKEN: Das Tragen von OP-Masken oder Masken mit FFP2- oder einem vergleichbaren Standard in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln bleibt Pflicht.
HOMEOFFICE: Arbeitgeber müssen Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice erlauben, sofern ihre Tätigkeiten das zulassen. Details regelt eine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums. Bund und Länder fordern Arbeitgeber auf, diese konsequent anzuwenden. Wo sich doch mehrere Menschen bei der Arbeit gemeinsam in einem Raum aufhalten, sollen besser schützende Masken getragen werden.
KITAS & SCHULEN: Die Öffnung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche soll Priorität haben. "Dieser Bereich soll daher als erster schrittweise wieder geöffnet werden", mit Vorsichtsmaßnahmen wie Lüften, Schnelltests und wo möglich hochwertigen Masken. Über Öffnungen entscheiden aber die Länder. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollen prüfen, ob Kita-Betreuer und Grundschullehrer beim Impfen eine höhere Priorität erhalten.
FRISEURE: Friseure dürfen ab dem 1. März wieder öffnen. Sie müssen die Kundenzahl vor Ort mit Terminen steuern, außerdem müssen OP-Masken oder solche mit FFP2-Standard oder ähnlich getragen werden.
IMPFUNGEN: Geplant ist weiterhin, dass Bürger bis zum Ende des Sommers ein "Impfangebot" bekommen. Das bedeutet nach früheren Ausführungen von Spahn, dass jeder, der möchte, mindestens eine erste Impfung gegen Covid-19 erhalten haben soll. (dpa)