Die Radisson Hotel Group und Prizeotel haben ihre Zusammenarbeit konkretisiert. Was das für die Operative, die Expansion und die Weiterentwicklung der deutschen Budgetmarke bedeutet.
Nachdem die Radisson Hotel Group (RHG) die Marke Prizeotel im Jahr 2020 komplett von ihren Gründern Marco Nussbaum und Matthias Zimmer übernommen hatte, rätselte die Branche zunächst über deren Zukunft. Doch inzwischen haben sich Mutter und Tochter auf eine engere Zusammenarbeit, ein überarbeitetes Design und beachtliche Expansionspläne geeinigt. Auf dem International Hotel Investment Forum (IHIF) in Berlin gaben Prizeotel-Geschäftsführer Connor Ryterski und Max Gross, Vice President Business Development DACH bei RHG, Tophotel einen Einblick in die künftige Strategie, die unter anderem ein Wachstum der Marke von derzeit zehn geöffneten und neun projektierten Häusern um weitere 45 Hotels in den nächsten fünf Jahren vorsieht.
Tophotel: Herr Ryterski, Herr Gross, zuletzt hat RHG eher den Eindruck erweckt, sich von Prizeotel trennen zu wollen. Was war der Auslöser für diese nun sehr enge Zusammenarbeit?
Connor Ryterski (CR): In diesem Fall könnte man sagen, dass die Pandemie auch etwas Gutes hatte. Wir alle mussten unsere Strategien überdenken. Also haben wir uns in Ruhe mit Radisson zusammengesetzt und an einer gemeinsamen Zukunft gearbeitet, die in einen Fünfjahresplan mündete, den wir auch den chinesischen Aktionären von RHG, Jin-Jiang und Sino-Ceef, präsentierten.
Wie dürfen wir uns die künftige Zusammenarbeit vorstellen?
CR: Wir haben uns in erster Linie darauf geeinigt, mehr Synergien zu bilden. Eine davon ist zum Beispiel, dass wir nun einen Revenue Manager in der RHG-Zentrale in Madrid haben. Der operative Betrieb und das Aufrechterhalten des Prizeotel-Spirits bleiben aber bei uns in Hamburg angesiedelt. Außerdem ist das Inhouse-Design-Team von RHG jetzt für die Evolution von Prizeotel zuständig. Ziel ist es, eine Brücke zum bisherigen Design zu schlagen und darauf aufzubauen.
Das außergewöhnliche Design von Prizeotel ist eng mit dem Namen des Designers Karim Rashid verbunden. Verliert die Marke damit nicht ihr Alleinstellungsmerkmal?
CR: Wir werden Karim Rashid weiter als Berater einbinden.
Wie würden Sie den neuen Stil beschreiben, und ab wann wird er umgesetzt?
CR: Der neue Stil wirkt ruhiger als bisher. Wir arbeiten mehr mit Pastell- und Naturtönen, die aber immer wieder von verschiedenen Elementen und den grelleren Farben des Ursprungsdesigns aufgefangen werden. Wir setzen das neue Design ab sofort bei Übernahmen um. Bereits übernommene Hotels werden im Zuge ihres üblichen Renovierungszyklus angepasst.
Wird sich auch an der Vertragsstrategie etwas ändern?
Max Gross (MG): Wir möchten künftig am stärksten über Franchiseverträge wachsen, sie sollen die Key-Treiber werden. Je nach Standort und dessen Bedeutung für die Marke sind wir auch offen für Management- oder Pachtverträge. Außerdem suchen wir verstärkt nach bestehenden Immobilien, die umgewandelt werden können. Wir haben unser FF&E (Anm. d. Red.: Furniture, Fixtures & Equipment: Möbel, Einrichtungen und Einbauten) darauf aufgebaut und Zimmereinrichtungen entwickelt, die verstärkt mit mobilen Möbelstücken sowie Vorhängen arbeiten, und bei denen wir offen gelegte Elektrokabel beispielsweise hinter Paneelen verstecken können, um im Ergebnis die Umbaukosten möglichst gering zu halten.

Werden denn jetzt auch natürlichere, nachhaltigere Materialien eingesetzt?
CR: Im gesamten Hotel wird der Plastikanteil heruntergefahren oder durch recycelbares Material ersetzt. Große Teile des Mobiliars, wie beispielsweise die Stühle, wurden aber auch bisher schon aus recyceltem Material produziert. Zudem haben wir unsere Plastikeinwegverpackungen auf dem Frühstücksbuffet, wie zum Beispiel beim Brotaufstrich, bereits durch wiederbefüllbare Behälter ersetzt. Die Zahnputz- und Kaffeebecher to go, ebenfalls aus Plastik, werden dieses Jahr durch plastikfreie Alternativen ausgetauscht. Wir haben darauf bisher vielleicht zu wenig aufmerksam gemacht, doch insgesamt wird das Thema künftig eine wesentlich größere Rolle einnehmen. Unser Ziel ist es, einen Gebäudestandard gemäß KfW-Effizienzhaus 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse zu erreichen. Dafür gibt es derzeit auch Fördermittel.
Wird es neue Zimmertypen geben?
MG: Bisher hatte das standardisierte Prizeotel-Doppelzimmer eine Größe von 16 Quadratmetern. Künftig werden wir auch Konzepte für Familienzimmer mit Hoch- sowie Etagenbetten entwickeln, die etwas größer sein können. Zu jedem Hotel sollen zumindest Triple-Rooms gehören. Parallel dazu wollen wir aber auch die Bruttogeschossfläche pro Zimmer von bisher 30 bis 32 Quadratmetern auf 28 Quadratmeter senken.
Das heißt, weniger öffentliche Fläche?
CR: Die Lobby-Lounge wird sowohl in ihrer Flächeneffizienz als auch in ihrer Aufenthaltsqualität deutlich optimiert. Wir bewegen uns weg von der heute noch sehr funktionalen Bestuhlung, denken zukünftig in Zonen, bei denen die Bestuhlung auf ihren Zweck ausgerichtet ist. So wird es neben einer gemütlicheren Lounge-Ecke zum Zurückziehen einen Bereich geben, der mehr für den Verzehr von Getränken und Speisen geeignet ist.
Was wird es den Investor kosten, ein Hotelzimmer in ein Prizeotel umzuwandeln?
MG: Für die Soft-Renovierung eines Zimmers rechnen wir mit Kosten in Höhe von 6.500 bis 8.500 Euro. Aber angesichts der derzeitigen Unwägbarkeiten bei der Baukostenentwicklung gestalten sich solche Kostenschätzungen im Moment etwas schwieriger.
Bedeuten Familienzimmer auch einen Strategiewechsel bei der Zielgruppe?
CR: Nein, nicht wirklich. Wir wenden uns nach wie vor an technikaffine, vernetzte Reisende aller Altersgruppen. Aktuell liegt das Durchschnittsalter unserer Gäste bei 40 Jahren.
Wo wird der Schwerpunkt der Expansion sein?
MG: Bisher ist Prizeotel in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Belgien aktiv. Nun stehen ausgewählte EU-Länder auf dem Plan. Unseren Fokus werden wir zunächst aber weiterhin auf die DACH-Region legen und neu auf Großbritannien. Reaktiv schauen wir uns weitere Märkte wie zum Beispiel Benelux und Frankreich an.
Wie sieht die Anforderung an den Standort aus?
MG: Wir wollen in A-, B- und auch C-Städten wachsen. Daraus ergibt sich insbesondere für den deutschsprachigen Raum ein enormes Wachstumspotenzial. Die Mikrolagen sollten über eine ausreichende Nähe zu relevanten Nachfrage-Generatoren verfügen. Das schließt insbesondere Innenstadtlagen, aber auch Flughäfen und Business Parks mit Unternehmensansiedlungen mit ein.
Weshalb wird das bisherige Prizeotel-Projekt in Wiesbaden nun als Premier Inn eröffnen? Haben die Briten Sie aus dem Vertrag herausgekauft?
CR: In Wiesbaden gab es Probleme bei der Bauqualität. Insgesamt kam es während der Pandemie aus den unterschiedlichsten Gründen zu Markenwechseln. Unsere letzte Neueröffnung, das Prizeotel in Rostock, war ursprünglich als Ibis Hotel geplant.
Weshalb sollten sich Investoren und Gäste für Prizeotel entscheiden?
CR: Wir bieten unseren Gästen Midscale-Lifestyle zu Preisen eines Budget-Hotels. Gleichzeitig sind unsere Baukosten aber niedriger als bei Mitbewerbern im Midscale-Segment. Wir positionieren uns klar im Zweisternesegment, erzielen dabei aber dann doch Durchschnittsraten, die im Midscale-Segment mithalten. Ein wichtiger Punkt dabei ist unsere hohe Direktbuchungsrate. Sie lag 2019 bei mehr als 50 Prozent. Das möchten wir auf jeden Fall beibehalten, möglichst noch ausbauen. Ein weiterer Vorteil ist: Wir haben ein schlankes, schnell erlernbares Betriebskonzept und beschäftigen dabei weniger als 0,1 Mitarbeitende pro Zimmer. Bei 200 Zimmern sind das etwa 18 Mitarbeiter.

Wie hoch waren die Raten denn beispielsweise im April?
CR: Für die vier Häuser Bremen, Hamburg City, Hamburg St. Pauli und Hannover, welche 2019 bereits etabliert waren, konnten wir einen Anstieg in der Rate von plus acht Prozent auf 84,60 Euro im Vergleich zu 2019 bei einem Average Room Index (ARI) von 108,4 verbuchen. Für eines unser Hamburger Häuser erreichten wir einen ARI von 113,70 Euro.
Der Prizeotel-Spirit wird sehr stark vom Umgang mit den Mitarbeitenden geprägt. Wie lässt sich das mit der Philosophie der RHG vereinbaren?
MG: Was diesen Punkt anbelangt, haben wir uns vorgenommen, von der Startup-Atmosphäre bei Prizeotel zu lernen und auch Anwendungsansätze für unsere anderen Marken mitzunehmen. Wir haben uns zum Beispiel bei der HR-Strategie des Park Inn by Radisson Frankfurt Airport von Prizeotel beraten lassen.
Was macht Prizeotel als Arbeitgeber denn so besonders?
CR: Wir sehen immer sehr genau hin, wo der Schuh gerade drückt. Azubis beispielsweise können von ihrem Gehalt meist nicht einmal ein WG-Zimmer in einer Stadt wie Hamburg bezahlen, also haben wir es schon 2018 verdoppelt. Insgesamt bezahlen wir rund 20 Prozent höhere Gehälter als unsere Mitbewerber. Während der Pandemie haben wir schnell gemerkt, welch große psychische Belastung sie für unser Team ist. Also haben wir eine Psychologin beschäftigt, die uns durch diese Zeit half. Derzeit überprüfen wir auch, inwiefern die Einführung der Viertagewoche Sinn macht.
Interview: Susanne Stauß
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