Mehr Rechte für Gewerbemieter beim Thema Mietzahlung rücken in greifbare Nähe: Der Bundestag hat am gestrigen Donnerstag den nötigen Paragraphen gesetzlich auf den Weg gebracht, der eine Störung der Geschäftsgrundlage durch coronabedingte Schließungen anerkennt. Damit sind Mieter und Vermieter künftig dazu aufgerufen, über die Höhe der Zahlungen zu verhandeln, so die Experten-Einschätzung eines Rechtsanwalts.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht will bereits seit einigen Wochen die Position der Gewerbemieter bezüglich Miet- und Pachtzahlungen bei coronabedingten Schließungen stärken (wir berichteten). Und auch IHA sowie Dehoga hatten sich vehement dafür eingesetzt (wir berichteten). Nun hat sich auch der Bundestag mit dem Thema beschäftigt.
Klarstellung der Störung der Geschäftsgrundlage
Und in seiner Sitzung gestern beschlossen, dass Paragraph 313 BGB auf Covid-19 anwendbar ist. Der neu in Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) eingefügte Paragraph 7 stellt fest: "Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat."
Diese Regelung ist laut Jurist und Professor Clemens Engelhardt von der Münchner Kanzlei Trustberg LLP Rechtsanwälte auf Pachtverträge entsprechend anwendbar. Begleitend wurde im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) durch Paragraph 44 ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot eingeführt: "Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln." In diesen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
"Mieter und Vermieter sind aufgerufen, über Veränderungen zu verhandeln"
"Damit steht fest: Mieter und Vermieter sind aufgerufen, über Veränderungen zu verhandeln", sagt Rechtsanwalt Prof. Dr. Clemens Engelhardt. "Ob und in welcher Höhe dies beispielsweise auch Mietreduktionen bedeutet, ist allerdings anhand des Einzelfalls zu bewerten."
München-Urteil als mögliche Argumentationsgrundlage
Dazu könnten bisherige Urteile als Argumentationsgrundlage herangezogen werden, so beispielsweise das Urteil des Landgerichts München vom 22.09.2020 (wir berichteten). Hierbei hatte erstmals hat ein Gericht in Deutschland einem Kläger eine Mietminderung bestätigt, was eine Lastenverteilung auch auf Immobilieneigentümer bedeutet. Diese Grundsätze lassen sich nach Einschätzung des Rechtsanwaltes "für jede betroffene Branche ganz oder zumindest teilweise übertragen". Und dies auch für die gesamte Zeit seit März 2020, sprich auch für den ersten Lockdown.
Dorint-Chef Dirk Iserlohe bedankt sich bei Bundesjustizministerin
Auch Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe, der sich für die Anpassung eingesetzt hatte, bedankt sich "im Namen vieler Hoteliers und Gastronomen" bei Bundesjustizministerin Christine Lambrecht für "diesen korrigierenden Eingriff". Der Hotelunternehmer geht davon aus, dass der Bundesrat dem Gesetz zeitnah zustimmt. Dann könne man als betroffener Unternehmer sofort mit den Vermietern und Verpächtern in faire Verhandlungen zur Höhe der Zahlungen eintreten.
Iserlohe bedankt sich in dem Zusammenhang auch bei den beiden Hauptgeschäftsführern der Hotelverbände, Ingrid Hartes (Dehoga) und Markus Luthe (IHA) sowie vielen Bundestagsabgeordneten, die sich gemeinsam für die Umsetzung dieser Klarstellung stark gemacht haben. Allen voran Dr. Jan-Marco Luczak (CDU).
Iserlohe geht davon aus, dass Hoteliers und Gastronomen ab sofort neue Verhandlungen mit ihren Verpächter führen und so faire Lösungen – individuell und auf Augenhöhe – schaffen werden. Er verdeutlicht, dass doch beide Parteien ein gemeinsames Ziel haben, nämlich den bestehenden Pachtvertrag für die Laufzeit zu erhalten.
Weitere Experten-Einschätzung zum Thema Mietrecht
Eine weitere Einschätzung zu den Änderungen gibt unter www.hotellerie.de der auf Immobilienwirtschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwalt und Junior-Partner bei Oppenhoff, Marvin Rochner. Den Link zum Beitrag finden Sie hier.