Wie das Management der Ressource Personal verstanden wird, entscheidet über die Zukunft vieler Betriebe im Gastgewerbe. Eine Erkenntnis ist: Je höher das Thema Employee Experience im Unternehmen aufgehängt ist, umso besser die Überlebenschancen, sagt unser Experte Marco A. Gardini.
Viele Betriebe und Initiativen im Gastgewerbe zeigen, wie modernes und erfolgreiches Personalmanagement aussehen kann. So haben vorausschauende Betriebe in der jüngeren Vergangenheit ordentlich an Dynamik und Ambition zugelegt, wenn es darum gehen soll, ein „Great Place to Work“ zu werden. Allerdings klaffen wohl nirgendwo Anspruch und Wirklichkeit nach wie vor so sehr auseinander wie bei der Mär vom Mitarbeiter als Erfolgsfaktor.
Zahlreiche Unternehmen in diversen Branchen sind von einem umfassenden und strategischen Personalmanagement nach wie vor weit entfernt. Sie sind für die Personalaufgaben der Zukunft nur unzureichend gerüstet oder leisten seit Jahrzehnten keinen nennenswerten Beitrag zu ihrer eigenen Wertschöpfung, wie Thomas Sattelberger, ehemaliger Personalchef bei Lufthansa und der Telekom, seit vielen Jahren unermüdlich mahnt: „Die deutschen Personalabteilungen, zumindest der überwiegende Teil von ihnen, sind seit zehn Jahren eine lebendige Leiche. Sie überlebt zwar noch, irgendwie. Mehr allerdings auch nicht.“
Employee Experience
Die Mitarbeitererfahrung, auch „Employee Experience“ genannt, ist ein multidimensionales Konstrukt, das die kognitiven, emotionalen, verhaltensbezogenen, sensorischen und sozialen Wahrnehmungen und Reaktionen der Mitarbeitenden in Bezug auf jeden direkten oder indirekten Kontakt mit einem Arbeitgeber umfasst.
Jetzt geht es bei HR nicht um HR, sondern ums Business, wie es der US-amerikanische Wissenschaftler Dave Ulrich bereits vor 25 Jahren in seinem Buch „HR-Champions“ festgestellt hat. Im Angesicht der aktuellen Personalnot im Gastgewerbe wird es für viele offensichtlich, dass das Nadelöhr für den Erfolg des Unternehmens in den kommenden Jahren nicht Branche, Standort oder Produkte sind, sondern qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Strategie statt Taktik, dass muss denn auch jetzt die Devise im HRM (Human Resource Management) sein. Angesichts der zentralen Bedeutung des Personals zur Umsetzung kundenzentrierter Strategien auf Produkt-, Marken- und Kundenebene erfordern wettbewerbsorientierte HR-Strategien eine frühzeitige Integration personalpolitischer Fragestellungen in grundlegende Gestaltungsprozesse der Unternehmensentwicklung. So gilt es über eine engere inhaltliche und organisatorische Verzahnung von Unternehmensführung, Marketing und HR sicherzustellen, dass im Wettbewerb um die Mitarbeiter auch marktrelevante Aspekte Berücksichtigung finden. Entsprechend klar ist die damit verbundene Aufgabenstellung: „Design your employee experience as thoughtfully as you design your customer experience.“
Die meisten HR-Abteilungen denken jedoch nach wie vor noch operativ und linear, in der Überzeugung, dass eine halbwegs solide Erfüllung von Hygienefaktoren und die mehr oder weniger kreative Anhäufung von Zusatzleistungen am Ende zu einem Mehr an Mitarbeiterengagement und -zufriedenheit führen werden. Die wahren HR-Champions der Branche denken strategischer, kennen und antizipieren die divergierenden Interessen und wachsen mit den Ansprüchen ihrer Mitarbeitenden. Passgenaue Lösungen, lebenszyklusorientierte Konzepte, individuelle Entwicklungschancen, anreizabhängige Vergütungssysteme, Mitarbeiterbeteiligungen sowie eine identitätsstiftende Führungskultur sind die Zutaten einer zukunftsfähigen Personalagenda.
Ein modernes und am Markt ausgerichtetes Personalmanagement wird somit zu einer strategischen Unternehmensaufgabe. Zukünftig hängt die Überlebensfähigkeit zahlreicher Betriebe des Gastgewerbes davon ab, wie HR im Unternehmen verstanden wird.
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Marco A. Gardini, Professor für Tourismus-Management an der Hochschule Kempten
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