Der Wareneinkauf ist für Hoteliers eine arbeitsintensive Angelegenheit. Gastautor Jochen Oehler von Progros verrät im zweiten Teil unserer neuen Serie, wie sich dank Digitalisierung Prozesse vereinfachen und Kosten senken lassen.
Rund 30 Prozent des Umsatzes eines Hotels entfallen auf direkte Einkaufskosten. Der Großteil – je nach Betriebstyp – betrifft Food, Beverage sowie Non-Food-Verbrauchsartikel. Wie aktuelle Analysen in der Hotellerie zeigen, liegt der durchschnittliche Wert pro Bestellung und pro Rechnung bei rund 500 Euro – Monatsrechnungen inklusive.
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Bei einem Hotel mit einem Einkaufsvolumen von etwa einer Million Euro fallen somit pro Jahr um die 2.000 Bestellungen und somit auch 2.000 Lieferscheine und 2.000 Rechnungen an. Jeden Tag wird also fleißig bestellt. Und das von nahezu jeder Abteilung.
Bestellungen, die viele Arbeitsschritte nach sich ziehen: vom Wareneingang und der Lieferscheinkontrolle über den Rechnungsempfang, sachliche Rechnungsprüfung, Kontierung, Zahlungsfreigabe, Zahlung sowie Ablage der Rechnung und vieles mehr. Hinzu kommen Inventuren wie auch die Ermittlung von zukünftig benötigten Waren. All diese Aufgaben und Arbeiten, die von der Bestellung bis zur Rechnungsablage im Zusammenhang stehen, werden als „Procure-to-Pay-Prozess“ bezeichnet.
Geringer Digitalisierungsgrad
Dieser umfasst fast 30 unterschiedliche Arbeitsschritte. Die Optimierung des Procure-to-Pay-Prozesses durch entsprechende Digitalisierung gehört also klar zu einem der relevanten Organisationsbereichen eines Hotels. Das erklärte Ziel: Ressourcen und Kostenpotenziale freizusetzen und gleichzeitig den Administrationsaufwand zu reduzieren, was wiederum zu zufriedeneren Mitarbeitenden führt. Das Problem: Die Hotellerie erledigt diesen Prozess zurzeit noch überwiegend manuell, wie das Marktforschungsinstitut HiNFAM in der Studie „Guess‘22“ ermittelt hat. Nur 21,4 Prozent aller Hotelbetriebe haben ihren Beschaffungsprozess oder Teile davon bereits digitalisiert oder planen, ihn in den nächsten zwei Jahren zu digitalisieren.
Vorteile durch Digitalisierung
- Deutliche Beschleunigung des gesamten Prozesses
- Leichte Einarbeitung neuer Mitarbeitender
- Ausbau des Employer Branding durch moderne Arbeitstools
- Einkaufspreisverfolgung auf Knopfdruck
- Bessere Liquiditätsplanung und -steuerung
- Höhere Transparenz und Revisionssicherheit
- Schnelleres und besseres Reporting
- Senkung aller Prozesskosten durch Entlastung der Buchhaltung
- und aller einkaufsrelevanten Abteilungen
- Keine lokale Installation nötig, sondern cloudbasierte Nutzung (auch mobil)
- „Eigentümer der Daten“ und somit „Just-in-Time Nutzung“ der Daten für
- Automatisierungs- oder andere interne Optimierungszwecke
Prozesse in Geld messbar
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist: Wieviel kostet eigentlich ein Procure-to-Pay-Prozess? Die Hochschule Heilbronn hat im Sommer 2022 eine studentische Projektarbeit initiiert, die den Beschaffungsprozess am Beispiel von drei Hotels untersucht und ihn in Kosten bemessen hat. Die Abläufe dieser Hotels waren unterschiedlich stark digitalisiert.
Die Bandbreite reichte vom manuellen Prozess (schwach digitalisiert) über mittelstark digitalisiert (semi-digital) bis hin zum digitalen Prozess (stark digitalisiert). Jeder „Handgriff“ eines Prozessschrittes wurde bei der Projektarbeit dokumentiert und der Einzel- sowie Gesamtzeitaufwand mit der Stoppuhr gemessen. Unter Hinzunahme der Lohnkosten ließ sich der Einzel- und Gesamtzeitaufwand auch in Kosten umrechnen. Zugrunde gelegt haben die studentischen Wissenschaftler hierbei ein Monatsbruttogehalt in Höhe von 3.125 Euro. Bei einer Arbeitszeit von angenommenen 160 Stunden im Monat ergaben sich Lohnkosten in Höhe von 0,33 Euro pro Minute.
So viel kostet es wirklich
In der Komplettauswertung zeigte sich, dass das stark digitalisierte Hotel durchschnittlich 27,4 Minuten pro einzelnem Procure-to-Pay-Prozess benötigte. Seine Prozesskosten lagen somit bei 9,03 Euro. Bei dem Hotel mit semi-digitalen Prozessabläufen lag der Zeitaufwand bei 78,6 Minuten und umgerechnet 25,95 Euro, und bei dem Haus mit überwiegend manuellen Abläufen bei 196,2 Minuten und 64,76 EUR an Prozesskosten.
Im Ergebnis lässt sich auf Grundlage dieser Projektarbeit feststellen, dass der stark digitalisierte Procure-to-Pay-Prozess rund siebenmal schneller und somit auch siebenmal günstiger ist. Für die Investitionsentscheidung eine wichtige Information. Denn die Einsparungen bei den Prozesskosten und der Arbeitszeit liegen laut aktueller Marktpreislage deutlich höher als die Kosten für die Lizenzierung entsprechender Softwarelösungen.

Der Experte: Jochen Oehler
Jochen Oehler ist Strategie- und Marketingvorstand der Dehag Hospitality Group AG sowie Geschäftsführer der auf Supply-Chain-Management spezialisierten Progros.
Er hat einen Lehrauftrag an der Hochschule Heilbronn für den Bereich Supply-Chain-Management und ist Verfasser mehrerer Veröffentlichungen zu Einkauf, Digitalisierung und Prozessoptimierung. 2017 erschien sein Buch
„Macht Einkauf – Powerstrategien für modernes Einkaufsmanagement in der Hotellerie“.