ChatGPT ist derzeit in aller Munde. Doch was bedeuten künstliche Intelligenz und Chatbots für die vom persönlichen Kontakt geprägte Gästebetreuung?
"Wir denken, Chatbots werden in Zukunft eine große Rolle in der Hotellerie spielen", sagt Sandra Geiger-Pauli vom Hotel Bodenmaiser Hofim Bayerischen Wald. Das beginnt in ihren Augen bei der Unterstützung der Verkaufsstrategie und endet nicht zuletzt bei der täglichen Kommunikation mit dem Gast. "Eine Individualisierung der unterschiedlichen Häuser und Angebote ist aber zwingend notwendig, sonst haben wir einen Einheitsbrei." Daher müsse immer noch ein Mensch die Vorschläge der künstlichen Intelligenz prüfen, da er am Ende des Tages auch die Verantwortung trage.
Im Berghaus Schröcken legt Inhaberin Steffi Schwarzmann den Fokus auf menschliche Begegnungen: "Natürlich kann ein Gast auch bei uns kurz und knackig online buchen oder in unseren FAQs Antworten finden. Aber wir gaukeln ihm keine Unterhaltung vor, wo keine ist."
"Chatbots sind für mich lediglich produktivitätssteigernde Werkzeuge und werden den Menschen – gerade im Hotel und in der Gastronomie – niemals komplett ersetzen", sagt Hoteldirektorin Claudia Komeyer vom Schlossgut Oberambacham Starnberger See. "Wir sind doch alle Genussmenschen. Kann eine Maschine einen Genuss steigern?" Dennoch geht sie davon aus, dass Tools wie ChatGPT oder Google Bard die Arbeitswelt verändern werden. Richtig eingesetzt, seien die Systeme heute schon wichtig. In der Korrespondenz mit Gästen, Mitarbeitenden oder Lieferanten könne es vielleicht neue Möglichkeiten schaffen. Risiken sieht die Gastgeberin für technisch Unerfahrene. Durch unklare Befehls- und Fragestellungen könnte ein Chatbot unlogische Antworten geben. Zudem bärge er Risiken hinsichtlich Datensicherheit und Cyberangriffen, Benutzerdaten müssten hinreichend geschützt werden.
"Disruptive Technologie" für mehr Kreativität und neue Ansätze in der Touristik
Martin Ebster und der Tourismusverband St. Anton am Arlberg positionieren sich pro Innovation: "Wer sich nicht bereits jetzt mit KI, deren Möglichkeiten und Chancen auseinandersetzt, wird den Anschluss an die sich immer schneller verändernde Arbeitswelt verlieren." Erleichterungen sieht er in vielen Bereichen – etwa in der Kreativität, um neue Ansätze zu entwickeln.
"Wir sind in der glücklichen Lage, dass der Tourismus von Emotionen abhängig ist, eine KI wird daher auch in Zukunft unsere Gastgeberinnen und Gastgeber nicht ersetzen können", so Ebster. Derzeit suche man aktiv nach Möglichkeiten, wie diverse KIs in bestehende Arbeitsabläufe eingebunden werden können, um die Effizienz zu steigern. Er sieht künstliche Intelligenz als eine disruptive Technologie an, die alle Lebensbereiche grundsätzlich verändern wird.
Mehr Zeit für Kontrolle statt Kontrollverlust
Als "unumgänglich" und "Synonym für unsere Zeit" sieht auch Thilo Burucker Tools wie ChatGPT. Für den Head of Sales beim Cloud-Software-Anbieter Filosof by Scopevisio stellt sich nicht die Frage der Vor- und Nachteile: "Es ist vielmehr die Frage, was wir daraus machen. Und nutzen wir nicht längst schon unterbewusst künstliche intelligente Systeme? Sobald wir die Technologie besser verstehen, werden wir die Vorteile noch unaufhaltsamer nutzen können. Dann ist KI für jeden ein Hilfsmittel. Die Zukunft wird dadurch nicht schlechter, sondern erst einmal nur anders."
Der Sorge um Kontrollverlust stellt der Backoffice-Profi eine Argumentation entgegen: "Aus meiner Sicht ist das Gegenteil der Fall. Mit der eingesparten Zeit beim Wegfall von einfachen, wiederkehrenden Tätigkeiten lässt sich weitaus ergebnisorientierter und kontrollierter arbeiten. So steigern wir die Konzentration aufs Wesentliche – also auch auf den Gast." Nebenbei würden Kosten eingespart und der Fachkräftemangel ausgeglichen werden. Ziel sollte sein, durch KI so viel Freiraum für Mitarbeiter und Gäste zu schaffen, dass sie einerseits unsichtbar bleibt, aber dadurch maximale Produktivität im Hotel gewährleistet werden kann.
Im Tiroler Hotel Jungbrunn ist bereits ein Recruiting-Chatbot im Einsatz, zu dem Job-Interessenten via Social-Media-Anzeigen gelangen: "Mit einem Klick auf ‚Ja, ich möchte Euch kennenlernen‘ beginnt der Bewerbungsprozess", berichtet der externe Berater Stephan Waltl von Microgast. Zudem gebe es einen WhatsApp-Client, der von Mitarbeitern beantwortet werde. Denn: "Menschen sind in allen Bereichen unersetzbar, die Maschinen noch nicht können. Dazu gehören unter anderem Empathie, Zuwendung, Verständnis sowie Arbeitsschritte, die viel Fingerspitzengefühl oder Vorsicht verlangen." Grundsätzlich sieht Waltl einen schmalen Grat zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Daher sollte gekennzeichnet werden, wenn etwas durch künstliche Intelligenz erstellt wurden.
Unterstützung im Fachkräftemangel
"Erstaunliche Ergebnisse" etwa beim Schreiben (lassen) ihres Blogs mit ChatGPT sammelte Sonja Miko vom österreichischen Spezialreiseveranstalter Indigourlaub. Künftig textet sie aber bevorzugt wieder selbst – denn „ganz ohne menschlichen Touch ist es einfach nicht Indigo-like“. Im Kontext des Fachkräftemangels sieht sie die Möglichkeit auf schnelle Abhilfe, trotzdem ist eine weitere Implementierung von KI derzeit kein Thema im Betrieb. "Ich denke aber, dass im Speziellen im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie die KI in der Administration unterstützend sein kann. Im Kerngeschäft, also der Arbeit mit dem und für den Gast, wird der Faktor Mensch auch in Zukunft entscheidend dafür sein, ob Betriebe erfolgreich sind oder nicht."
Wegen des Personalmangels sieht auch Vanessa Freisberg vom Hotel Vier Jahreszeiten Starnberg Chancen für die Unterstützung durch künstliche Intelligenz, etwa beim Check-in oder bei der Abwicklung von Direktbuchungen, betont aber ebenfalls: "Fehler können und werden passieren – ob von der Technik oder dem Menschen verursacht. In unserer Hotelkategorie wird der direkte Gästekontakt unabdingbar bleiben."
Faktor Mensch im "Emotions-Business"
Bei Haubers Naturresort in Oberstaufen/Allgäu genießt KI den Status als Neuheit mit Vor- und Nachteilen. Simple Abläufe etwa ließen sich gut digitalisieren, auch beim Thema der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit von Informationen für Gäste dominierten die Pro-Argumente. Doch je individueller die Anfrage, desto größer auch die potenzielle Fallhöhe, sagt Geschäftsführerin Eva Hauber: "Ein unangenehmes Szenario sind für mich verärgerte Gäste, die im Buchungsprozess den persönlichen Kontakt suchen und sich durch die Fragen eines Chatbots kämpfen, um schließlich frustriert die Urlaubssuche abzubrechen oder gar bei einem Wettbewerber zu buchen.“ Im direkten Austausch und in kleinen bis mittelständischen Familienunternehmen, "im Emotions-Business sozusagen", bleiben Menschen für Eva Hauber unersetzlich.
IT-Experte Jan Wischnat von Füssen Tourismus und Marketing steht dem Thema aufgeschlossen gegenüber. Vorteile sieht er etwa beim schnelleren Auswerten komplexer Informationen wie einer Zusammenfassung aus Fließtexten in Tabellen. Herausforderungen birgt der hohe Kontrollbedarf, da oft ungenaue und manchmal sogar komplett falsche Informationen präsentiert werden: "Bis jetzt gibt es keine Möglichkeit, ChatGPT dauerhaft und sitzungsübergreifend eigenes Wissen anzutrainieren", sagt Wischnat. So arbeite die KI noch immer mit einem Informationsstand von 2021. Deswegen werde sie auf Dauer auch keine Menschen ersetzen. "Echte Gastfreundschaft oder persönliche Begegnungen, die das Herz berühren und das Leben bereichern, so etwas wird eine künstliche Intelligenz nie bieten." sar