In Schwelm gibt es das Schulhaus Hotel – ein Haus mit 35 Zimmern und eigenständigem Restaurant, das sich in einer ehemaligen Grundschule befindet. Die Herausforderungen beim Umbau des gut 100 Jahre alten Gebäudes lagen auch im Bereich des Brandschutzes.
Warum eröffnen zwei Berliner ausgerechnet im westfälischen Schwelm ein neues Hotel? Auf diese Frage gibt es vor allem zwei Antworten: Erstens liegt die kleine Kreisstadt strategisch günstig am nördlichen Rand des Naturparks Bergisches Land, rund 40 Kilometer entfernt von Köln, Düsseldorf und Dortmund. Das ist für Gäste ideal, die die Gegend für Tagesausflüge und Kurzurlaube bereisen wollen oder die in einer der Metropolen geschäftlich zu tun haben, aber lieber im Grünen übernachten. Der andere Grund ist das alles andere als alltägliche Gebäude in der Altstadt von Schwelm, in dem das Hotel untergebracht ist: die ehemalige Volksschule am Westfalendamm. Ein malerisches Haus aus dem Jahr 1915, mit Natursteinsockel und einer für die Region typischen Fassadenbekleidung aus schwarzen Schieferschindeln: ein bauliches Kleinod, auf das man nicht alle Tage stößt, wenn man – wie Kurt Hermandung und Marc Konopatzki – nach einem beruflichen Neuanfang sucht.
Grundschule mit Potenzial
Hermandung ist seit Jahrzehnten mit Leib und Seele Hotelier, war in London, Nizza, Paris und zuletzt in Berlin tätig, wo er das Hotel Kronprinz führte, während sein Partner Konopatzki aus der Lebensmittel- und Nahrungsindustrie kommt. „Unser Traum war ein eigenes Hotel, und wir haben viele Häuser angeschaut. Nicht in Berlin, da wollten wir nun wirklich nicht noch ein Hotel eröffnen. Wir wollten ein kleines, charmantes Haus, aus dem wir etwas ganz Besonderes machen – mit Charakter. Und starken Alleinstellungsmerkmalen“, sagen die beiden heute. Nach Schwelm kamen sie 2017 aufgrund eines Inserats des Investors Ralf Stoffels, der in einer Fachzeitschrift nach einem Hotelpächter suchte. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei BIW Isolierstoffe und als Schwelmer seinem Heimatort sehr verbunden. Auch weil er für sein Unternehmen mit Sitz im benachbarten Ennepetal immer wieder Übernachtungskapazitäten benötigte, entstand die Idee, die 2012 wegen zu geringer Schülerzahlen geschlossene Grundschule zu kaufen und in ein Hotel mit Restaurant und Tagungsbereich zu verwandeln. Hierfür erstellte das ortsansässige Architektenbüro Wilde + Wehnau zunächst erste Entwürfe und später dann auch die Ausführungsplanung.
Glücklicherweise hatte das Haus den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt überstanden und wurde auch in der Nachkriegszeit nie zum Zweckbau saniert, sodass sein ganzer Charme erhalten geblieben ist. Allein in den 1980er-Jahren wurde eine Turnhalle angebaut. Was Hermandung und Konopatzki bei ihrem ersten Vor-Ort-Termin vorfanden, war ein Haus mit dem Potenzial für eine einzigartige Geschichte. Sie griffen zu, viele Vergleichsobjekte gibt es da schließlich nicht.
Restaurant und Tagungsbereich in der Turnhalle
Die insgesamt 35 Gästezimmer befinden sich heute allesamt im alten Schulhaus, während die ehemalige Turnhalle den Tagungsbereich sowie ein Restaurant mit gehobener Küche, Bar und Lounge beherbergt. Letzteres sollte von Anfang an unabhängig vom Hotelbetrieb funktionieren. Es befindet sich im Erdgeschoss und erinnert auch wegen der großformatigen schwarz-weißen Turnerfotos, einer an Turnerringen von der Decke abgehängten Sitzbank und der Basketball-Bodenmarkierungen an den Wänden an die ehemalige Nutzung. Erreichbar ist es sowohl über einen eigenen Straßeneingang als auch über den im Obergeschoss direkt am Haupteingang liegenden Tagungsbereich. Restaurant und Tagungsbereich sind zwar durch die neu eingebaute Geschossdecke getrennt, bilden jedoch eine räumliche Einheit, weil der Pausen- und Erschließungsbereich auf einer offenen Galerieebene mit zweigeschossiger Glasfassade angelegt ist.
Der neue Haupteingang des Ensembles befindet sich in einem Neubau genau zwischen Tagungsbereich und Hotel. Neu ankommende Gäste gelangen zunächst an eine schlicht gestaltete Rezeption, deren Empfangstresen als breite Kreidetafel erscheint – ein Motiv, das sich z. B. bei den Wegweisern und Zimmertafeln durch das ganze Haus zieht.
Neue Treppe als Fluchtweg
Die wesentliche Herausforderung beim Umbau des Schulhauses bestand darin, eine Hotelnutzung in einem Gebäude zu verwirklichen, das dafür nicht geplant war. Dabei ist vor allem die Frage nach den Fluchtwegen von besonderem Interesse. Von der Rezeption gelangen die Hotelgäste direkt in die 20 bis 37 Quadratmeter großen Einzel- und Doppelzimmer. Der ehemalige Haupteingang und auch die alte Haupttreppe sind zwar noch vorhanden, spielen aber nur noch eine untergeordnete Rolle. Letztere führte die Schüler in einer lichtdurchfluteten Halle nach oben zu den großzügigen, offenen Etagenfluren vor den Klassenzimmern.
Leider eignete sich diese Anlage nicht für den Hotelbetrieb. Was fehlte, war ein zweiter Fluchtweg, weil eine straßenseitige Anleiterung durch die Feuerwehr wegen der zu kleinen, denkmalgeschützten Fensterflügel nicht möglich war. Also entschieden sich die Architekten dafür, in den Etagenfluren ein neues abgeschlossenes Treppenhaus zu errichten, das nun im Brandfall als zusätzlicher, sicherer Fluchtweg dient. Ein dort gleich mitintegrierter Aufzug sorgt außerdem für eine barrierefreie Erschließung aller Zimmer. Diese Lösung verkleinert den ehemaligen Schulflur zwar deutlich, die Restfläche ist aber bei weitem noch immer groß genug, um das alte Treppenhaus mit den noch immer funktionierenden Trinkbrunnen weiterhin sehr großzügig wirken zu lassen. Und die Gäste haben nun die Wahl: Sie können entweder den direkten neuen Weg zwischen den Geschossen nehmen oder durch das stimmungsvolle alte Treppenhaus wandeln.
Das richtige Maß an Brandschutz
Gemäß den aktuellen Brandschutzrichtlinien waren zwischen Gästezimmern und Hotelflur neue selbstschließende Rauchschutz-(RS-)Türen erforderlich, die angesichts der von den Architekten gewählten Eichenholzoberflächen aber nicht unangenehm auffallen. Weitere brandschutztechnische Probleme, die aus der alten Bausubstanz resultieren, gab es vor allem deshalb nicht, weil das Gebäude konsequent als Massivbau konzipiert ist. Als solcher verfügt er über massive Wände und eine vergleichsweise moderne Deckenkonstruktion aus Eisenbeton, die den Brandüberschlag von einem ins nächste Geschoss effektiv verhindert.
Die 35 Zimmer des Schulhaushotels bieten Platz für insgesamt 60 Gäste. Diese Gesamtzahl ergibt sich nicht allein aus dem Wunsch nach Einzel- und Doppelzimmern, sondern insbesondere aus der Tatsache, dass ab 61 Betten deutlich verschärfte Brandschutzanforderungen gegolten hätten. Beispielsweise wäre eine zur Feuerwehr aufgeschaltete, regelmäßig zu kontrollierende Brandmeldeanlage notwendig gewesen, aber auch T30-Brandschutztüren. Türen dieser Feuerwiderstandsklasse müssen dem Durchtritt eines Feuers mindestens 30 Minuten lang widerstehen und sich dann noch immer öffnen lassen. Beides hätte auch auf lange Sicht erhebliche Kosten verursacht.
Vom Klassenraum zum Hotelzimmer
In jedem der alten Klassenzimmer haben die Architekten zwei etwa gleich große Zimmer untergebracht, im großen alten Musiksaal vier. Im Dachgeschoss, in dem sich früher Klassenräume und in Gebäudemitte – mit eindrucksvollem Blick auf die Stadt – das Rektorzimmer befanden, haben die Architekten die größten Zimmer eingerichtet. Nicht zuletzt, weil dort Teile des Holzdachstuhls die Räume prägen, ist die Geschichte des Hauses hier am deutlichsten spürbar.
Die Zimmer sind unabhängig von ihrer Größe unaufgeregt schlicht gestaltet und verfügen über Eichenholzmöbel und -fußböden sowie zurückhaltende, gut aufeinander abgestimmte Farben für Stoffe, Bezüge und Wände. Hinzu kommt die Ausstattung aller Hotelzimmer mit einem Turnkasten als Kofferablage sowie mit Kunstwerken des Künstlers Ioan Iacob, der im Rahmen eines eigens initiierten Kunstprojekts alte Schullandkarten bemalte. Auf diese Weise bleibt die ehemalige Schulnutzung auch in den Zimmern immer und überall präsent.
Autor: Roland Pawlitschko