Wie ein Vogel breitet das ehemalige Terminal der Fluggesellschaft TWA am New Yorker JFK-Airport seine Flügel aus. Jetzt wurde der legendäre, seit Jahren brachliegende Bau von 1962 wiederbelebt: als Hotel der Extraklasse – mit Poolblick Richtung Piste.
Es riecht nach Kerosin, Triebwerke dröhnen, und der Blick aus dem Fenster offenbart vor allem Asphaltflächen, Flugzeuge und Gangways. Offensichtlich nicht unbedingt der ideale Ort für einen Rooftop-Pool. Doch dieser Pool befindet sich nicht an irgendeinem Flughafen, sondern am John F. Kennedy Airport in New York – und zwar direkt am Rollfeld. Um noch präziser zu sein, befindet er sich bei Terminal 5 auf dem Dach des neuen TWA Hotels. Das Haus ist nicht allein deshalb einzigartig, weil es das einzige Hotel innerhalb des Flughafengeländes ist, sondern weil zu ihm auch jenes Terminal mit elegant geschwungenem Dach gehört, das der finnisch-amerikanische Architekt Eero Saarinen einst für die Fluglinie TWA entworfen hat. Der strahlendweiße, sorgfältig in den Originalzustand zurückversetzte Bau aus dem Jahr 1962 dient heute als Empfangshalle und Lobby und beherbergt Bars, Cafés und Restaurants, während die Gästezimmer – und auch der Pool – in zwei benachbarten Neubauten untergebracht wurden. Hinzu kommt ein unterirdisches Kongresszentrum, das die verantwortlichen Planer des New Yorker Architekturbüros Lubrano Ciavarra Architects geschickt auf der Fläche zwischen diesen drei Gebäuden anordneten.
Vom denkmalgeschützten Terminal zum Hotel
Es gibt weltweit kein Flughafengebäude der 1960er-Jahre, das bildhafter als dieses das damals gerade aufkeimende Flugzeitalter verkörpert: Saarinens skulpturales Dach erinnert an einen überdimensionalen Vogel, der – scheinbar zum Abflug direkt in die Zukunft – seine Schwingen ausbreitet. Das Gebäude war ein Riesenerfolg für die Fluglinie und machte den Namen TWA nicht zuletzt wegen des enormen Presserummels in aller Welt bekannt. Allein im ersten Jahr sollen in dem Bau 1,5 Millionen Fluggäste abgefertigt worden sein. Nachdem die Jets jedoch immer größer und voller und auch die Sicherheitsbestimmungen immer schärfer wurden, stieß das Terminal zusehends an seine Grenzen. Mit dem Niedergang von TWA im Jahr 2001 war es schließlich überflüssig und stand einige Jahre leer – bis der Hotelbetreiber und Investor MCR and MORSE Development vor einigen Jahren die Idee einer Revitalisierung entwickelte. Während sich Nachnutzungen derart expressiver Signature-Buildings oft als kompliziert erweisen, waren die Voraussetzungen für die Integration dieses Gebäudes in ein Hotel geradezu ideal. Dafür sorgte vor allem der Umstand, dass in dem Gebäude seit Anbeginn Gäste abgefertigt und verköstigt und ihre Wartezeiten so angenehm wie möglich gestaltet werden sollten. Es wurden also explizit genau dieselben Ziele adressiert, die auch das heutige Hotel verfolgt.
Überzeugend ist jedoch nicht nur das Nutzungskonzept, sondern auch die äußere Gestaltung der beiden bogenförmigen und in gebührendem Abstand errichteten Zimmerflügel. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass Saarinens Gebäude heute von der Eingangsseite wesentlich klarer in Erscheinung tritt als noch vor dem Umbau. War das alte Terminal 1962 als freistehende Landmarke konzipiert, drängen sich heute zahlreiche Straßen, Parkhäuser, Flughafen- und Nebengebäude drumherum, die nun zum großen Teil hinter den Zimmerflügeln verschwinden. Die siebengeschossigen Neubauten halten sich dabei dank ihrer zurückhaltend ruhigen Fassaden respektvoll im Hintergrund. Dunkel getöntes Glas und die dunklen vertikalen Fassadenprofile sind bewusst als Reminiszenz an die Gebäude der klassischen Moderne konzipiert. So erinnern sie an die Bauten aus der Entstehungszeit des TWA Terminals, etwa an das Seagram Building, das Ludwig Mies van der Rohe Ende der 1950er-Jahre an der New Yorker Park Avenue plante.
Gebaute Dynamik
Egal, ob man sich dem Saarinen-Gebäude mit dem Auto, mit dem Air Train oder zu Fuß annähert – schon der erste Eindruck ist überwältigend. Im Kontrast zu den ansonsten belanglosen Bauwerken am JFK Airport vermittelt der spiegelsymmetrische und noch heute futuristisch wirkende Bau eine geradezu kontemplative Ruhe. Und das nicht trotz, sondern gerade wegen seiner innen wie außen gleichermaßen schwungvollen Formen. Der mittige Eingang führt die Gäste in die lichtdurchflutete Empfangshalle, wo sie – wie einst die Fluggäste – einchecken und auf Wunsch auch gleich ihr Gepäck abgeben können. Von dort aus können sie die breite Haupttreppe nach oben gehen, um in der „Sunken Lounge“ oder im „Paris Café by Jean-Georges“ zu speisen, einen Martini zu trinken oder einfach nur die Architektur zu genießen. Anders als früher fällt der Blick wegen der vor zehn Jahren neu errichteten Abfertigungsgebäude des Terminals 5 nicht mehr direkt auf die weitläufigen Start- und Landebahnen. Einen gewissen Ausgleich und nostalgische Erinnerungen an Cary-Grant-Filme bietet dafür eine restaurierte Lockheed Constellation mit TWA-Lackierung. Die Propellermaschine steht auf dem als historisches Rollfeld gestalteten Dach des 4600 Quadratmeter großen Kongresszentrums und dient nicht nur als Dekorationsobjekt, sondern auch als Cocktail-Lounge.
Ruhige Zimmer trotz Fluglärm
So wie einst die Fluggäste, die zu ihrem Flugzeug wollten, durchschreiten auch die heutigen Hotelgäste die beiden röhrenförmigen, mit weichem Teppich belegten Fluggastbrücken, um in die beiden Zimmerflügel zu gelangen. Die fast baugleich gespiegelten Neubauten verfügen im Inneren über die gleiche Farb- und Materialsprache wie der Altbau, sodass zwischen alt und neu keine gestalterischen Brüche entstehen. Vorherrschend in den Zimmerfluren und im Kongresszentrum sind weiße Wände, rote Teppiche sowie dunkel kontrastierende Metall- und Holzoberflächen. Die 426 Zimmer und 86 Suiten sind etwas zurückhaltender und bieten Möbel im Mid-Century-Stil, gut ausgestattete Martini-Bars, alte Wählscheibentelefone und große Bäder mit Terrazzoböden. Das Besondere an den Zimmern ist, dass es eigentlich keine benachteiligte Ausrichtung gibt: Auf der einen Gebäudeseite sind das alte Saarinen-Gebäude und bei guter Sicht zudem die Skyline von Manhattan zu sehen. Auf der anderen Seite befindet sich das Rollfeld, das aus manchen Zimmern so absurd nah erscheint, dass man es fast für eine Fototapete halten könnte. Doch während die Flugzeugturbinen im Freien ohrenbetäubend laut sind, hört man im Zimmer – dank der mehrschichtigen, insgesamt 11,5 Zentimeter dicken Verglasung – tatsächlich nur das sanfte Rauschen der Klimaanlage.
Die neuen Übernachtungsgäste sind aus vielerlei Gründen hier. Manche kommen, um Saarinens Terminal zu erleben. Andere wollen ihren morgendlichen Flug in Ruhe und ohne Verkehrsstau direkt vom Flughafen mit bereits aufgegebenem Gepäck antreten. Wiederum andere nutzen das Angebot des Hotels, Zimmer untertags für sechs oder zwölf Stunden zu belegen – beispielsweise, um Umsteigezeiten zu überbrücken.
Viele dieser Gäste machen von der Möglichkeit Gebrauch, ihr Gepäck am Empfang abzugeben und im südlichen Zimmerflügel den Fahrstuhl auf die Dachterrasse zu nehmen. Dort erleben sie dann, was nirgends so gut zusammenpasst wie an diesem Ort: Kerosingeruch, dröhnende Triebwerke und die Freuden eines entspannten Bades in einem Rooftop-Pool mit flachem Strandeinstieg. Wem das Flugzeugbeobachten im Wasser irgendwann zu langweilig wird, der vertreibt sich die Zeit mit Drinks und Snacks an der Bar. Weil Plane-Spotter mit Stativ und Kamera, aber ohne gastronomisches Interesse die Dachterrasse anfangs ganztägig regelrecht belagert haben, zahlen externe Gäste heute eine Gebühr von 25 US-Dollar, die sie dann an der Bar anrechnen lassen können. Seitdem ist es dort wieder etwas ruhiger geworden. Sollte jedoch auch nur ein Airbus A 380 mit bis zu 850 Sitzplätzen wegen schlechten Wetters nicht starten können, ist es mit der Ruhe vorbei. Dann dürfte das Hotel innerhalb kürzester Zeit ausgebucht sein.
Autor: Roland Pawlitschko