Susanne Post ist seit drei Jahren als Personalleiterin für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger Hotels The Fontenay zuständig. Im Gespräch mit Tophotel erläutert sie ihre Philosophie und Überzeugung, dass eine intensive und offene Kommunikation sowie Rücksicht auf die individuellen Wünsche der Beschäftigten heute Grundvoraussetzungen sind, um die Hotellerie wieder zu einer attraktiven Branche auf dem Arbeitsmarkt zu machen – nicht nur in Krisenzeiten, und auch nicht nur im Bewerbungsgespräch.
Tophotel: Frau Post, was beschäftigt Sie als Personalleiterin im The Fontenay derzeit am meisten?
Susanne Post: Ein großes Thema ist das Recruiting, es ist aber nicht das Hauptthema. Dieses ist, im Kontakt mit den Mitarbeitern zu sein. Herauszufinden, was ihnen wichtig ist, woran es fehlt – ein Ohr für die einzelnen Personen zu haben. Darauf liegt mein Hauptaugenmerk. Und darauf zu schauen, was wir als Personalabteilung machen können, um attraktiver für unsere Mitarbeiter:innen zu werden. Mein Anspruch ist: Wir dürfen keine administrative Abteilung sein, die einfach nur Dinge abarbeitet, sondern die Mitarbeiter:innen müssen bei uns das gleiche Gästeerlebnis bekommen wie sie es unseren Gästen geben.
Sie haben aktuell 19 Stellen ausgeschrieben. Wie gehen Sie vor, um passendes Personal zu finden und auch zu halten?
Der Weg ist, die potenziellen Mitarbeiter:innen schon beim Rekrutieren zu verstehen. Zu begreifen, was ihre Wünsche und ihre Bedürfnisse sind. Im Vorstellungsgespräch stelle ich viele Fragen, um die Person zu erfassen. Woher kommt sie, wohin möchte sie, und wie können wir sie unterstützen, damit ihr Ziel erreicht wird? Das sichert, dass die Person lange im Unternehmen bleibt. Je mehr Informationen wir im Gespräch gewinnen, desto einfacher wird es, sie in ihrer Karriere zu begleiten. Wenn wir wissen, was die Bewerber:innen wollen, können wir das Onboarding und die Zusammenarbeit im Team darauf aufbauen. So treffen wir wechselseitig die Erwartungshaltungen, und dies könnte eine perfekte Liaison werden.
Das setzt auf beiden Seiten eine ehrliche Kommunikation voraus …
Gestern erst haben wir in einem Vorstellungsgespräch sehr offen mit einer Bewerberin besprochen, was ihre Arbeitszeiten wären. Ich habe sie daraufhin gefragt, ob sie sich diese Arbeitszeiten vorstellen kann. Wir haben uns dann nach ihren Wunscharbeitszeiten erkundigt. Letztendlich passte ihre Vorstellung zu dem entsprechenden Team. Das Gute war, dass beide ihre Erwartungen benannt haben – so konnten wir direkt zu einer Lösung kommen.
In einem Haus wie Ihrem – mit 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ist es verhältnismäßig einfach, flexibel zu sein. Wie denken Sie darüber in Bezug auf kleinere Hotels?
Ich bin überzeugt, dass man dort die Bedürfnisse der Bewerber herausfiltern und Konzepte zuschneiden muss. Es gelten die gleichen Überlegungen: Welche Öffnungszeiten sind erforderlich, welche Arbeitszeiten kann man anbieten? Ist es zum Beispiel machbar, dass Mitarbeiter in Teilzeit Jobsharing machen? Alles, was in großen Konzernen längst Thema ist. Ich glaube, man muss die Scheu verlieren und auch als kleines Unternehmen sagen, wir probieren aus und schauen, ob es funktioniert.
Was braucht es darüber hinaus, um die seit Jahren angespannte Personalsituation zu verbessern?
Viele haben nach wie vor Angst vor der Branche, aber sie hat sich weiterentwickelt. Sie ist toll, auch weil es ein so wundervolles Miteinander gibt. Die Hotellerie muss faire Löhne zahlen und nach draußen tragen, dass die Arbeit im Hotel wirklich etwas Besonderes ist – mehr darüber reden, was wir gut machen: flexible Arbeitszeiten, ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen, Förderung von Talenten … Es ist ungemein wichtig, die positiven Aspekte über die Branchenmedien hinaus zu kommunizieren, sodass auch potenzielle Quereinsteiger erreicht werden. Zum Beispiel mit einem guten Instagram-Account, der auch Karrierethemen bespielt. Und: Zufriedene Mitarbeiter werben Mitarbeiter – das ist das A und O.
„Wir müssen darauf achten, dass sich Personen nicht wie Schachfiguren fühlen und hin- und hergeschoben werden.“
Welche Personal-Themen werden aktuell an Sie herangetragen?
Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Arbeitsplatzsicherheit und ein stetiger Austausch mit den Mitarbeiter:innen besonders wichtig. Viele wollen gefördert werden. Ich bin teilweise beeindruckt, wie schnell sie auf der Karriereleiter nach oben wollen. Heute ist das Vorstellungsgespräch eher das Verkaufsgespräch des Hotels, weniger das des Bewerbers. Geben und Nehmen. Inzwischen fragen viele erst, was bekomme ich, und entscheiden dann, was sie geben möchten. Deshalb ist es notwendig, die Mitarbeiter:innen danach zu fragen. Wenn die Vorstellungen mit denen des Unternehmens kompatibel sind, funktioniert es. Andernfalls muss man schauen, ob man etwas ändern kann, sodass es für beide Seiten ein Konsens wird. Und wenn nicht, muss man auch das benennen.
Das klingt weit entfernt von „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Was denken Sie über diesen Satz?
(Lacht) Ich habe ihn letzte Woche bei uns im HR-Team benutzt. Und gesagt: Damit kann man heute nicht mehr bei Auszubildenden argumentieren. Der Satz ist ein Totschlagargument. Was soll der junge Mensch, der sich entwickeln möchte, denn daraufhin erwidern? Wir müssen darauf achten, dass sich Personen nicht wie Schachfiguren fühlen und hin- und hergeschoben werden. Auch in der Ausbildung geht es darum, regelmäßig Gespräche zu führen. Bewirken will man doch mit diesem Satz, dass jemand sein Verhalten ändert. Aber so bringt es nichts. Ebenso: Früher war die Ausbildung viel härter. Ich darf nicht die Erwartungshaltung haben, dass Auszubildende heute unter den gleichen Bedingungen arbeiten müssen. Das ist nicht mehr zeitgemäß, und ich finde, das sollten wir akzeptieren und uns neu erfinden, um weiterhin attraktiv zu sein.
Welchen Satz würden Sie als gegenwärtige Entsprechung formulieren?
Lehrjahre sind der Grundstein für die spätere Karriere.
Gibt es strukturelle Veränderungen, die Sie als hilfreich erachten würden?
Meiner Meinung nach müsste die Hotellerie daran arbeiten, neben den klassischen Führungsebenen einen Fachkraft-Werdegang ins Leben zu rufen. Es gibt großartige Fachkräfte, die unglaublich gut ausgebildet, aber als Führungskraft nicht gut sind. Beide Karrierewege sollten zukünftig gleichrangig bewertet werden.
Führungskräfte können wichtige Weichensteller sein, was bedeutet für Sie gute Führung?
Sie sollte klar sein. Transparent – mit gutem Konflikt- und Krisenmanagement, das zuversichtlich, aber dennoch offen sagt, wir befinden uns in dieser oder jener Situation, aber das wird der Weg sein, den wir gehen. Motivierend – mit einer positiven Grundhaltung. Für mich ist Führung eine Haltungsfrage. Authentisch zu sein finde ich von großer Bedeutung. Die Haltung, dass man das, was man macht, aus tiefstem Herzen tun möchte. Optimistisch und positiv.
Was denken Sie über den Umgang mit Fehlern im Unternehmen?
Es gibt wenige Dinge, die mich auf die Palme bringen. Eines davon ist, wenn Menschen Fehler nicht eingestehen können. Fehler können und dürfen passieren, wir sind Menschen und keine Roboter. Sich hinzustellen und offen zu sagen: Es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht, finde ich immens wichtig.
Wie ermutigen Sie Ihr Team dazu?
Im The Fontenay werden die Themen Umgangsformen und Umgang mit Fehlern besprochen, sobald jemand bei uns anfängt. Wir wollen nicht, dass Fehler unter den Teppich gekehrt werden, sondern angesprochen werden. Aus Fehlern resultieren irgendwann Gastbeschwerden, das kann man vermeiden. Man muss Mitarbeitern das Vertrauen schenken, dass sie Fehler machen dürfen. Wenn ich wahrnehme, dass sie sich persönlich angegriffen fühlen, wenn man einen Fehler anspricht, dann kommuniziere ich direkt, dass es nicht persönlich gemeint ist, sondern, dass es darum geht, eine Verbesserung zu erzielen.
„Wenn man einen Wunsch äußert, ist es viel schöner, als wenn man einen Vorwurf macht.“
Susanne Post, The Fontenay
Also braucht es auch da eine Offenheit und Direktheit in der Kommunikation?
Für mich ist Ehrlichkeit auf einer respektvollen Ebene das A und O einer Beziehung und innerhalb eines Teams. Ich finde gut, wenn ein Mitarbeiter auch mal zu mir kommt und sagt: Das passt mir so nicht, ich will das nicht. Wie in Partnerschaften, in der Familie, unter Kollegen – ich sage häufig: Wenn man einen Wunsch äußert, ist es viel schöner, als wenn man einen Vorwurf macht.
Ich wäre dafür, dass Kommunikation ein Thema im Unterricht würde, weil mit guter Kommunikation viele Probleme vermieden werden können. Und Kommunikation macht unsere Branche aus.
Holen Sie sich viele Impulse für Ihre Arbeit aus anderen Branchen?
Ja, ich habe vor einigen Jahren angefangen, mir jährlich die Megatrends anzuschauen. Die Mind-Map hängt in meinem Büro, und ich markiere das, von dem wir als Team glauben, dass es für uns wichtig ist. Dieses Jahr haben wir uns auf die Fahne geschrieben, näher an den Mitarbeitern zu sein. Besonders auch wegen Corona. Wir kommen auf sie zu und fragen nach. Der Vorteil ist, dass sich viele wohler fühlen, wenn sie in ihrem Komfortbereich sind. Mehrmals am Tag machen wir eine Runde durchs Haus.
Welche Gedanken an die Zukunft begleiten Sie momentan bei diesen Runden?
Die Hotels müssen jetzt aktiv werden, attraktiv für den Arbeitsmarkt sein und Quereinsteigern das Arbeiten ermöglichen. Es wäre fatal, wenn wir aufgrund eines Personalmangels Leistungen einschränken müssten. Hotels und Gastronomie tragen so viel zum gesellschaftlichen Leben bei. Ich bin überzeugt, dass wir die offenen Stellen besetzen werden und dass sich die Branche relativ schnell von der Krise erholen wird. Das Bedürfnis nach Reisen ist da und groß. Und unsere Branche ist eine der schönsten.