Wie leben wir in unseren Städten nach Corona? Dieser Frage ist die IRE|BS Immobilienakademie im Auftrag des Urban Land Institute (ULI) nachgegangen; und hat die Studie "Europäische Städte nach Corona – Strategien für resiliente Städte und Immobilien" vorgestellt. Auch in Bezug auf Stadthotels gibt es darin spannende Erkenntnisse.
Aus der Studie und der Befragung geht hervor, dass für die Hotelbranche eine anhaltende Konsolidierung erwartet wird. Gerade Geschäftsreisen dürften nach Einschätzung der Befragungsteilnehmer über einen längeren Zeitraum eingeschränkt werden. Stärker auf Freizeittourismus zielende Hotels – sowohl in den Kernstädten als auch auf dem Land – dürften früher aus der Krise zurückfinden.
Wichtige Aktionsfelder
Kernaussage der Studie ist, dass für die zukünftige Stadtentwicklung folgende Aktionsfelder entscheidend sind: Die Stärkung von Quartieren um Wege zu reduzieren, die Gestaltung mit mehr öffentlichen Räumen, wobei es eine Mehrfachnutzung der Flächen für Begegnungen und andere Nutzungen geben wird, die Umnutzung von Bestandsimmobilien zu anpassungsfähigeren und stärker gemischtgenutzten Gebäuden und damit einhergehend die Flexibilisierung des Bauplanungsrechts.
Gero Bergmann, Vorstandsvorsitzender ULI Deutschland/Österreich/Schweiz und Sabine Georgi, Geschäftsführerin ULI Deutschland/Österreich/Schweiz, dazu: "Die zwei zentralen Akteursgruppen für die Stadtentwicklung werden dabei öffentliche Einrichtungen und private Investoren sein. Der Umbau der Städte gelingt nur partnerschaftlich."
Pandemie "führt nicht zur Stadtflucht"
Die Pandemie führt laut Studie nicht zur oft zitierten Stadtflucht oder zum Sterben der Innenstädte. Prof. Dr. Tobias Just, wissenschaftlicher Leiter IRE|BS Immobilienakademie: "Auch wenn die stärkere Verdichtung, die Nutzungsmischung und die kürzeren Innenstadtwege Aspekte mittelalterlicher Städte zurückholen, entsteht vor allem etwas Neues: Die Städte werden durch stärkere innere Quartiersbeziehungen strukturierter und gleichzeitig amorpher, da enge Gebäudezuordnungen häufiger aufgehoben werden."
Franziska Plößl, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovendin IRE|BS, ergänzt: "Städte werden somit wohnlicher, offener und dadurch menschenbezogener. Grüner werden sie ohnehin, aber nicht aufgrund der Pandemie, sondern weil es der Klimawandel erzwingt."
In der Untersuchung erwartet eine Mehrheit von 33,58 Prozent, dass die Städte stärker nach außen wachsen werden und dass Nachverdichtung zwar wichtig bleibt (20,83 Prozent), jedoch den gesamten Veränderungsdruck nicht alleine bedienen kann. "Wir müssen deshalb in Metropolregionen aus Städten und ihrem Umland denken und handeln", betont Georgi.
Aufbruch bestehender Stadtstrukturen
Um eine deutliche Reduktion innerstädtischer Wegstrecken zu erreichen, bedarf es laut der Studie eines Aufbruchs bestehender Stadtstrukturen hin zu einem Netzwerk quasi-autarker Quartiere, bei denen ein größerer Teil des Verkehrs im Quartier beispielsweise mit dem Fahrrad erfolgen könnte. Dies dürfe aber nicht nur für wenige ausgewählte Quartiere, sondern für möglichst viele gelten, da es sonst zu Verdrängungsprozessen kommen wird. Diese Quartiere können auch nicht alle innenstädtischen Funktionen aufnehmen – die Innenstadt wird zentrale Stadtfunktionen behalten.
Neugestaltung öffentlicher Räume
Entsprechend entstehen die größten Herausforderungen laut den Befragungsteilnehmern in der Neugestaltung öffentlicher Räume und in der Umnutzung von Bestandsimmobilien. Damit diese Kernherausforderungen gemeistert werden können, müsse nicht nur das Planungsrecht flexibilisiert, sondern auch mehr privates und öffentliches Kapital mobilisiert werden.
Pandemie hat Risiken für Hotels offengelegt
Die Anpassungslasten und -chancen verteilen sich laut der Studie unterschiedlich auf die Assetklassen: Das Wohnungsmarktsegment sowie Gesundheitsimmobilien und die Logistikbranche gehen gestärkt aus der Pandemie hervor und stehen im Fokus von sicherheitsgeneigten Investoren.
Umgekehrt habe die Pandemie für Hotels und Handelsimmobilien Risiken offengelegt, die zuvor weitgehend unberücksichtigt blieben. Für diese Immobilienklassen werde eine Rückkehr zur Normalität nicht nur Zeit, sondern oft auch Neudefinitionen erfordern.
Mehr Flexibilität gefragt
"In der Umfrage wurde wiederholt betont, dass es in vielfacher Hinsicht mehr Flexibilität bedarf: auch und gerade in Genehmigungsprozessen und bei Gebäude- und Vertragsstrukturen. Genau diese Umstellung auf ein höheres Maß an Flexibilität dürfte die größte Umsetzungshürde darstellen, vor allem, weil gleichzeitig betont wird, dass es eine engere Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen Akteuren erfordert, sowohl hinsichtlich der Kapitalbeschaffung als auch des Know-hows", sagt Just.
Bergmann ergänzt: "Aufgrund der pandemischen Ausnahmesituation wird es zu Anpassungen der Stadtstrukturen kommen. Doch dies ist weniger der aktuellen Gesundheitskrise zuzuschreiben, als der Beschleunigung bereits bestehender gesellschaftlicher und technologischer Prozesse."