Schauspieler und Sänger Pasquale Aleardi "Herzlichkeit geht auch mit Maske"

Schauspieler, Sänger und Wahlberliner Pasquale Aleardi: "Emotionen können wir am ganzen Körper ablesen und zeigen." © Anna Grünwald

Pasquale Aleardi ist überzeugt: Herzlichkeit kann man auch mit Maske ausstrahlen. Wie wichtig dabei die innere Haltung ist und wie man sich selbst aufbauen kann, erläutert der Schauspieler und Sänger im Gespräch mit Tophotel.

"Am Anfang fand ich’s schräg. Ich hatte das Gefühl, ich bin in einem Gangsterfilm, und alle sind vermummt. Die Distanz zwischen den Menschen ist viel größer, man läuft ein bisschen wie in Watte gepackt durch die Gegend. Man muss genauer hinhören, weil man die Leute schlechter versteht, wenn sie durch die Maske murmeln. Beim ersten Mal hat es mich gestresst. Das Gefühl hatte ich bei meinem Gegenüber auch."

Pasquale Aleardi (49) hat als Schauspieler in rund 100 TV- und Kinoproduktionen mitgewirkt, darunter "Gotthard", "Das Pubertier" und als "Kommissar Dupin" in der gleichnamigen ARD-Reihe. Für seine Rolle im Kinofilm "Ich war noch niemals in New York" wurde er 2020 für den Deutschen Filmpreis nominiert. Er ist Sänger der Band "Die Phonauten", stand als Musical-Darsteller am New Yorker Broadway in "Chicago" auf der Bühne und in dieser Spielzeit bei "Cirque Du Soleil Paramour" in Hamburg. Der gebürtige Schweizer mit griechisch-italienischen Wurzeln lebt seit über zwanzig Jahren in Berlin. (Bild: Anna Grünwald) © Anna Grünwald

Berlin-Mitte: Pasquale Aleardi sitzt in der Morgensonne auf der Terrasse eines französischen Cafés und spricht über seinen ersten Supermarktbesuch mit Mund-und-Nasenschutz. In dem Café am Weinbergspark trägt das Servicepersonal an diesem Tag Baumwollmasken. Alle paar Minuten tritt der Kellner mit Speisen und Getränken auf die kleine Terrasse und ruft lautstark die Bestellungen aus, um sie den entsprechenden Gästen zuzuordnen.
Avocado-Baguette, Cappuccino und eine große Flasche Mineralwasser – Pasquale Aleardi lacht und freut sich auf sein Frühstück. "Wir Menschen sind extrem begabt im Adaptieren. Von klein auf guckt man ab, man lernt, passt sich an; wenn man offen genug ist und sich nicht dagegen wehrt, ist so vieles möglich. Wenn ich an den ersten Tag mit Maske denke, merke ich, dass ich danach jedes Mal entspannter wurde, und inzwischen habe ich mich schon daran gewöhnt."
Den Schauspieler und Sänger hat die Corona Pandemie, wie viele andere auch, bei voller Fahrt ausgebremst: Mitte März wurden seine Proben zum Musical "Cirque Du Soleil Paramour" in Hamburg abgebrochen, die Konzerte mit seiner Band "Die Phonauten" abgesagt, ebenso wie Dreharbeiten für einen Kinofilm. "Plötzlich hieß es: Lockdown. Mit einem Ratsch wurde alles abgeblasen. Das war schon sehr verstörend, weil man sich wie ein Ferrari trainiert hatte, acht Vorstellungen pro Woche zu wuppen. Ich wusste zuerst nicht, wohin mit dieser Energie. Aber die haben meine Kinder in Quarantäne dann quasi aufgesogen. Das ist das einzig Positive daran: Dass man mehr Zeit für die Familie hat und gemeinsam in beengtem Raum das Beste daraus machen muss – und auch kann."

"Wir Menschen sind extrem begabt im Adaptieren."
Pasquale Aleardi

Aleardi erzählt von Kreidegemälden, die seine Frau Petra und er mit den beiden kleinen Söhnen im Innenhof auf den Boden gemalt haben, von dem neuen Song "Dada-Dirla-Dada", den er mit seiner Band per Videokonferenz produziert hat, von dem Versuch, aus allem etwas Konstruktives entstehen zu lassen. "Die Fähigkeit, aus dem Moment das Beste zu machen, ist nicht zu unterschätzen. Diese Zeit ist dafür ein Training. Wenn eine Begrenzung kommt, was können wir tun? Plötzlich richtet man sein Augenmerk, die Scheinwerfer, auf andere Dinge, die jetzt machbar sind, und lässt sich darauf ein."
Dabei denkt er auch an die Kommunikation beim Tragen der Maske, die Mund, Nase, Kinn und Wangen bedeckt, vertraute Mimik verbirgt und Gesprochenes klang­lich verändert. "Die ersten Signale senden die Augen und die Stimme. Ich habe den Eindruck, im Moment entwickeln sich die Sinne stärker. Das passiert instinktiver. Ich höre besser, achte mehr auf die Stimme, der Augenkontakt ist intensiver. Danach achte ich auf die Körperhaltung, ob sie aufrecht ist oder ­gebückt. Und auf Bewegungen – was passiert da bei meinem Gegenüber. Emotionen können wir am ganzen Körper ablesen und auch zeigen." Lauteres und deutlicheres Sprechen, Blickkontakt halten, extrovertiertere Gestik und intensivere Mimik – alles Möglichkeiten, um trotz Maske Distanzen in der Kommunikation zu überwinden, äußerlich.

Für Pasquale Aleardi ist eine positive Ausstrahlung auch mit Maske möglich: "Es ist eine Frage der inneren Haltung." (Bild: privat) © Anna Grünwald

Für Pasquale Aleardi hängt die Wirkung aber maßgeblich von der inneren Haltung ab. "Welches Gefühl will man beim Gegenüber hinterlassen? Diese Frage sollte man sich stellen. Bei der Überlegung, wie wir Maske tragend Herzlichkeit und Freundlichkeit ausdrücken, glaube ich, muss zuallererst die Einstellung ehrlich freundlich sein. Das ist der Ursprung. Wenn der verfälscht ist, spürt man das sowieso. Und die innere Haltung fängt mit den eigenen Gedanken an. Damit, dass man in sich einen Weg findet, positiv zu sein. Wenn es einem gut geht, dafür reichen schon 51 Prozent, dann strahlt man das auch aus. Man muss einen Weg finden, sich zu freuen an dem, was man macht. Wenn jemand von seinem Produkt überzeugt ist, dann ist das spürbar, die Augen leuchten beim Reden. Man muss für das was man tut, einen gewissen Grad an Begeisterung, Enthusiasmus, Liebe finden."
Ein beruflicher Termin hat den gebürtigen Schweizer vor kurzem zu einer Reise nach Bern veranlasst – mit Mund-und-Nasenschutz. "Alles war auf Distanz, aber im Hotel waren alle extrem gastfreundlich, sehr zuvorkommend. Es war eine große Wertschätzung da, Freude beim Personal, wieder arbeiten zu können – und das war im Flugzeug genauso. Ich hatte den Eindruck, für alle war die Situation besonders, und die Haltung gegenüber den Gästen: Wir sind froh, dass Sie bei uns sind. Da habe ich über die Masken gar nicht nachgedacht."

"Wenn jemand von seinem Produkt überzeugt ist, dann ist das spürbar, die Augen leuchten beim Reden."

Auch Aleardi war glücklich, wieder arbeiten zu können. "Im Arbeitsmodus fällt es mir leichter, weil ich da in einer Verantwortung bin für das Außen. Wenn ich weiß, da stehen 30 Leute am Set und ich spiele die Hauptrolle, dann ist es für mich normal, dass ich alles dafür tue, mit einer positiven Arbeitshaltung hinzugehen. Ich habe mir Rituale gebaut, das hilft ungemein, wenn man sich daran gewöhnt hat. Morgens suche ich mir zum Beispiel immer eine Sache aus, auf die ich mich freue. Eine Sache – was immer das sein mag."
"Techniken" aus seinem Beruf hat er auch in sein Privatleben integriert. "Nehmen wir an, es geht dir gerade sehr schlecht, aber du weißt, in fünf Minuten musst du extrem gut drauf sein, weil du eine fröhliche Szene hast. Was tust du? Ich bin überzeugt, es fängt mit einer Entscheidung an: Du entscheidest im Kopf, Gedanken zu haben, die in dir Fröhlichkeit erzeugen. Das heißt, du sprichst in dem Moment anders zu dir, und du erzeugst andere Bilder in dir. Die bewirken, dass du dich aufrichtest, anders bewegst. Und schon steigerst du dich graduell in einen anderen Zustand und bist positiver. Und zwar authentisch positiv. Genau genommen bedeutet das, dass ich jeden Zustand per Entscheidung beschließen kann." – Die oft genannte "Einstellungssache".

"Morgens suche ich mir immer eine Sache aus, auf die ich mich freue."

"Das ist eine große Freiheit. Du entscheidest selbst, welche Gefühle du kreierst", ist er überzeugt. Diese Freiheit habe jeder. "Es gibt Menschen, die haben das als Begabung, als Gemüt schon in sich und können das sehr schnell. Andere können das weniger, aber ich bin der festen Überzeugung, dass jeder es trainieren kann – wie Muskulatur."
Ein Spatz, der sich erst vorsichtig, dann vertrauensvoll dem Bistrotisch genähert hat, pickt die übrig gebliebenen Baguettekrümel auf. Pasquale Aleardi imitiert amüsiert dessen Zwitschern. Wann wird er wieder singen und spielen? "Alles, was kommt, steht aktuell in den Sternen. Worauf ich sehr hoffe und wovon ich ausgehe, ist, dass im September wieder eine weitere Romanverfilmung von Kommissar Dupin in der Bretagne stattfindet. Ich bin zuversichtlich, ich will auch zuversichtlich sein." Mit und ohne Mund-und-Nasenschutz.