Nachdem die zivilrechtlichen Vorschriften zum Reiserecht aufgrund der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie angepasst wurden, wird unter gewissen Voraussetzungen der Reiseunternehmer trotz der Vermittlung von individuellen Reiseleistungen nunmehr als Reiseveranstalter qualifiziert. Aber haben die Änderungen auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung Einfluss? Und wann fallen Reisevermittler unter die typische Regelbesteuerung?
Stellen wir uns vor, dass eine Kundin über die Internet-Plattform des Reiseunternehmers "R" aus verschiedenen Reisekomponenten (etwa Hotelunterbringung, grenzüberschreitende Flüge, Hoteltransfer, Mietwagenservice und weitere typische Komponenten) einzelne Anbieter auswählen kann, um sich so ihre Wunschreise zusammenzustellen. Sie erkennt, dass die Verträge jeweils direkt mit den einzelnen Anbietern der Reisekomponenten zustande kommen. Im Anschluss an die Buchung erhält sie von "R" eine Buchungsbestätigung und sämtliche Reisedokumente im Namen der Anbieter. Die Zahlung wird von "R" im Namen und für Rechnung der Anbieter eingezogen.
Umsatzsteuerrechtliche Bewertung
Entscheidend für die umsatzsteuerrechtliche Abgrenzung zwischen Eigenhändler (Reiseveranstalter) und Vermittler ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allein das Außenverhältnis, also das tatsächliche Auftreten des Reiseunternehmers gegenüber dem Kunden, und damit die für den Reisenden objektiv erkennbaren Umstände (BFH, Urteil vom 16.3.2000 – V R 44/99, BStBl. II 2000, 361).
Besteht wie im Ausgangsfall die zentrale vertragliche Verpflichtung in der Vermittlung der einzelnen Reisekomponenten und gerade nicht in der Ausführung der Reiseleistungen selbst, und geht das Handeln in fremdem Namen und für fremde Rechnung für die Reisenden eindeutig hervor, sind die Leistungen des Reiseunternehmers umsatzsteuerlich als Vermittlungsleistungen einzuordnen.
Als Konsequenz bleibt es für die Besteuerung der Vermittlungsleistung bei den allgemeinen Vorschriften des UstG zum Leistungsort und zur Bemessungsgrundlage (erwähnenswert sind insbesondere die Regelungen des § 3a Abs. 2 S. 1 UstG (Steuerbarkeit in Deutschland) sowie in § 4 Nr. 5 a) bis c) UstG (Steuerbefreiungsklauseln)). Sie unterliegen daher nicht der Sonderregelung der Margensteuerberechnung, die nach § 25 Abs. 1 S. 1 UstG das Auftreten des Reiseunternehmers "im eigenen Namen" voraussetzt.
Reiserechtliche Bewertung
Im Unterschied zur umsatzsteuerrechtlichen Bewertung wird in bestimmten Fällen ein Reiseunternehmer nach den reiserechtlichen Vorschriften trotz der Vermittlung von Reiseleistungen als Reiseveranstalter qualifiziert. Grund für diese Fiktion ist, dass in diesen Fällen gerade keine separaten Verträge zwischen den Reisenden und den jeweiligen Anbietern zustande kommen, sondern ein einheitlicher Pauschalreisevertrag mit dem Vermittler geschlossen wird.
So wird die Fiktion gemäß § 651b Abs. 1 S. 2 BGB angenommen, wenn für den Reisenden mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise erbracht werden sollen und
• Nr. 1) der Reisende die Reiseleistungen in einer einzigen Vertriebsstelle des Unternehmers im Rahmen desselben Buchungsvorgangs auswählt, bevor er sich zur Zahlung verpflichtet; oder
• Nr. 2) der Unternehmer die Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis anbietet beziehungsweise zu verschaffen verspricht oder in Rechnung stellt; oder
• Nr. 3) der Unternehmer die Reiseleistungen unter der Bezeichnung "Pauschalreise" oder ähnliches bewirbt oder zu verschaffen verspricht.
Die Vorschrift des § 651c BGB betrifft wiederum die in der Praxis zunehmend relevanten Fälle, in denen die Reisenden über ein Online-Buchungssystem des Reiseunternehmers die Reisekomponenten individuell zusammenstellen. Auch in diesem Fall wird der Vertrag zwischen den Reisenden und dem Vermittler als Pauschalreisevertrag qualifiziert.
Was sind die umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen?
Wie eingangs dargestellt, kommt es im UStG grundsätzlich darauf an, dass der Vermittler klar erkennbar in fremdem Namen und für fremde Rechnung agiert – im Unterschied zur reiserechtlichen Einordnung, bei der nur objektive Buchungsvorgänge maßgeblich sind. Muss nun im Rahmen der Gesetzesanpassung die reiserechtliche Fiktion des Vermittlers als Reiseveranstalter auch auf die umsatzsteuerliche Beurteilung übertragen werden?
Die reiserechtliche Umqualifizierung vom Vermittler zum Reiseveranstalter darf nicht uneingeschränkt auf die umsatzsteuerliche Beurteilung übertragen werden.
Die in § 651b Abs. 1 S. 2 BGB genannten Kriterien zeigen, dass Nr. 1) der Vorschrift keinen unmittelbaren Bezug auf das Handeln in fremdem Namen und für fremde Rechnung hat, sodass deren Vorliegen den Vermittler zwar reiserechtlich, aber nicht zwingend auch umsatzsteuerrechtlich zum Veranstalter umdeutet. Auch die in § 651c BGB genannten Voraussetzungen haben keinen Bezug zum Handeln in fremdem Namen oder zum Handeln auf fremde Rechnung, sodass umsatzsteuerlich trotz reiserechtlicher Fiktion weiterhin von einer Vermittlerstellung des Reiseunternehmers ausgegangen werden kann, zumindest soweit dies für die Kundin oder den Kunden klar erkennbar ist.
Problematischer sind dagegen § 651b Abs. 1 S. 2 BGB Nr. 2) (Angabe des Gesamtpreises) und Nr. 3) (Bezeichnung als "Pauschalreise"): Bei beiden kann nicht ohne Weiteres auf eine Vermittlerstellung des Reiseunternehmers geschlossen werden. Will der Reiseunternehmer daher umsatzsteuerlich nicht als Reiseveranstalter behandelt werden, muss er in diesen Fällen dem Reisenden klar aufzeigen, dass er als Vermittler in fremdem Namen sowie für fremde Rechnung handelt.
Fazit
Will der Reiseunternehmer umsatzsteuerrechtlich als Vermittler und eben nicht im Zweifel als Reiseveranstalter gelten, muss er gegenüber dem Reisenden nach außen in fremdem Namen und für fremde Rechnung auftreten durch:
• klare Regelungen der Vermittlerfunktion und Provisionsermittlung in den Verträgen zwischen Reiseunternehmer und Anbieter;
• Einbindung entsprechender Hinweise zum Vertragsabschluss des Reisenden mit den Anbietern in den AGB/der Buchungsbestätigung;
• Verzicht auf Formulierungen bei Anmelde- und Buchungsformularen und Marketingmaßnahmen, die auf eine Eigenleistung hindeuten;
• Ausstellung von Anbieter-Rechnungen über erbrachte Reiseleistungen (beziehungsweise in deren Namen) an den Reisenden, die dieser an die Anbieter zahlt (zahlt der Reisende an den Reiseunternehmer, muss offensichtlich sein, dass dies für den Anbieter geschieht).
* Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates.
Zur Autorin
Sabrina Burkert ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Spirit Legal in Leipzig. Sie ist Expertin im Bereich E-Commerce und berät Mandanten aus Hotellerie und Gastronomie zu allen Fragen des Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrechts.