„Nicht sammeln, jagen!“ Accor-Managerin Daniela Schade im Interview

Daniela Schade © Accor

Accor-Managerin Daniela Schade verantwortet in ihrem Bereich so viele Ressorts, dass Normalsterbliche sich fragen, wie sie das schafft. Ihr Erfolgsrezept: Dem Team vertrauen, für den richtigen Kurs sorgen, Frauen stärken und durchsetzen, was man für richtig hält.
Tophotel: Frau Schade, beim Blick auf die Bereiche, die Sie bei Accor verantworten, stellt sich sofort die Frage: Wie schaffen Sie das?
Daniela Schade: Mit einem guten Team. Das ist eines der Erfolgsrezepte. Ich fühle mich ein wenig wie der Kapitän, der oben auf der Brücke steht und den optimalen Kurs ansteuert. Ich habe gute Manager, die das mit ihren Teams in Handlungen übersetzen. Ich kann nicht selbst in alle Details, in alle Bereiche gehen. So verstehe ich meine Führungsrolle auch nicht.
Ihr Weg an die Konzernspitze von Accor – was war entscheidend?
Etwas sehr Pragmatisches: meine Lehre zur Hotelfachfrau im Steigenberger Hotel Graf Zeppelin in Stuttgart. Das waren anstrengende Zeiten, aber ich habe ganz viel mitgenommen. Entscheidungen treffen, improvisieren. Wenn Sie als junger Mensch vor dem Gast stehen, geht er nicht weg, und das Problem geht auch nicht weg. Sie sind konfrontiert mit großen Verantwortungen. Das hat mir einen Touch von Pragmatismus mitgegeben, so dass ich heute immer sage, es gibt nichts, was nicht geht. Ich bin meinem Vater bis heute dankbar, dass er mir geraten hat: Mach erst eine Lehre, bevor du studierst. Außerdem habe ich früh begonnen, mich in Netzwerken und Verbänden zu engagieren.
Wie gestalten Sie den Bezug zur Basis? Bei einem Riesentanker wie Accor, wie weiß man da noch, was die Mitarbeiter bewegt?
Die Mitarbeiterzufriedenheit steht stark im Fokus, das werte ich als Erfolgsnachweis. Ich suche immer das Gespräch. Gehe unheimlich gerne in unsere Hotels, rede dort nicht nur mit den GMs, sondern auch mit den Kollegen an der Rezeption, bei den Guest Relations, im Restaurant. Da bekommen Sie extrem viel Feedback. Einmal im Jahr haben wir eine Mitarbeiterbefragung. Die Ergebnisse werden intensiv diskutiert. Das ist sehr zeitaufwendig, aber das ist mir wichtig. Es ist für mich ein guter Check: Wie erfolgreich bin ich wirklich in dem, was ich mache? Als Manager verbringst du 70, 80 Prozent deiner Zeit in Meetings. Wir haben uns alle vorgenommen, wir verbringen 70 Prozent unserer Zeit mit Mitarbeitern und Kunden und nur noch höchstens 30 Prozent in Meetings.
Sie haben eine klassische Ausbildung durchlaufen. Verspüren Sie manchmal den Wunsch, ins operative Geschäft zurückzukehren?
Ich habe immer gern operativ gearbeitet. Nachdem ich viele Jahre außerhalb des Hotelbusiness tätig war und dann zurückkam, war es ein bisschen wie heimkommen. Was ist der Unterschied? Die Branche hat sich verändert, die Distribution und die Digitalisierung haben Einkehr gehalten, die Technologie, in Zukunft wird KI dazukommen. Wir arbeiten stark an dem Thema, dass wir Menschen ins Hotel bringen müssen, die nicht den klassischen Weg gemacht haben, sondern Quereinsteiger sind und ganz andere Erfahrungswerte mitbringen. Ich bin ein großer Fan vom Thema Strukturen aufbrechen. Raus aus den Silos. So versuche ich auch zu führen: Denkt bitte automatisch: Was passiert mit deinem Handeln, wen beeinflusst du damit, wo fällt der nächste Dominostein um?
Die oberste Führungsetage ist immer noch von Männern dominiert. Woran liegt das Ihrer Meinung nach, und was unternimmt Accor, um Frauen zu fördern?
Einmal bieten wir sehr flexible Arbeitszeitmodelle an. Teilzeitkräfte, die in Mixed-Modellen arbeiten, ein paar Stunden im Office, die andere Zeit von zu Hause. Sie können sich eine Erziehungszeit von zwei, drei Jahren nehmen. Wir probieren da ganz viel aus. Ich persönlich lade immer wieder Frauen ein, mich zu Veranstaltungen zu begleiten, gebe ihnen die Möglichkeit, sich zu vernetzen. Lasse sie in die erste Reihe treten.
Frauen in Führungspositionen, die Frauen fördern wollen, erleben immer wieder, dass diese Nein sagen zum nächsten Karriereschritt, dass Frauen vor dieser Verantwortung zurückscheuen.
Im November bei der letzten VDR GBTA Tagung in Berlin habe ich genau zu diesem Thema gesprochen. Ich empfehle Frauen, den Mut zu haben, zu sagen, ich kann nicht 100 Prozent, ich kann nur 50 Prozent davon, aber ich werde die restlichen 50 Prozent lernen. Da können wir Frauen definitiv von Männern lernen, die da viel selbstbewusster reingehen. Ich sage das nicht wertend. Ein Mann würde sofort sagen, ja, das kann ich. Und da haben wir ein Lernfeld. Zu unserem „RiiSE-Programm“ gehört ein Mentoring-Programm. Ich sage zu jedem meiner Mentees: Übernimm die Verantwortung und trau dich, auch Fehler zu machen. Mach das, weil der Lernprozess dir hilft. Das ist für mich eines der großen Mankos, weil wir Frauen immer 100-prozentig liefern wollen. Überspitzt gesagt: Verhalten, das aus der Steinzeit kommt, als Männer zum Jagen gingen und die Frauen das Feuer hüteten. Das heißt, wir denken immer, wir müssten auf alles aufpassen, was aber nicht der Fall ist. Deswegen sage ich: Frauen, geht mehr raus zum Jagen und traut euch, den Speer in die Hand zu nehmen.
Sie haben das „RiiSE-Programm“ in Central Europe mit implementiert. Vielfalt in Teams ist Ihnen ein wichtiges Anliegen. Es geht nicht nur um Männer und Frauen, es geht um Altersunterschiede, unterschiedliche Herkunft.
Das Programm dreht sich um das gesamte Thema Diversity, und wir sind sehr stolz, dass wir viele Männer dabeihaben. Es gibt eine Menge Aktivitäten, Trainings, Mentoring-Programme. Ich bin seit drei Jahren bei FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte), nehme junge Mitarbeiterinnen, die auf dem Karrieresprung sind, zu Veranstaltungen mit, wo sie erfahrene Frauen in Führungspositionen treffen und netzwerken können. Ein externes Netzwerk mit einem internen Programm zusammenzubringen. Das ist die Idee. Think out of the Box.
Oft wird als Karrierehemmnis beschrieben, Frauen seien zu schnell zu kompromissbereit.
Ich persönlich bin der Überzeugung, das wird eine der Grundlagen sein, die wir im Management für die Zukunft viel mehr brauchen werden. Weil die neue Generation dieses Hierarchiegetriebene, dieses ‚Tschakka’, das ist meine Meinung und die wird durchgesetzt, ablehnt. Ich verrate Ihnen, wie ich mich durchgesetzt habe. Ich habe in Sitzungen gelernt zu warten, bis bei allen die Energie verflogen war, ich sage es mal ganz ironisch, bis das Testosteron versprüht war. Und danach habe ich meinen Punkt gemacht. Ich denke, Frauen bringen so viel soziale und emotionale Intelligenz mit, dass sie Situationen besser einschätzen können. Das sollten sie nutzen.
Unter dem Dach Accor versammeln sich viele Marken. In jüngster Zeit kamen Raffles, Fairmont, Swissôtel, zuletzt Mövenpick dazu. Allesamt starke Marken. Wie sehr wird die jeweilige Unternehmenskultur angepasst, oder wie eigenständig können diese Marken bleiben?
Die Marken behalten absolut ihre Eigenständigkeit. Auf der anderen Seite profitieren sie natürlich von dem, was Accor in dieser Größe als Konzern mitbringt, nämlich Systeme – globale Teams, Loyalty-Programme. Ist das einfach? Nein, ist es nicht. Es dauert oft zwei, drei Jahre, bis alle Systeme adaptiert sind. Und das ist auch gut so, bevor Sie irgendetwas überstürzen und darüberstülpen. Mövenpick ist momentan komplett im separaten Handling, auch im operativen Geschäft. Wir arbeiten behutsam daran, sie in die ganzen Systematiken hereinzubringen. Nächstes Beispiel: 25hours. Auch da kamen Stimmen auf, jetzt sind die im Konzern und dürfen sich nicht mehr frei bewegen. Auch sie profitieren von der Größe. Ich habe mich mit 25hours unterhalten, sie haben mir gesagt, wir haben jetzt viele Optionen in Ländern, wo wir sonst mit unserer Größe und unserem Produkt gar nicht an die richtigen Stellen kämen.
Gerade entwickeln Sie mit Tribe eine neue Lifestyle-Marke, die eine Antwort auf das Reiseverhalten der Millennials sein will. Das erste Tribe soll in London eröffnen.
Tribe ist ein gutes Zeichen dafür, wie flexibel der Konzern ist, wie wir auf die Anforderungen von Investoren und Endkunden reagieren. Ein Hotel wird nicht mehr nur ein Ort für Gäste sein, die da übernachten oder tagen, sondern eine attraktive Location für das gesamte Umfeld. Dafür muss ich die Lobby attraktiv machen, das F&B-Angebot verändern und das Hotel zu einem ‚24-Stunden-sieben-Tage-die Woche-Ort-der-Begegnung’ machen.
Zum Abschluss unseres Gesprächs ein Schlüsselerlebnis auf Ihrem beruflichen Weg?
Es gab eine Situation mit einem Vorgesetzten, die mir gezeigt hat, dass ich Grenzen überschreiten muss. Er hatte dreimal Nein gesagt zu einem Vorschlag. Ich stand trotzdem in seinem Büro, habe gesagt, ein Nein akzeptiere ich nicht, dabei gedacht, mein letztes Stündlein habe geschlagen. Ich erinnere mich noch genau, damals gab es noch Papier. Er nahm das Papier, zerknüllte es, schmiss es hinter sich und sagte: Gekauft.

Zur Person:

Seit September 2018 führt Daniela Schade bei Accor das Commercial Development mit den Bereichen Sales, Marketing & Brand Communications, Distribution, Loyality und Revenue Management innerhalb von Central Europe. Zudem ist sie Geschäftsführerin für die Accorhotels Deutschland. Angefangen hat sie ganz klassisch mit einer Hotelfachlehre im Steigenberger Graf Zeppelin. Berufsbegleitend absolvierte sie später ein Studium mit Schwerpunkt Marketing an der Wirtschafts- und Verwaltungsakademie in Stuttgart.
Nach einem 17-jährigen beruflichen Engagement bei Avis, wo sie als Director Sales den Corporatebereich sowie das touristische Geschäft verantwortete, kehrte sie 2006 mit Accorhotels zur Hotellerie zurück, wo ihr ein rasanter Aufstieg gelang. Sie verantwortete zunächst den nationalen Firmenkundenvertrieb. 2008 wurde sie Mitglied der Geschäftsleitung in Deutschland. Accor, das sind 4.900 Hotels, Resorts und Apartmentanlagen in 110 Ländern. Das Portfolio ist weit gestreut von Budget bis Luxus.
Daniela Schade ist maßgeblich beteiligt am aktuellen Umbau von Accor zum Lifestyle-Konzern mit dem Anspruch der „Augmented Hospitality“ und involviert in das neu lancierte Accor-Loyalty-Programm „ALL“ – „Accor Live Limitless“. Sie fungiert als Botschafterin beim Mentoring-Programm „RiiSE“, mit dem die Diversity in Teams gefördert werden soll.