Neuer GM des The Ritz-Carlton Berlin im Interview „Die Pandemie ist kein Sprint, sondern eine Langstrecke“

Torsten Richter ist seit Juli 2021 GM im The Ritz-Carlton Berlin. © Marvin Pelny

Torsten Richter, seit Juli 2021 neuer General Manager des The Ritz-Carlton Berlin, über seine Liebe zur Hotellerie, die aktuellen Herausforderungen und darüber, wie der Sport dabei hilft, auch schwierige Hürden zu nehmen.
Tophotel: Herr Richter, Sie haben länger im Ausland als in Deutschland gearbeitet. Nun kehren Sie nach fast drei Jahrzehnten Tätigkeiten auf vier Kontinenten zurück, um die Führung des The Ritz-Carlton Berlin in der Hauptstadt zu übernehmen. Was hat zu Ihrer Entscheidung geführt?
Torsten Richter: Tatsächlich habe ich nur die Ausbildung in Deutschland absolviert und war danach ausschließlich im Ausland tätig. Der Plan, irgendwann nach Deutschland zurückzukehren, war immer da. Nun gab es die passende interessante Stelle. Es sollte auch die Hauptstadt sein. Berlin ist ein Melting Pot, und im Ritz-Carlton werde ich auch weiterhin mit Menschen verschiedener Kulturen und Sprachen zusammenarbeiten, so wie in den vergangenen dreißig Jahren auch.
Wie sind Sie zur Hotellerie gekommen?
Mein bester Jugendfreund war der Sohn von Richard Schmitz, der 25 Jahre lang das Brenners Park-Hotel in Baden-Baden geleitet hat. Richard Schmitz war ein Vorbild für mich, hat mich für die Branche begeistert. Durch ihn habe ich sehr früh einen guten Einblick in das Hotelgewerbe bekommen. Mit 14 Jahren habe ich Flaschen im Weinkeller des Brenners Park-Hotels sortiert, mit 16 Jahren erste Erfahrungen als Kellner gesammelt. Der Kontakt mit den Menschen und die Verbindung mit einer internationalen Karriere – das war für mich damals das Nonplusultra!
Nun kommen Sie in der schwierigen Zeit des Restarts nach Deutschland zurück. Eine große Herausforderung ist der Fachkräftemangel. Wie gehen Sie damit um?
Zunächst: Der Fachkräftemangel ist ein globales, kein deutsches Thema, das nun durch Covid-19 nur noch verstärkt wurde. Viele Mitarbeiter sind in andere Branchen abgewandert, zum Beispiel zu Zulieferern gewechselt. In Deutschland haben wir obendrein ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken, sodass Eltern ihren Kindern derzeit abraten, in die Hotellerie zu gehen, die wie kaum eine andere Branche vom Lockdown betroffen war. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Aus meiner Sicht hat sich die Hotellerie in Deutschland schon verändert, aber vielerorts wird noch sehr altmodisch geführt. Es braucht frischen Schwung, sonst werden wir hier große Probleme bekommen, gute Mitarbeiter zu finden.
Das heißt, Sie spüren das bereits stark?
Wir haben bereits jetzt einen extremen Rückgang an Bewerbungen für Ausbildungsstellen. Auf der anderen Seite könnte ich aus dem Stand heraus hunderte von Mitarbeitern einstellen. Diese haben aber keine europäische Nationalität oder Arbeitserlaubnis. Was wir jetzt bräuchten, sind Arbeitsvisa für Menschen, die nicht aus Europa kommen. Das ist sicher ein Thema, das auf politischer Ebene diskutiert werden muss. Ich sehe es auf der Basis meiner internationalen Erfahrungen als Win-win-Situation.
Natürlich haben wir immer zuerst unser bestehendes Team im Blick. Die Förderung der Mitarbeitenden hat die höchste Priorität für mich und auch schon immer gehabt. Klar ist: Es gibt Themen, die wir weiter vorantreiben müssen, gemeinsam. Wie wir das machen? Bei Meetings nehme ich gern junge und erfahrene Teammitglieder mit, auch die Azubis. Wir brainstormen, diskutieren und lernen dabei auch, was den Millennials wichtig ist, wie und wo wir sie am besten erreichen.

„Unsere Ladies and Gentlemen dürfen nicht in ein zu enges Korsett gepasst werden. Die Pflicht, Krawatten zu tragen, schreckt junge Menschen heute ab. Wir leben in einer anderen Zeit.“

Wie schaffen Sie ein Umfeld, in dem die Mitarbeiter gern arbeiten und Ihnen lang erhalten bleiben?
Ein ganz großes Thema ist aus meiner Sicht das flexible Arbeiten. Das ist im operativen Bereich natürlich schwieriger als im administrativen Bereich, in dem wir sehr flexibel sind und auch das Homeoffice nach Corona weiter ermöglichen werden. Auf der kulturellen Ebene haben wir unsere starken Ritz-Carlton-Service-Werte, die uns prägen und weiter prägen werden und mit denen Ritz-Carlton ein Vorbild über unsere Branche hinaus geworden ist. Diese Prinzipien möchte ich in einem modernen Stil weiterführen. Natürlich sollen die Mitarbeiter ihre Tattoos oder Piercings zeigen dürfen. Unsere „Ladies and Gentlemen“ dürfen nicht in ein zu enges Korsett gepasst werden. Die Pflicht, Krawatten zu tragen, schreckt junge Menschen heute ab. Wir leben in einer anderen Zeit, wir leben in Berlin.
In dem auf Ritz-Carlton-Gründer Horst Schulze zurückgehenden Satz „We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen“ geht es um Respekt: in Bezug auf den Gast, aber auch in Bezug auf sich selbst. Es geht um das Selbstverständnis.
Genau! Dieser Respekt sollte sich auch im Zulassen der Individualität unserer Mitarbeitenden ausdrücken.
Privat sind Sie Long-Distance-Triathlet. Dieser Sport erfordert ein hohes Zeitinvestment. Was gibt Ihnen der Sport?
Ich habe fünfmal am Iron Man und einmal an der Roth Challenge teilgenommen. Was mich am Triathlon begeistert: Dass ein Mensch auch in einem höheren Alter noch sehr leistungsfähig sein und sich auch mit sechzig oder siebzig Jahren für eine Weltmeisterschaft qualifizieren kann, was sonst in kaum einer anderen Sportart möglich ist. Triathlon ist aus meiner Sicht auch kein Einzelsport. Es gehört ein großes Support-Team dazu. Ohne das geht es nicht. Und der Kopf spielt eine ganz große Rolle. Man muss eine klare Zielsetzung haben, eine Strategie haben, wie man das Rennen gewinnen kann, auch eine Strategie fürs Training.

„Ein Triathlet gibt nicht auf. Und Ausdauer benötigen wir heute ganz besonders.“

Torsten Richter, The Ritz-Carlton Berlin

Beständigkeit und Disziplin sind Eigenschaften, die der Triathlon stärkt. Es geht beim Wettkampf nicht so sehr um die Zeit, sondern eher darum, das Rennen zu beenden, das hat man als Triathlet im Blut. Ein Triathlet gibt nicht auf. Und Ausdauer benötigen wir heute, in dieser pandemischen Zeit, ganz besonders. Die Pandemie ist kein Sprint, sondern eine Langstrecke. Jetzt müssen wir nochmals Energie sammeln, für das was kommt. Meine Aufgabe ist es nun, das Team zu motivieren und aufzubauen.
Mit Ihrer Haltung vermitteln Sie: Wenn man im Leben etwas erreichen möchte, geht es auch.
Wenn du etwas erreichen möchtest, wirst du einen Weg finden. Wenn mir einer sagt: „Aber ich bin nicht so gut im Laufen“, dann verweise ich auf die Menschen mit Einschränkungen, die Triathleten, die mit einem Bein laufen oder mit dem Rollstuhl teilnehmen. Wenn man jemanden sieht, der in einem Rollstuhl das Rennen beendet, dann denkt man „Mensch, der kann das, wieso ich nicht?“ Zumindest geht es mir so. Die meisten Menschen haben die besten Voraussetzungen. Ich selbst werde bescheidener, wenn ich sehe, mit welchen Einschränkungen manche Sportler den Triathlon bewältigen. Das beeindruckt mich sehr. Es zeigt mir: Es geht immer, es kommt auf den Kopf an, der sagt, ob es geht oder nicht. Wenn der Kopf Nein sagt, dann sagt auch der Körper Nein. Wenn der Kopf Ja sagt, dann versucht man es und wird es schaffen.
Wie wird sich die Luxus-Hotellerie verändern? Werden sich Ansprüche der Gäste verändern? Wird sich der Markt verändern?
Ich glaube, dass die Fünfsterne-Hotellerie in Deutschland teurer wird und teurer werden muss. In Berlin hat sich die Durchschnittsrate in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert, womit sie wahrscheinlich die einzige Stadt global ist, die sich preislich nicht vorwärtsbewegt hat. Die Resort-Hotellerie wird boomen, auch in den kommenden Jahren. Die Stadthotellerie wird noch weiter unter der Pandemie leiden, weil Kurzreisen nicht mehr so häufig durchgeführt werden wie früher. Das Fünfsterne-Segment in den Städten, in dem die Raten über 200 Euro liegen, wird sich dabei noch langsamer erholen.
Der Fachkräftemangel ist für die Luxushotellerie eine enorme Herausforderung, weil wir weiterhin unser Serviceversprechen abgeben und natürlich auch halten wollen. Das wird ein Balanceakt werden. Die Gehälter müssen anziehen, die Arbeitszeiten flexibilisiert und Vorteile unserer Branche besser kommuniziert werden. Als ich jung war, waren die unterschiedlichen Arbeitszeiten ein ganz ausschlaggebender Pluspunkt für mich, aber das ist für viele junge Menschen heute anders, und wenn Familie hinzukommt, ohnehin. Aber es gibt die Möglichkeit, in den kaufmännischen Bereich zu gehen, wenn man geregeltere Arbeitszeiten wünscht.
Wir sind eine spannende Branche mit vielfältigen Berufsfeldern und Entwicklungsmöglichkeiten. Wenn Sie Hoteldirektorinnen und -direktoren nach ihrem Werdegang befragen, dann gibt es dort ganz unterschiedliche Wege. Der oder die eine kommt aus dem Verkauf, der oder die nächste aus dem F&B. Viele Wege führen nach Rom und in der Hotellerie nach oben.


Zur Person

Torsten Richter (Bildmitte) ist GM im The Ritz-Carlton Berlin. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, brauche es „frischen Schwung“, betont er im Interview. © Marvin Pelny

Der gebürtige Baden-Badener Torsten Richter (49) war vor seinem Wechsel ins The Ritz-Carlton Berlin für Marriott International als General Manager des The Jaffa, A Luxury Collection Hotel, in Tel Aviv tätig. Zu seinen weiteren Stationen als General Manager zählen unter anderem das SO Sofitel in Bangkok, mehrere Luxusresorts auf den Malediven sowie das Le Meridien Khao Lak in Thailand. Zuvor leitete er in diversen Hotels in Großbritannien, den USA und Indonesien die operativen oder gastronomischen Abteilungen.