Mit Technologie und Kreativität Mögliche Strategien für den Weg aus der Krise

Hotels können ihre Türen wieder öffnen. © Pixabay/ming dai

Nach einem Jahr der Krise erhoffen sich Hotels von der Sommersaison einen Schub hinsichtlich Belegungsraten und Einnahmen. In einem Gastbeitrag geht Frank Schäfer, Managing Director und Leiter der Travel Industry DACH bei Accenture, unter anderem darauf ein, wie Hotels auf das veränderte Verbraucherverhalten reagieren können.
Im letzten Jahr sahen wir einen großen Rückgang der Übernachtungszahlen im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat in Deutschland: Vergleicht man den April 2020 mit demselben Monat 2019 so sind die Zahlen um rund 89 Prozent eingebrochen. Doch wenn die Geschwindigkeit bei der Einführung und Vergabe von Impfstoffen beibehalten wird, stehen die Vorzeichen nicht schlecht, dass der Sommer einen Kurswechsel bringt.
Nichtsdestotrotz haben wir alle im letzten Jahr gelernt, dass in Bezug auf Covid-19 nichts als gesetzt gilt. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der Pandemie noch lange nach der Eindämmung zu spüren sein.

Ein Wendepunkt im Verbraucherverhalten

Eine Untersuchung des Verbraucherverhaltens von Accenture macht das Ausmaß der Pandemie-bedingten Veränderungen deutlich: 95 Prozent der Verbraucher weltweit geben an, dass sie mindestens in einer Hinsicht ihren Lebensstil geändert haben, die sie als dauerhaft einschätzen. Diese Veränderungen beziehen sich dabei beispielsweise auf die Umstellung auf E-Commerce, regionales Einkaufen, Arbeiten im Homeoffice oder Änderung des Reiseverhaltens.
Für Hotels ist eine der größten Veränderungen – und gleichzeitig eine der Hauptherausforderungen - der Einfluss auf Geschäftsreisen. In der Accenture-Umfrage gab fast die Hälfte der Verbraucher (46 Prozent) an, dass sie nach der Pandemie entweder gar nicht mehr zu Arbeitszwecken reisen oder ihre Geschäftsreisen um die Hälfte reduzieren werden. Auch die Arbeitgeber haben inzwischen erkannt, dass ein Großteil ihrer Geschäfte und Meetings genauso gut online funktionieren.
Es besteht kein Zweifel daran, dass der anhaltende Rückgang der Geschäftsreiseeinnahmen die Hotels kurzfristig hart treffen wird. Vor allem vor dem Hintergrund der Wichtigkeit dieser Einnahmequelle in der Vergangenheit. Die Realität ist, dass der Reisemarkt sich mehr und mehr zu einem von Freizeitreisen geprägten Markt entwickelt, der ein strukturell kleinerer Markt ist.
Und die gute Nachricht? Wir haben bereits gesehen, wie die durch die Pandemie erzwungenen Verhaltensänderungen der Menschen eine Innovationswelle bei vielen verbrauchernahen Unternehmen ausgelöst haben, die entsprechend darauf reagiert haben. Dazu zählt, dass sie beispielsweise ihre physischen Räumlichkeiten umgestaltet oder neue innovative Geschäftsmodelle erprobt haben.
So haben beispielsweise Beck’s oder Jägermeister ihre Produktion in kurzer Zeit auf Handdesinfektionsmittel umgestellt. Der Wolfenbütteler Spirituosenhersteller nutzt die eigenen Flächen seit einigen Wochen auch als Covid-19-Testzentrum. Einige Hotels haben ebenfalls auf diese neuen Situationen reagiert und verwandelten ihre Gästezimmer in alternative Räume wie private Pop-up-Restaurants. Es ist genau diese Art von kreativem Pragmatismus, den Hotels jetzt brauchen.

Der Kunde will die "dritten Räume"

Ein interessantes Ergebnis der Accenture-Studie ist, dass die Mehrheit (79 Prozent) der Remote Worker angibt, gelegentlich von einem "dritten Ort" aus arbeiten zu wollen - also an einem anderen Ort als ihrem Zuhause oder üblichen Arbeitsplatz. Noch interessanter ist in diesem Zusammenhang, dass mehr als die Hälfte der Befragten bereit wäre, dafür bis zu 100 US-Dollar pro Monat auszugeben.
Es ist nicht schwer zu verstehen, warum das so ist – vor allem wenn Mitarbeiter keinen eigenen Arbeitsplatz zuhause haben oder häufig durch das bunte Treiben von Familie oder Mitbewohnern unterbrochen werden. Hotels sind in einer idealen Position, um diese Bedürfnisse zu erfüllen, indem sie unbesetzte Zimmer oder andere Räume als temporäre Arbeits- oder Besprechungsorte umfunktionieren. Während der Pandemie gab es dazu schon die ein oder andere Pilotphase, aber mit kreativem Denken könnte sie zu einer dauerhaften Einnahmequelle ausgebaut werden – auch nach Corona und Homeoffice-Pflicht.

Kontaktlos vom Check-in zum Check-out

Hotels müssen sich darauf einstellen, dass kontaktloses Bezahlen an Relevanz gewinnt und mittlerweile als obligatorischer Service wahrgenommen wird. Das sollte aber nicht nur vereinzelt an Kiosken in der Lobby umgesetzt werden, sondern sich ganzheitlich in der Strategie niederschlagen: Vom Check-in bis zum Check-out sollte jede Interaktion kontaktlos möglich sein. Um das zu erreichen, gilt es entscheidende technologische Hürden zu nehmen und beispielsweise Geschäftsprozesse in der Cloud abzubilden.
Das erstreckt sich auch auf das Hotelzimmer selbst: Sprachschnittstellen und Freisprecheinrichtungen für Service, Vorhänge, Licht, Fernseher oder Seifenspender vermeiden unnötigen Kontakt.

Marketing neu auf den Freizeitbereich ausrichten

Für viele Häuser war der Freizeitmarkt bisher zweitrangig. Die Neuausrichtung auf den Markt erfordert ein grundsätzliches Überdenken vieler Aspekte des eigenen Geschäftsmodells. Besonders die Zeitfenster vor der Buchung und nach der Reise gewinnen an Relevanz.
Hotels müssen in der frühen Phase des Inspirationsmarketings viel aktiver werden, indem sie über soziale Medien die anfängliche Reiselust wecken und so potenzielle Gäste für sich einfangen. Globale Hotelmarken und -ketten sollten in ihrer Marketingstrategie regionale Besonderheiten flexibler berücksichtigen. Ihre Fähigkeiten personalisierte Medien und Omnichannel-Inhalte in mehreren Märkten rund um die Uhr bereitzustellen, gilt es auszubauen.

Loyalität neu überdenken

Eine weitere Folge der Verlagerung auf den Freizeitbereich ist die Notwendigkeit, das Treueprogramm zu aktualisieren. Punkte pro Aufenthalt machen für Freizeitreisende einfach nicht mehr so viel Sinn wie für Geschäftsreisende in der Vergangenheit. Nur einige wenige werden pro Jahr genug Hotelaufenthalte ansammeln, um davon tatsächlich zu profitieren. Stattdessen muss das Programm auf Erlebnisse und andere Arten von emotionalen oder vertrauensbasierten Prämien ausgerichtet werden.
Wir sehen bereits einige interessante Ansätze in diesem Bereich. Marriott hat sich zum Beispiel mit Uber zusammengetan, sodass Mitglieder davon profitieren, wenn sie Uber für Fahrten oder Uber Eats nutzen. Dies zeigt, dass Partnerschaften, auch vermeintlich unkonventionelle, ein wichtiger Aspekt von innovativer Kundenbindinug sein können.
Der springende Punkt ist, dass Hotels angesichts der anhaltenden Ungewissheit über die Zukunft pragmatisch, kreativ und agil handeln und ihre Daten besser nutzen müssen, um schnell und innovativ auf die sich schnell ändernden Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu reagieren. Hier schlummert großes Potenzial, um veränderte Kundenbedürfnisse besser verstehen und adressieren zu können.


Gastautor Frank Schäfer ist Managing Director und Leiter der Travel Industry DACH bei Accenture.