Objekttextilien „Mehr Mut zu Muster und Farbe“

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Von links nach rechts: Textildesignerin Patricia Wicky, Innenarchitektin Seline Soder, Architektin Nedi Mehmedi und Innendekorateurin Marianne Brun. © Privat

Textildesignerin Patricia Wicky, Mitgründerin des Architektur- und Designkollektivs Studio Komplett mit Sitz in Zürich, sieht in der Hotellerie noch viel Potenzial für die dekorative Gestaltung. Mit Textilien und kreativen Oberflächen Atmosphäre schaffen – das ist ihr Anliegen. Im Interview gibt die Expertin Tipps und verrät Trends.

Hotel+Technik: Frau Wicky, Sie reisen selbst viel und gern. Wie gekonnt setzen Hotels Textilien ein und welchen Tipp möchten Sie Hoteliers mit auf den Weg geben?

Patricia Wicky: Gerade in meiner Heimat, der Schweiz, tendieren viele Hoteliers leider immer noch sehr stark zur Zurückhaltung. Ich sehe da durchaus noch Luft nach oben. Dabei ist die dekorative Gestaltung gerade in der Hotellerie unglaublich wichtig! Sie gibt ein Gesicht, vermittelt Stimmung.

Es lohnt sich hier wirklich, in ein Konzept mit Tiefgang und eine hochwertige Umsetzung zu investieren. Hotels sind im Idealfall Wohlfühloasen und Erlebniswelten. Gäste tauchen ein, verlassen die Welten aber auch wieder.

Gerade diese temporären Besuche ermöglichen es, Formen, Farben und Materialien einzusetzen, an denen man sich auf Dauer möglicherweise sattsehen würde.

In der zeitlichen Begrenzung wirken sie aber durchaus inspirierend. Dezent oder üppig – alles ist möglich, vieles darf sein. Ich möchte mehr Mut machen zu Muster und Farben! Und ich rate zu einem individuellen, projektbezogenen Design. Dadurch wird ein Hotel einzigartig und bekommt eine persönliche Note.

Was sind die markantesten Textil-Trends in der Hotellerie? Beginnen wir mit den Farben  …

Ich erkenne eine klare Tendenz zu kräftigen, leuch­tenden Farben und einem üppigem Mustermix. Natürliche sanfte Nuancen und Materialien bleiben gleichzeitig hoch im Kurs. Grün in warmen gebrochenen Tönen, aber auch erdige Farben wie Sand oder Terrakotta spielen eine wichtige Rolle.

Wie sieht es bei den Materialien und der Haptik aus?

Nachhaltigkeit und Natürlichkeit sind bei den Materialien ein großes Thema. Außer den eher dezenteren, natürlichen Optiken sieht man aber auch immer wieder opulente Stoffe wie Cord, Samt und schwere Bouclés.

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    © Sorell Hotel St. Peter
    Zusammenspiel: Textilien in Pastelltönen passen ideal zur üppigen Begrünung im Sorell Hotel St. Peter.
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    © Sorell Hotel St. Peter
    Grün gibt den Ton an: Im Sorell Hotel St. Peter in Zürich, das Studio Komplett in Zusammenarbeit mit der ASC Company gestaltet hat, dominieren grüne Farbwelten.
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    © Studio Komplett
    Liebt das Haptische: Außer mit Stoffen arbeitet Patricia Wicky auch mit Materialien wie Holz, Glas, Metall oder Vlies.
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    © Sorell Hotel Seidenhof
    Mutiger Mix: Die floralen Tapeten und der geometrische Teppich im Sorell Hotel St. Peter passen perfekt zusammen.
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    © Studio Komplett
    Feiern ein Comeback: Schon seit Jahren werden wieder vermehrt außergewöhnliche Teppiche eingesetzt.
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    © Sorell Hotel Seidenhof
    Art déco: Das Sorell Hotel Seidenhof in Zürich lässt die Ästhetik des frühen 20. Jahrhunderts aufleben.
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    © Studio Komplett
    Grundstimmung Wald: Moodboard zum Farb- und Materialkonzept der Berglodge Goms.

Was kennzeichnet eine moderne Stilistik?

Bei den Tapeten beispielsweise sind es bildhafte, sehr große Motive, die nicht zwingend einen Rapport haben. Die Motive sehen handgezeichnet aus und haben Struktur.

Was zeichnet zeitgemäße Textilien in puncto Funktionalität und Qualität aus?

Gute, langlebige Qualitäten gewinnen eindeutig an Bedeutung. Dazu gehört der Ansatz, dass Produkte auch wieder repariert werden können und bei kleineren Abnutzungen nicht gleich ganzheitlich ersetzt werden müssen. Alte, schmückende Flicktechniken, wie das Boro oder Sashiko aus Japan, feiern eine Renaissance. Sie wirken sehr ästhetisch und schmückend, werden Teil des Designs, setzen aber gleichzeitig eine gute Ausgangsqualität beim Stoff voraus. Ich hoffe sehr, dass dem (Kunst-)Handwerk und den Spezialisten wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

>> Lesetipp: Sechs Einrichtungsexperten über Hotelinterior-Trends

Welche Trends gibt es bei Vorhängen, Kissen und Teppichen?

Teppiche sind seit ein paar Jahren zurück. Vor allem der Handtuft, der unendlich viele und individuelle Möglichkeiten eröffnet, ist wieder stark im Kommen. Künstler und Designer haben die Technik für sich entdeckt und gestalten zum Beispiel Wandbilder damit. Quasi eine moderne Version früherer Wandbehänge wie der Gobelin oder die Makramee-Hänger in den 60er-/70er-Jahren. Studio Komplett hat im vergangenen Jahr für die Lantal Textiles AG die Teppichkollektion „Overlay“ in Handtuft-Technik entwickelt.

Die Teppiche erinnern mit ihren starken Farben und faszinierenden Überlagerungen an Kunstdrucke und fallen sofort ins Auge. Darüber hinaus empfinde ich Kissen immer als dankbar, weil sie so vielseitig und leicht auswechselbar sind – quasi der Modeschmuck im Interior-Bereich. Mit ihnen lassen sich immer wieder frische Impulse in die Gestaltung bringen und Räume mit kleinen Mitteln aufhübschen.

"Kissen sind der Modeschmuck im Interior-Bereich."

Patricia Wicky, Studio Komplett

Ornament- und Textildesign gehört zum Leistungsspektrum des Studio Komplett. Was beinhaltet Ihre Arbeit genau?

Wir sind vier Frauen, jede ist Profi in ihrem Bereich – Architektur, Innenarchitektur, Innendekoration und Design. Wir arbeiten selbstständig und ganzheitlich als Team. Meine Arbeit im Bereich Textil-, Ornament- und Oberflächengestaltung beinhaltet Wandgestaltungen, Print- oder Stickereientwürfe für Vorhänge, Kissen und Polster, Teppichentwürfe sowie ornamentale Gestaltungen für Sichtschutz und Raumtrenner. Außer mit Stoffen arbeite ich auch mit Materialien wie Holz, Glas, Metall oder Vlies. Bei der Gestaltung wird immer das Gesamtkonzept des Raums berücksichtigt.

Nennen Sie uns aktuelle Referenzprojekte aus der Hotellerie, an denen deutlich wird, was ein individuelles Gestaltungskonzept ausmacht?

Für die Berglodge Goms – ein Sport- und Wellnesshotel – durften wir ein Farb- und Materialkonzept für den Innenausbau entwickeln. Die Konzeptidee basiert auf dem umgebenden Wald und seiner Wandlung. Durch Farben, Textilien und Möbel werden das natürliche Farbspektrum und die unterschiedlichen Strukturen des Waldes in die Räume transportiert.

Im Auftrag der Andrin Schweizer Company, für die ich als freischaffende Designerin tätig bin, habe ich 2022 am Interior Design des Sorell Hotels Seidenhof, Zürich, mitgewirkt. Es hat die Geschichte des Ortes zum Thema und repräsentiert die Ästhetik des frühen 20. Jahrhunderts. Inspirationsquelle war die Fassade, die man stilistisch zwischen Jugendstil und Art déco verorten kann. Die Mischung aus Naturbegeisterung und Opulenz spiegelt sich bei den Tapetenmotiven in den Zimmern, bei der Grafik der Teppiche, den Formen der Möbel und beim Einsatz von Wiener Geflecht wider.

Auch beim Andrin-Schweizer-Projekt Sorell Hotel St. Peter in Zürich war ich beteiligt. Hier haben wir den begrünten Innenhof zum zentralen Thema des Hauses gemacht, der sich wie ein grüner Faden von der wohnlichen Lobby und dem Frühstücks- und Bistrobereich über die Flure bis hinein in jedes Zimmer zieht. Schon kurz nach der Eröffnung wurde das Haus von der Hotellerie Suisse als Design-Hotel klassifiziert.