Markus Raupach im Interview Ein Plädoyer für Bier als Speisebegleitung

Markus Raupach
Markus Raupach ist einer der führenden Bier­experten Deutschlands. Er hat über 45 Bücher zum Thema veröffentlicht und ist als Juror bei internationalen Bierwettbewerben tätig. © Markus Raupach

Bier als hochwertiges Getränk wird in der Gastronomie und Hotellerie oft noch unterschätzt. Im Interview spricht Biersommelier Markus Raupach über die Gründe des Schattendaseins von Bier in Küche und Bar. Er erklärt, welches ­Potenzial Bier als Speisebegleitung hat und welchen Mehrwert der kluge Einsatz des Getränks Gastronomen und Hoteliers bieten kann.

Tophotel: Herr Raupach, kann Bier ein adäquater Ersatz für Wein sein?

Markus Raupach: Absolut! Sensorisch gesehen ist es sogar vielfältiger, weil es mit einer größeren Anzahl an Rohstoffen hergestellt wird. Wobei ich persönlich hier keinen Gegensatz sehe, beide Getränke haben ihre Berechtigung.

Sie arbeiten seit Jahren daran, Bier auch in der gehobenen Gastronomie und Hotellerie wertig einzusetzen. Warum hat es Bier dort nach wie vor oft noch schwer?

Viele Wirte sehen Bier leider immer noch als notwendiges Übel. Man muss eben ein Bier auf der Karte haben. Doch wirklicher Genuss fängt für viele Gastronomen anscheinend erst beim Wein an, auch wenn die Weinkarten oft ähnlich lieblos daherkommen wie die Bierkarten. Am Ende des Tages will ein Gastronom Geld verdienen – und da bietet Bier einfach eine zu geringe Gewinnspanne, um hier wirklich in den Fokus zu rücken. Außerdem hat der Wein dank langjähriger guter Imagearbeit einen besseren Ruf: Man gönnt sich einen edlen Tropfen.

Sie beraten unter anderem Gastronomen und Hoteliers zum Einsatz von Bier. Wie gehen Sie bei der Beratung vor?

Ich setze an mehreren Punkten an. Erst einmal geht es um das Grundverständnis, dass ein guter Umgang mit dem Thema Bier ein echter Gewinn für den ganzen Betrieb sein kann. Bier ist bodenständig, es kann viele Geschichten erzählen, man kann mit wenigen Sorten gute Kombinationen für alle Gerichte auf der Speisekarte anbieten und ist sogar in den gerade aktuellen Themen Gesundheit – Stichwort alkoholfrei – und Nachhaltigkeit gut aufgestellt.

All diese Punkte kann ich in der Speisekarte, aber eben auch in der sonstigen Kommunikation des Hauses, zum Beispiel auf der Internetseite oder in den Sozialen Medien, hervorragend spielen und mein Image verbessern. Außerdem lässt sich mit Bier auch Geld verdienen, wenn man es richtig macht. Dazu gehört eine gute und clevere Auswahl der Biere und Biersorten genauso wie die richtige Präsentation und der verantwortungsvolle Umgang mit der Schankanlage.

Kann Bier in jedem Restaurant und jedem Hotel als hochwertiges Getränk platziert werden?

Grundsätzlich ja, allerdings nicht überall gleich. In der gehobenen Gastronomie lassen sich Biere einsetzen, die es locker mit jedem Spitzenwein oder Champagner aufnehmen können – das gibt dann auch spannende Aha-Effekte für die Kunden. Im normalen Gasthof rate ich zum Beispiel zur Einführung einer Bierprobe. Wenn man also zum Beispiel drei Sorten am Hahn hat und normalerweise 3,90 Euro für ein 0,3-Liter-Bier verlangt, dann gibt es jetzt eben noch die Bierprobe mit drei Mal 0,1 Liter für 4,90 Euro. Mit dem Euro mehr ist der Mehraufwand bezahlt – und die Kunden bestellen in der Regel immer mindestens noch ein weiteres Bier, nämlich ihr Lieblingsbier aus dem Trio. Und schon habe ich den Bierumsatz verdoppelt und dem Kellner einen weiteren Grundstein für ein gutes Trinkgeld gegeben. Er kann so nämlich eine intensivere Bindung zum Gast aufbauen, ein paar Worte zu den drei Bieren sagen und passende Gerichte empfehlen.

Welche Möglichkeiten bietet die Biervielfalt der Gastronomie?

Die Frage ist eher: Welche Möglichkeit bietet sich nicht? Schließlich kann ich mit Bier eine Vielzahl von Ideen abdecken: Ich denke hier beispielsweise an Aktionen mit regionalen Bieren oder eben welchen aus bestimmten Ländern zu bestimmten Anlässen, an Food Pairings mit den jeweiligen saisonalen Gerichten, an das Kochen mit Bier, an Biermenüs, an Biercocktails und so weiter.

Wie sieht es mit der Hotellerie aus?

Auch im Hotel bietet Bier viele Möglichkeiten. Angefangen bei der Flasche hausgebrautem oder lokalem Bier auf dem Zimmer über Hopfenseife und Malzkräcker bis zur passenden Benennung der Räume, einem Bier-Bad im Wellnessbereich und einem Hopfenaufguss in der Sauna. Grundsätzlich gilt, dass durch die Craft-Bier-Bewegung und die allgemeine Rückbesinnung auf regionalen Genuss das Thema Bier in der Bevölkerung einen neuen Stellenwert bekommen hat. Die Menschen sind bereit, mehr für ein Bier auszugeben und wissen, dass es viele Unterschiede und hochwertige Produkte gibt.

Warum bietet Bier großes Potenzial als Speisebegleitung?

Bier ist aromatisch sehr vielfältig und durch die Kohlensäure in der Lage, sowohl Aromen zu verstärken als auch den Gaumen wieder „frisch“ zu machen, wenn der nächste Gang kommt. Ein Menü kann mit einem Biercocktail beginnen und mit einem Digestif-Bier enden. Das bietet tolle Möglichkeiten, höhere Wertigkeit herzustellen und damit am Ende auch mehr zu verdienen.

Bietet Bier hier also Vorteile gegenüber Wein?

Bier hat zwei Vorteile: Einmal die größere aromatische Vielfalt. Aus dem Malz kommen beispielsweise Rauch- und Röstaromen, Karamell, Kaffee und Kakao, aus dem Hopfen viele Fruchtnoten, florale Aromen sowie harzige und bittere Noten. Die Hefe wiederum kann sowohl fruchtige als auch saure Aromen ins Bier bringen. Es gibt also nahezu kein Aroma, das Bier nicht darstellen kann.

Der zweite Vorteil ist die enthaltene Kohlensäure, die gerade bei fettigen Speisen den Mund immer wieder freispült und damit neue, vollwertige Geschmackserlebnisse überhaupt erst zulässt. Im Zusammenspiel mit intensiven Gewürzen oder auch Schärfe sind das echte Hochgenüsse, probieren Sie einfach mal ein typisch asiatisches Gericht mit einem Weißwein und einem American Pale Ale oder einem Export.

Wie sollte Bier als Speisebegleitung eingesetzt werden?

Hier gibt es zwei Wege. Der einfachere basiert auf klassischen Food-Pairing-Regeln und Erfahrungswerten. Wenn ich beispielsweise einen Hirschbraten auf dem Teller habe, dann weiß ich, dass ich sicher ein malzbetontes, etwas alkoholstärkeres Bier dazu anbieten kann, weil sich dort auch Röstaromen finden und der Alkohol den Geschmack verstärken wird. Man landet also bei einem dunklen Bockbier oder einem belgischen Dubbel. Natürlich kann man das noch etwas weiterspinnen und sehen, was noch auf dem Teller liegt. Da finden wir einen Kloß, Rotkraut und eine gebundene braune Sauce, vielleicht noch etwas Preiselbeermarmelade.

Das sind natürlich auch alles Aromen, mit denen ich als Biersommelier wieder spielen und dann beispielsweise auch einen britischen Barleywine dazu servieren kann, der über den Hopfen beim Rotkraut andockt und über seine fruchtigen Hefenoten mit den Preiselbeeren spielt.

Und was ist die andere Methode?

Der zweite Weg ist die wissenschaftliche Methode. Hier hat vor allem Thomas Vilgis entscheidende Forschungen dazu vorgenommen. Mit seiner Methode ist es möglich, die Grundaromen und ihre Intensität in Bier und Speisen herauszuarbeiten und dann gezielt zu schauen, wo es sinnvolle Verstärkungen und Ergänzungen gibt. Dabei kommen manchmal am Ende sehr exotische Kombinationen heraus, die das persönliche Geschmackserlebnis auf ein neues Level anheben.

Haben Sie ein persönliches Lieblings-Food-­Pairing-Menü?

Ich habe schon viele tolle Kombinationen erarbeiten und verkosten dürfen. Ein Dauerbrenner ist für mich die Kombination von Bier mit Süßem. So gibt es zum Beispiel von der Bamberger Brauerei Schlenkerla einen Doppelbock aus über Eiche getrocknetem Gerstenmalz: die Schlenkerla Eiche. Dazu passt hervorragend eine Kreation der Erfurter
Goldhelm-Manufaktur, die Bratapfelschokolade.

Interview: Thomas Bassen