Lockdown und Impfpflicht Österreich zieht die Notbremse

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Österreich geht ab Montag erneut in einen Lockdown. © Axel Bueckert - stock.adobe.com

Von heute an geht Österreich in einen weiteren Lockdown. Mit fixem Enddatum - aber nur für die Geimpften und Genesenen. Zudem soll im Februar eine Impfpflicht eingeführt werden.

Österreich zieht angesichts der massiven vierten Corona-Welle die Notbremse. Das Land werde ab dem heutigen Montag erneut in einen Lockdown gehen, der für Geimpfte und Genesene definitiv spätestens am 13. Dezember enden werde, kündigte Kanzler Alexander Schallenberg an. Für Ungeimpfte werde der Lockdown aber weitergehen.
Kanzler Alexander Schallenberg (ÖV) nannte am Freitagabend keine Frist für die Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen für diese Gruppe. "Wir haben da kein Enddatum", sagte Schallenberg in der ORF-Nachrichtensendung "ZiB2" auf eine entsprechende Frage. Es müsse jetzt endlich gelingen, die Impfquote so weit nach oben zu treiben, dass die Pandemie eingedämmt und künftig kein Lockdown mehr nötig sein werde, sagte der Regierungschef. Er forderte die Ungeimpften auf, von dem Impfangebot nun Gebrauch zu machen.
Als erstes Land in der EU will Österreich obendrein eine Corona-Impfpflicht ab Februar 2022 einführen. "Wir wollen keine fünfte Welle, wir wollen keine sechste und siebte Welle", erklärte Schallenberg. Die Details der von der Regierung beschlossenen Impfpflicht würden nun von den Experten ausgearbeitet. Welche Ausnahmen es gebe und wie hoch die Strafen bei Verstößen sein sollen, das werde nun erst festgelegt, sagte der Regierungschef.
Unterdessen hat Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen angesichts der Debatten über den neuen Lockdown vor einem Riss in der Gesellschaft gewarnt. "Lassen wir uns nicht auseinander dividieren", sagte Van der Bellen in einer Fernsehansprache am Freitagabend. Die Reaktionen sollten nicht von Wut, Schmerz und Ärger beherrscht sein, sondern von der Einsicht, dass nur Ausgangsbeschränkungen die massive vierte Corona-Welle brechen könnten. Das Staatsoberhaupt verteidigte ausdrücklich auch die von der Regierung angekündigte Impfpflicht. Die Bürger hätten Rechte, aber auch Pflichten. Dazu gehöre die Pflicht, die Gemeinschaft zu schützen, sagte Van der Bellen.

Was gilt ab Montag?

Ab Montag gelten die aus vorangegangenen Ausgangsbeschränkungen bekannten Regeln. Das Zuhause darf nur aus zwingenden Gründen verlassen werden. Dazu zählen der Weg zur Arbeit, Einkäufe für den täglichen Bedarf, der Gang zur Apotheke oder zum Arzt, sowie der Aufenthalt im Freien zur Erholung. Als Konsequenz findet der Spitzensport nur noch vor leeren Rängen statt, in der Fußball-Bundesliga kehren die Geisterspiele zurück. Eine FFP2-Maskenpflicht gilt in allen Innenräumen.
Die Ausgangsbeschränkungen seien ein schwerer Schritt. "Das schmerzt enorm", sagte der Kanzler. Ohne sie beim Namen zu nennen, kritisierte er die in Österreich einflussreiche rechte FPÖ heftig. Deren Impfkritik sei ein "Attentat auf unser Gesundheitssystem", meinte der Kanzler. Die FPÖ, die in Umfragen auf rund 20 Prozent kommt, erhob ihrerseits schwere Vorwürfe. Österreich sei nun auf dem Weg in eine "Diktatur", so der selbst an Corona erkrankte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er rief die Menschen zu Demonstrationen am Samstag in Wien auf. Es werden mehrere Tausend Teilnehmer erwartet. Laut Polizei werden 1.300 Beamte im Einsatz sein, um unter anderem die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken zu überwachen.
Der Lockdown beeinträchtige das Weihnachtsgeschäft extrem, so der Geschäftsführer des Handelsverbands, Rainer Will. Ein Teil der Geschäfte sei existenziell gefährdet. "Die Branche muss Umsatzverluste von rund 2,7 Milliarden Euro verkraften." Finanzminister Gernot Blümel stellte für besonders betroffene Branchen wie Handel und Tourismus weitere Wirtschaftshilfen in Aussicht.

Kritik an der Regierung

Die österreichischen Medien gehen mit der Regierung hart ins Gericht. Die Zeitung «"Die Presse" spricht von einem Staatsversagen und "unerträglicher Fahrlässigkeit", weil die Regierung es versäumt habe, rechtzeitig zu handeln.
Zumindest eine gewisse Nachdenklichkeit ist diesmal bei der Pressekonferenz von Schallenberg und anderen Spitzenpolitikern zu spüren. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) entschuldigte sich für den koalitionsinternen Streit über härtere Corona-Maßnahmen. "Leider sind auch wir als Bundesregierung an mancher Stelle hinter unserem Anspruch zurückgeblieben." Ein Grund für die mangelnde Vorsicht von Teilen der Bevölkerung könnte auch die Ansage von Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Sommer gewesen sein, dass die Pandemie für die Geimpften vorbei sei. Die ÖVP hatte sogar plakatiert: "Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft."
Mediziner zeigten sich erleichtert über den Lockdown. Die täglichen Rekordwerte bei den Infektionszahlen würden sich erst verzögert in den Normal- und Intensivstationen widerspiegeln. "Es ist wirklich höchste Zeit für eine Vollbremsung", so die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin.

Bisherige Maßnahmen

Zu den bisherigen Maßnahmen zählte eine 3G-Regel am Arbeitsplatz. Die Beschäftigten müssen nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Am 8. November folgte die 2G-Regel für Veranstaltungen, Gastronomie und Tourismus, die Ungeimpften den Zutritt zu weiten Bereichen in der Freizeit verwehrte. Am Montag traten noch schärfere Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte in Kraft.

Schwerer Schlag für den Tourismus

Für den Tourismus ist die Entwicklung unmittelbar vor dem geplanten Start der Wintersaison erneut ein schwerer Rückschlag. Sie bedeute über den Umsatzverlust hinaus einen erheblichen Imageschaden, sagte Susanne Kraus-Winkler vom Fachverband Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Die Gäste seien nicht nur wegen der schönen Landschaft gekommen, sondern auch wegen des Gefühls der Sicherheit. "Sicherheit ist die neue Währung im Tourismus". Der Lockdown selbst sei alternativlos. "Wir müssen das jetzt mittragen", sagte Kraus-Winkler. Die Branche setze auf ein Durchstarten in der zweiten Saisonhälfte ab Mitte Januar. "Wir hoffen, dass noch was zu retten ist", meinte die Expertin. dpa


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