Annette Hopfensperger leitet seit Januar 2020 die Accor Academy Central Europe. Ihre neue Stelle trat die gebürtige Germersheimerin im zeitlichen Rahmen des Covid-19-Lockdowns an. Eine erste Bilanz eines außergewöhnlichen Starts in außergewöhnlichen Zeiten.
Die ersten 100 Tage in einem neuen Job sind immer von besonderer Anspannung gekennzeichnet. Es gilt, zügig einen Überblick zu gewinnen, die neuen Kollegen kennenzulernen, Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereiche zu verstehen. Bei alledem sind auch bereits die ersten Weichen für die eigenen Vorhaben zu stellen.
Aber wie fühlt es sich an, wenn der eben noch erfolgsverwöhnte neue Arbeitgeber plötzlich vor einer nie da gewesenen wirtschaftlichen Situation steht, Homeoffice angesagt und Ungewissheit die einzige Konstante im Ausnahmezustand ist? Annette Hopfensperger hat genau dies erlebt. Im Januar 2020 trat die Expertin für Personalentwicklung ihre neue Stelle als Leiterin der Accor Academy für die DACH-Region an. Nur wenige Wochen später beendete der weltweite Lockdown das normale Geschäftsleben. Die Folgen trafen Accor schwer.
Im ersten Quartal 2020 ging der Umsatz der international agierenden Unternehmensgruppe bereits um 15,8 Prozent zurück. Zwischenzeitlich waren zwei Drittel der in Deutschland ansässigen Hotels komplett geschlossen. Mittlerweile sind wieder über 85 Prozent des Portfolios in der DACH-Region geöffnet.
"Die Situation war skurril. Ein Neuanfang ist ja immer mit Unsicherheit und Einfinden verbunden. Nur dass es so extreme Umstände sind, konnte keiner ahnen", beschreibt Annette Hopfensperger die vergangenen Monate. Dabei kam ihr aber der Umstand zugute, dass sie mit Accor vereinbart hatte, von Wien aus, wo sie seit acht Jahren lebt, remote zu arbeiten. "Daher ist es keine so riesige Umstellung gewesen. Wir haben unsere Team-Meetings schon vorher per Internet geführt. Nur dass ich einmal im Monat nach München komme, wo das Team arbeitet, das geht aktuell nicht." Sie sieht aber auch das Gute an der Krise: "Es gibt zwei positive Dinge, die ich erlebt habe. Die aufgezwungene Pause hat mir die Möglichkeit gegeben aufzuarbeiten. Was ist in den letzten Jahren in der Akademie passiert, was gibt es für Schulungen? Ich habe nicht nur Zusammenfassungen gelesen, sondern ich konnte den Fragen selbst nachgehen. Die Zeit hätte ich sonst nicht gehabt." Eingenommen hat sie zudem die Art und Weise, wie bei Accor mit der Krise umgegangen wurde und die Mitarbeiter aufgefangen wurden.
"Die letzte Zeit hat mich wieder darin bestätigt, dass die Gemeinschaft in der Hotellerie füreinander da ist, wenn es darauf ankommt."
Annette Hopfensperger
300.000 Menschen arbeiten für das globale Unternehmen, dessen Hauptsitz im französischen Issy-les-Moulineaux südwestlich von Paris ist: Sie verteilen sich auf 39 Hotelmarken und zwölf New Businesses. Für deren Schulung, Qualifizierung und Trainings sind weltweit 18 Accor-Akademien verantwortlich, davon befinden sich fünf in Europa. Die Accor Academy für die DACH-Region hat insgesamt dreieinhalb Mitarbeiter. Ihr Angebot richtet sich sowohl an die Accor-Zentralen als auch an die Hotels. Ihre Leitung verantwortet nun Annette Hopfensperger.
Schon zuvor war die gebürtige Germersheimerin in vergleichbaren Positionen tätig. Und sie bringt Praxiserfahrung aus der Hotelebene mit. Eine wichtige Voraussetzung für die neue Aufgabe, denn die Accor-Akademien werden betriebswirtschaftlich eigenständig geführt, das Angebot muss zu hundert Prozent passen. "Das unterscheidet uns von vielen Anbietern: Wir als Akademie sind unsere eigene Revenue-Abteilung, das heißt, wir verkaufen unser Produkt. Wir gucken daher genau, was unsere Kunden brauchen."
Accor Academy: Weltweit 250 Trainingsmodule
Insgesamt werden weltweit 250 Trainingsmodule angeboten. Der Inhalt ist breit gefächert. Es beginnt bei gesetzlich vorgegebenen Schulungen, wie die zum Arbeitsschutz, und fachbezogenen, wie das Revenue-Management. Zu ihren Aufgaben gehören auch die Leadership-Entwicklung sowie die Umsetzung von Accor-Programmen wie beispielsweise "Heartist", das der Weitergabe der Firmenkultur dient und den internen Change-Prozess zur Neupositionierung als Unternehmen im Bereich Augmented Hospitality unterstützt. Die Akademie nutzt viele Formen des modernen Lernens – online und offline. Ausgangspunkt sind stets die Bedürfnisse der Mitarbeiter. Es gibt Online-Angebote, die zeitlich und räumlich unabhängig wahrgenommen werden, aber auch Gruppenschulungen und kollektive Trainings, bei denen der Trainer lediglich die Aufgabe des Impulsgebers übernimmt, die Teilnehmer sich anschließend aber selbst organisieren.
Als unverzichtbar betrachtet Annette Hopfensperger allerdings den persönlichen Faktor: "Es gibt Themen, die wir ohne Weiteres auch in Zukunft online machen, da reicht ein Webinar oder ein anderes Online-Tool aus. Aber es gibt Themen, da ist das persönliche Zusammensein wichtig. Online kann nicht immer Face-to-Face ersetzen: Das ist besonders beim Führungskräfte-Training der Fall, aber immer, wenn es um Persönlichkeit geht. Das gilt auch für Trainings, bei denen Rollenspiele wirkungsvoll eingesetzt werden. So kann ich mir noch nicht vorstellen, wie ein Beschwerdehandhabungs-Seminar komplett online stattfinden könnte, da hierbei Rollenspiele einen direkten Lernerfolg – häufig mit Aha-Erlebnissen – ermöglichen. Man kommt einfach viel schneller in andere Tiefen, wenn man beisammen ist – im Einzelcoaching oder in einer kleinen Gruppe. Darauf werde ich nicht verzichten wollen."
Akademie-Angebot künftig auch für Partner und Dritte
Annette Hopfenspergers Aufgabe besteht aber nicht nur darin, neue Lernformen und Inhalte zu initiieren, sondern die Akademie auch fit für die Zukunft zu machen. "Die Idee war von Anfang an, die Akademie flexibler und maßgeschneiderter auszurichten, sodass sie nicht nur mit dem Unternehmen Schritt hält. Accor ist ein innovatives Unternehmen, das immer wieder sehr spannende Initiativen herausbringt. Die Akademie soll damit nicht nur Schritt halten, sondern neue Wege öffnen, damit sie bei den Innovationen immer vorn mit dabei ist."
Außerdem plant Annette Hopfensperger, das Angebot der Akademie für direkte Partner und Dritte zu öffnen. Denn das Know-how dafür sei bereits vorhanden. "Wir schulen bei Accor für eine Vielzahl von Marken. Es gibt immer spezifische Inhalte, aber es gibt auch Schulungen, die sind für jeden Branchenteilnehmer gleich, zum Beispiel bei der Datenschutzverordnung. Da vergibt man sich also nichts." Aber sie denkt auch einen Schritt weiter – dass die Akademie Angebote für Externe entwickeln könnte: "Ich kann mir auch einen Einzelunternehmer mit einem Hotel vorstellen, der eine Teambuilding-Schulung oder Impulse zu einem Thema braucht und uns anfragt." Für diese Aufgabe sei die Akademie prädestiniert.
Ein aktuelles Ziel ist durch die Krise akut dazugekommen: die Hotels bei der Öffnung zu unterstützen die Hotels bei der Öffnung zu unterstützen und die Mitarbeiter auf die neuen Erwartungen der Gäste und die Veränderungen im Arbeitsalltag vorzubereiten. Auf viele Fragen müssen Antworten formuliert und den Mitarbeitern an die Hand gegeben werden – "Wie bleiben wir herzlich und nah am Gast, aber auf Abstand? Wie gehe ich mit Unsicherheiten und Emotionen um, und zwar von Mitarbeitern und Gästen?" Das sind Themen, die in der strategischen Planung der Akademie kurzfristig Priorität erlangt haben. Gemeinsam mit Bureau Veritas hat Accor die Grundlagen für das Hygiene-Label "Allsafe" entwickelt, das strengste Hygienestandards und Präventionsmaßnahmen umfasst. Die Umsetzung der Kriterien im Hotel werden von unabhängigen Dritten geprüft, in der DACH-Region ist dies SGS Fresenius. Die Akademie übernimmt die Aufgabe, dafür die E-Learnings zur Verfügung zu stellen.
Annette Hopfensperger freut sich auf die Herausforderungen. Fragt man sie, was sie an ihrer neuen Aufgabe reizt, sagt sie spontan, dass es die Bandbreite an Unternehmungen sei, die Accor vereint – das gelte für die Hotels, aber auch für New Businesses: "Das finde ich total spannend: Welche Gemeinsamkeiten haben sie, und wo muss individualisiert werden? Welche Persönlichkeiten arbeiten in den Häusern und Zentralen? Wie funktionieren die Geschäftsmodelle, und wie können sie unterstützt werden?"
Bei der Breite der Mitarbeiterschaft hilft ihr sicherlich auch ihr ungewöhnlicher Erfahrungsschatz. Als sie zum Beispiel als junge Abteilungsleiterin in Ägypten für die Personalarbeit eines ansonsten rein männlichen Teams verantwortlich war. Was nimmt man da mit? "Man wird geduldig und beginnt, sich zu reflektieren. Das war für mich eine steile Lernkurve. Ich habe gelernt, andere Personen einzuschätzen, abzuholen und mir damit Respekt zu erarbeiten. Auf Augenhöhe zu kommunizieren und Erwartungshaltungen auf beiden Seiten zu formulieren, das hat mir geholfen."
Accor: Agiler Gigant mit weltweit rund 300.000 Mitarbeitern

Der französische Hotelgigant ist mit 39 Hotel-Marken und über 5.000 Hotels sowie zwölf New Businesses in 110 Ländern aktiv. Allein in Deutschland ist Accor mit über 360 Hotels der Marken Fairmont, SO/, Sofitel, MGallery, Pullman, 25hours, Mövenpick, Novotel, Mercure, Adagio, Ibis, Ibis Styles und Ibis Budget vertreten. Weltweit arbeiten für den Markengeber rund 300.000 Mitarbeiter. Diese werden in 18 Accor-Akademien geschult und qualifiziert. Die Accor Academy Central Europe hat ihren Sitz in München.
Die Gruppe zeichnet sich immer wieder durch innovative strategische Programme aus. Bei der Umsetzung sind die Akademien zentrale Partner. 2019 rief CEO Sébastien Bazin das Motto "Augmented Hospitality" aus, darunter ein aufwendiges Lifestyle-Loyalty-Programm. Mit der Initiative "Women At Accor-Hotels Generation" ist es Accor innerhalb von acht Jahren gelungen, in Deutschland 50 Prozent weibliche Führungskräfte zu haben. "Planet 21" wurde 2017 mit dem Ziel der Ressourcenschonung sowie Respekt für die Umwelt und die Gemeinschaft gegründet. Die Initiative "RiiSE" setzt sich für die Diversität der Mitarbeiter ein. Anlässlich der Corona-Pandemie erarbeitet Accor gerade ein Hygiene-Label für Hotels. Dieses soll von der gesamten Branche genutzt werden können.