Digitalisierung, innovative Küchentechnik, Mitarbeiterbindung: Berater und Planer des FCSI-Verbands (Foodservice Consultant Society International) zeigen eine wegweisende Entwicklung auf, wie Hotellerie und Großverpflegung in der Küche den perfekten Arbeitsplatz schaffen.
Es sind hohe Investitionen, die in einer Großküche stecken. Ob es um den Umbau und die Optimierung einer vorhandenen Betriebsgastronomie oder die komplette Neuplanung eines Verpflegungskonzeptes geht – gut beraten ist, wer von Anfang an die Weichen richtig stellt und sich der Unterstützung eines professionellen und unabhängigen Fachplaners bedient. „Gute Planung verhindert schlechte Performance, willkommen beim Tanzkurs für Architekten und Ingenieure!“, wirft Thomas Mertens, Vorstandsmitglied FCSI (Foodservice Consultant Society International), provokant in den Raum. Die Vernetzung der Großküchen über Unternehmensgrenzen hinweg überwindet und reduziert die analoge belastende Komplexität. Optimierung, ausschöpfen von Synergien und Effizienzsteigerungen sind im Idealfall das Ergebnis. Doch bis dahin ist es aus Sicht von Mertens noch ein langer Weg: „Um all dies zu verwirklichen, werden jedoch mehrere Schlüsseltechnologien vom ersten Schritt der Planungsprozesse mit der Formulierung aus den Nutzungsanforderungen benötigt.“
Mertens und seine FCSI-Beraterund Planerkollegen sind Spezialisten für Groß- und Gewerbeküchen. Durch die Mitgliedschaft im internationalen Verband sind die Experten verpflichtet, ohne Bindung an bestimmte Hersteller zu agieren und kontinuierliche ihre Weiterbildung nachzuweisen. Die Redaktion von PROFIKÜCHE hat Planer aus dem FCSI befragt, welche wichtigen Entwicklungen heute in der Großküche stattfinden und welche Trends sich für die Zukunft abzeichnen.
Top 1: Küche 4.0
Die Digitalisierung ist die treibende Kraft unserer Tage für enorme Umwälzungen in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Davon bleibt auch die gastgebende Branche nicht verschont, ob vor oder hinter den Kulissen, von einem veränderten Gastverhalten bis zu neuen Technologien, die in der gewerblichen Küche eingesetzt werden. Deshalb sind sich die Experten einig: Die Digitalisierung der Küche ist nicht mehr aufzuhalten. Die wirkliche Innovation findet aber nicht mit neuen Geräten statt, die immer mehr können, sondern in der zukünftigen Vernetzung vieler intelligenter Geräte. Diese Vernetzung wird den Köchen das Arbeiten in der Großküche der Zukunft sehr erleichtern, erfordert jedoch auch ein Umdenken, das schon während der Ausbildung stattfinden muss. Hier liegt eine große Chance, denn gerade für junge Leute ist der Umgang mit Apps & Co. selbstverständlich.
Top 2: Effizienz statt Fläche
Die Welt der Großküchen hat sich in den letzten Jahrzehnten entscheidend verändert. Zu Zeiten von Escoffier kam die Grundfläche Ballsälen gleich. Heute geht die Entwicklung zu kleinen, kompakten und multifunktionalen Küchen. Ruven Eichert, Fachplaner und FCSI-Mitglied: „Aufgrund des enormen Kostendrucks, dem alle unterworfen sind, werden die zur Verfügung stehenden Flächen für die gastronomischen Einheiten immer kleiner.“ Das bedingt, dass im Rahmen der Planung durch den Einsatz von multifunktionalen Produktionsgeräten und Prozessen die Abläufe optimiert werden, um so den geringeren Flächen gerecht zu werden. Dazu zählt aus Sicht des Planungsexperten auch, dass ein Teil der Produktion in die Front verlegt wird und der Anteil des Frontcooking noch einen höheren Stellenwert bekommt als bisher. Eine Kombination mit thematischen Inseln bietet sich an, wie z.B. Wokoder Pasta-Station. Mit dieser „Frischeküche“ kann auch leichter auf ernährungsbedingte Wünsche oder die steigende Zahl von Allergikern eingegangen werden.
Top 3: Multifunktionale Technik
Die führenden Hersteller der Zulieferindustrie haben in den letzten zehn Jahren einen großen Sprung nach vorne gemacht. Was einmal als Heiß- luftdämpfer begann, kommt heute als Selfcooking Center XS oder XL daher. Wichtigste Innovation der letzten Jahre aus dem Kreis der FCSI-Fördermitglieder sind multifunktionale Geräte wie das VarioCooking Center (Frima) oder der Flexi-Chef (MKN). Im Backbereich können durch den sinnvollen Einsatz von Druckgartechnik die Produktionszeiten optimiert und reduziert werden. Ruven Eichert sieht hier Einsparpotenzial in der Anschaffung durch den mehrfachen Einsatz dieser Geräte an einem Produktionstag. Sein Tipp: „Werden dabei noch die Vorteile der Cook-and- Chill Produktion mit eingebunden, kann auch in Betriebsrestaurants mit einer kleiner Backstation eine qualitative, hochwertige und abwechslungsreiche Versorgung der Mitarbeiter realisiert werden.“
Top 4: Modernes Management
Erfolg ist kein Zufall, und die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit einer Küche erst recht nicht. „Wir verabschieden uns von der Ära der Edelstahl-Friedhöfe. Nicht nur die Hardware zählt, sondern v.a. die Soft Skills eines modernen Küchenmanagements“, so Frank Wagner, Gesellschafter von K3 und Präsident des FCSI Deutschland-Österreich e.V. Führungskräfte in gewerblichen Küchen stehen unter hohem Effizienzdruck: Die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit und der Kostendruck steigen stetig. Dazu kommen immer neue Vorschriften zur Arbeitssicherheit oder Dokumentationspflichten, Hygieneverordnungen und vieles mehr, was das Leben eines Küchenchefs zusätzlich belastet – vom Mangel an geeigneten, gut ausgebildeten Mitarbeitern ganz zu schweigen. Die Digitalisierung von Gewerbeküchen leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, die Küchenprozesse sicherer zu gestalten, wiederkehrende Arbeiten zu vereinfachen, monotone Erfassung von Betriebs- und Hygienedaten zu automatisieren sowie Verschwendung zu vermeiden. Somit werden Freiräume geschaffen, um den Fokus auf diejenigen zu lenken, die es täglich zu begeistern gilt: die Gäste.
Top 5: Logistik
Nicht nur der Flächenbedarf der Küchen reduziert sich, auch die Lagerflächen werden deutlich kleiner. Viele Lieferanten schaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, weil Sie „just in time“ oder sogar täglich liefern. Thomas Mertens beobachtet: „Traditionelle Lieferketten verändern sich bis hin zu flexiblen Wertschöpfungsketten und die IT rückt immer weiter in das Zentrum von Produktion und Fertigung.“ Großes Potenzial sieht er im sogenannten „Kanban“-System. Die Vorgehensweise ist darauf ausgerichtet, dass ausschließlich die Materialien am Produktionsort vorliegen, die tatsächlich verbraucht werden. Im „Kanban“-System wird mit „Kanban“-Karten gearbeitet. Diese Karten sind das vorrangige Steuerungselement und enthalten sowohl für die Lagerung als auch für Produktion, Einkauf und Transport alle relevanten Daten. Die Szenarien und Möglichkeiten in der „Kanban“-Großküchenplanung sind laut Mertens vielfältig. Sie reichen von Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) bis hin zur kundenindividuellen Produktion in zentralisierten Produktionsküchen. Echtzeitdaten schaffen Spielraum für neue Geschäftsmodelle, wie z.B. die Umorientierung vom Produkt zum Service.
Top 6: BIM
Bereits vor einigen Jahren hat die Großküchenbranche im Gegensatz zu vielen anderen Sektoren frühzeitig erkannt, dass das Thema „Building Information Modeling“ (BIM) alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellen wird. Dabei handelt es sich bei BIM nicht nur um eine technische Weiterentwicklung der klassischen Bauplanung anhand von CAD-Daten, sondern vielmehr um eine optimierte Planungsmethode, die alle am Projekt involvierten Personen virtuell an einen Tisch bringt. BIM ist also charakteristisch für die Digitalisierung des Bausektors. Die Vorteile liegen für Roberto Assi, der für den FCSI in Europa das Thema BIM wesentlich vorangetrieben hat, ganz klar auf der Hand: „Man arbeitet digital und vermeid
et viele Werkstattzeichnungen. Nicht nur Abmessungen, sondern auch Materialien werden hinterlegt. Man kann das 3-D-Modell von allen Seiten ansehen, technische Datenblätter werden überflüssig. Ein weiterer Vorteil ist die Kollisionsprüfung, d.h., beim Ersetzen eines Gerätes werden alle baugleich in einem Zug ersetzt und somit Fehler verhindert.“ Um die Zusammenarbeit aller Beteiligten effizient zu gestalten, hat sich im Mai 2018 ein BIM-Lenkungskreis neu konstituiert und die weitere Vorgehensweise skizziert. Ein übergeordnetes Ziel ist die Entwicklung eines weltweit einheitlichen BIM-Standards für die Großküchenindustrie sowie für die Küchenfachplaner und Dienstleister der Großküchenbranche. Zunächst aber gilt es, die Hausaufgaben zu machen. Roberto Assi stellt fest: „Sehr viele Fachplaner tun sich schwer, auf BIM umzusatteln, aus verschiedenen Gründen, wie z.B. die Implementationskosten oder Änderung der Arbeitsmethodik.“ Doch er ist überzeugt: „Wer früh anfängt, tut sich leichter!“ Denn BIM ist keine Geschichte vom anderen Stern, sondern heute schon sehr real: Seit 2017 setzt das Bundesbauministerium bei Hochbauprojekten auf BIM. Das hat das Ministerium per Erlass verfügt. Die Vorgabe soll dem digitalen Planen zum Durchbruch verhelfen und das Bauen effizienter machen. In anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen oder Finnland ist BIM für alle Bauvorhaben der öffentlichen Hand bereits zwingend vorgeschrieben.
Trend 7: Human Resources
Der Fachkräftemangel in der Gastronomie ist ein viel diskutiertes Thema. Überstunden und schlechte Bezahlung? Es gibt sicherlich viele Gründe. Erstaunlicherweise aber kämpft die Gemeinschaftsverpflegung den gleichen Kampf auf der Suche nach den richtigen Talenten, obwohl man hier einen überschaubaren Arbeitsplatz und in der Regel auch bessere Entlohnung findet. Deshalb gilt auch hier: Wenn sich die Mitarbeiter in ihrem Umfeld (und nebenher auch noch in ihrer Kleidung) wohlfühlen, steigert dies die Loyalität zum Arbeitgeber. Dies gilt auch für die Küche eines Betriebsrestaurants: Natürliches Licht und ein heller, freundlicher Arbeitsplatz steigern täglich die Motivation, das Beste für den Gast oder Kunden zu geben. Steht eine Erweiterung oder Umgestaltung an, sollte man nicht einfach nur externen Rat suchen. Geht es um die Küche eines bestehendes Betriebes, lohnt es sich immer, die eigenen Spezialisten zu fragen: die Mitarbeiter. Auf diese Weise werden sie von Anfang an ins Boot geholt und können hinterher nicht meckern, wenn es dann sowieso schon zu spät ist. Auch wissen die Teamplayer vor und hinter den Kulissen am besten über Work- und Guestflow Bescheid, auch wenn sie es weniger stilvoll formulieren.
Top 8: Neue Arbeitswelten
Im QH4 in Mannheim hat Franz Josef Knopp, Betriebsleiter der Sparkassen Versicherung, die neuen SV-Arbeitswelten geschaffen, die er auf der FCSI-Jahrestagung im November 2017 den interessierten Beratern und Planern vorgestellt hat. „In der Gemeinschaftsverpflegung haben wir gegenüber der klassischen Gastronomie das Problem, dass wir jeden Tag den gleichen Gast haben.“ Deshalb muss das Angebot mehr als attraktiv sein, damit es möglichst oft in der Woche in Anspruch genommen wird. Bei der Planung der Betriebsgastronomie für rund 350 Mitarbeiter hat er sich u.a. am Generationswechsel orientiert und mit dem Pilotprojekt sehr positive Erfahrungen gemacht: „Die Teams nutzen die Gelegenheit zur Kommunikation, unabhängig davon, was sie an Essen zu sich nehmen. Überspitzt gesagt wollte ich ‚Tankstellen des Glücks‘ schaffen, die in der Pause gerne aufgesucht werden.“ Damit das gelingt, braucht es Leidenschaft, und die kann keiner auf dem Papier planen. Mit viel Herzblut hat auch Nerio Allessandrini, Gründer und Präsident von Technogym, seine Vision von einer neuen Arbeitswelt für seine Mitarbeiter umgesetzt. Mit dem Neubau seiner Firmenzentrale in Cesena (Romagna/Italien) und deren Eröffnung 2012 hat er seine Mission für ein ganzheitliches Wellnessverständnis in die Praxis umgesetzt. Allen Beschäftigten vor Ort – 1.200 von weltweit 2.000 – bietet er das richtige Umfeld für ein regelmäßiges Training, gesunde Ernährung und eine positive Einstellung zum Job. „Die Wurzeln von Wellness findet man schon bei den Römern“, so der Firmenchef und zitiert „mens sana in corpore sano“.
Eine ganz andere Form einer neuen Arbeitwelt entwickelt sich gerade in Wien: die Küche als Co- Workingspace: „Herd open Kitchen“ ist eine Großküche mit 700 m2, die 2017 eröffnet hat. Sie beherbergt mittlerweile 24 Unternehmen, von Food-Start-ups bis zu etablierten Caterern, die sich diese Facility mit gegenseitiger Wertschätzung und Unterstützung teilen. Ins Leben gerufen wurde sie von Marko Ertl, dem Gründer von Wrapstars und Wegbereiter der österreichischen Streetfood-Szene. Alle Beispiele haben einige Dinge gemeinsam: das Bestreben, Menschen zusammenzubringen. Freude, Genuss und einen hohen Anspruch an das Projekt stets im Fokus zu haben. Und nicht zuletzt auch die Wirtschaftlichkeit. Denn bei allem Idealismus muss es sich rechnen.
Autorin: Hildegard Dorn-Petersen, FCSI