Karina-Anna Dörschel im #Monotalk Über den Neuanfang ihrer Hotels

Karina-Anna Dörschel, die Geschäftsführerin der Sonnenhotels spricht über Krisenjahre und den Neuanfang. (Bild: Frank Bierstedt)

Die 2010er-Jahre sind und waren für Karina-Anna Dörschel die bewegteste Dekade ihres bisherigen Berufslebens: Bis 2009 führte sie zusammen mit ihren Eltern und ihrem Mann Andreas die 1983 gegründeten Sonnenhotels, die sich als familienfreundliche Ferienhotels verstehen. Zu schnelles Wachstum, gepaart mit strategischen Fehlentscheidungen und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise, brachten das Unternehmen ins Straucheln. 2009 dann die Insolvenz und der Neustart. Mit Tophotel sprach die Unternehmerin über die Krisenjahre und die ungebrochene Wachstumsphase nach dem Neuanfang.
Tophotel: Frau Dörschel, 2009 mussten Sie für die Sonnenhotels Insolvenz anmelden. War das gleich ein Neuanfang oder zunächst ein Weitermachen?
Karina-Anna Dörschel: Als Unternehmer hat man eigentlich permanent Neuanfänge. Aber einfach ‚weitermachen‘? Zunächst ja, obwohl wir damals eine echte Bruchlandung erlebten – mit Fehlern, die uns heute klar sind: zu schnelles Wachstum, fehlende Strukturen, risikobehaftete Standorte. Wir waren zu zufrieden und satt. Die Fähigkeit zur Selbstkritik hatte gelitten. Heute empfinde ich es als größte Errungenschaft, massiv geerdet worden zu sein, mich selbst stärker zu hinterfragen.
Hatte sich die Bruchlandung im Vorfeld angekündigt?
Wir hatten ein großes Problemhaus am Wörthersee, das wir mit einer Ganzjahresverpflichtung pachteten. Bei allen Vorahnungen: Wir dachten, Vertrieb können wir, was soll schon schiefgehen? Aber im Winter waren die Bürgersteige hochgeklappt, und wir versuchten mit hohen Investitionen, Gäste dorthin zu bringen, sodass die anderen Häuser zu sehr in den Hintergrund gerieten. So gesehen war die Bruchlandung absehbar. Dennoch kam sie am Ende überraschend: Ein Deal, der weitere Liquidität sichern sollte, platzte einen Tag vor der Unterschrift. Unser Rettungspaket hatte nicht geklappt, obwohl wir bilanziell gut dastanden.
Welches Gefühl überwog beim Insolvenzantrag? Kein Neuanfang möglich?
Natürlich war ich bedrückt über die Situation, und es dominierte das salopp gesagte Gefühl: Du hast es verbockt. Aber nicht: Das war‘s für immer, geschweige denn Verzweiflung – das ist nicht unser Naturell. Wir sind Stehaufmännchen und hatten unglaublich engagierte Menschen in unserem Umfeld, die uns zur Seite standen. So konnten wir auch den Kontakt zu unseren Partnern halten.
Sie haben damals sofort das Gespräch gesucht.
Als das Szenario absehbar war, fuhr ich zu allen relevanten Vertriebspartnern wie TUI und ITS und erklärte, was passiert ist und dass die Gäste weiter betreut würden. Die proaktive Kommunikation brachte uns viel Vertrauen. Und wir hielten, was wir versicherten: Die Betriebe wurden weitergeführt, die Mitarbeiter weiter beschäftigt. Wir sagten dem Team, dass es keine Schuld trägt, und auch dies brachte schnell eine gewisse Beruhigung.
Also ein klares Bekenntnis zum Weitermachen?
Weitermachen oder nicht, natürlich haben wir uns das gefragt. Mein Mann ist Banker und hätte etwas Neues gefunden, auch ich hatte zwei Angebote. Aber wir waren uns einig: Wir wollen keine Arbeitnehmer werden. Die Sonnenhotels sind eine tolle Sache, wir sind gern Hoteliers. Und: Ja, wir haben viel in den Sand gesetzt, aber wir müssen die Suppe auslöffeln.
Sie waren 30 Jahre alt, hätten auch mit etwas Eigenem neu starten können.
Dafür war die Familie zu wichtig. Bis 2009 haben zwei Generationen den Betrieb geführt. Und wir Jüngeren hatten auch Ideen, die wir gern einbringen wollten. So gesehen war diese Krise in puncto Generationenwechsel ‚gut‘. Bitte nicht falsch verstehen: Die Familie hat für den Neuanfang zusammengehalten, das war beeindruckend. Obwohl jeder von uns genug Munition für Vorwürfe gehabt hätte. Und gerade für meine Eltern war es bitter: Sie wohnten gegenüber unserer Urzelle, dem Wolfshof, den sie nun abgeben mussten, und stiegen komplett aus dem Unternehmen aus. Mein Vater arbeitete dann fünf Jahre in einem Hotel auf Rügen, meine Mutter als Beraterin. Mein Mann und ich hatten die Sonnenhotels AG 2002 schon ohne ihre Beteiligung gegründet.
Eine Woche nach der Insolvenz bekamen Sie einen Anruf von Erich Falkensteiner, den Sie von einem früheren Joint Venture kannten.
Er schlug vor, eine neue Gesellschaft von ihm und der TUI Austria Holding zu führen. Alles ging sehr schnell: Mein Mann und ich wurden Geschäftsführer dieser Alps & Cities Hotelmanagement GmbH und betrieben unter dem Dach unsere drei verbliebenen Sonnenhotels – mit Management Fees und damit Budget für den Wiederaufbau. Im Dezember 2009 bezogen wir die neue Zentrale in Goslar. Mit dabei der Kern unseres alten Teams, der zu uns mit neuen Arbeitsverträgen und weniger Gehalt zurückkehrte. Das war für uns der Grundstein, weil wir das Know-how behielten.
Das klingt mehr nach Neuanfang als nach ‚Weitermachen!‘.
Es war ein Mix aus Vergangenheitsbewältigung und Aufbruch mit radikal neuen Strukturen. Auch wenn es nie zu den ganz großen Synergien kam, weil wir eine Beteiligung der Falkensteiner Touristik Südtirol waren: Wir profitierten massiv vom Fachwissen beider Partner, haben mit den monatlichen Reports viel gelernt, vor allem über Qualitätsmanagement und Marketing.
Sie waren angestellt, was Sie nie sein wollten.
Drei Jahre lang. Aber wir haben nie unser Unternehmertum aufgegeben. Laut Vorgabe sollte die Alps & Cities mit Managementverträgen wachsen. Ich bin kein schlechter Verkäufer, aber erklären Sie mal einem Inhaber, dass Sie sein Hotel führen und er Sie dafür bezahlt. So schlossen wir mit unserer Gesellschaft den Pacht- und mit der Alps & Cities den Managementvertrag. Wir blieben quasi selbstständig, trugen zu 100 Prozent das wirtschaftliche Risiko und gaben 80 Prozent der Erlöse ab. Im offenen Austausch haben wir bald signalisiert, eigene Anteile erwerben zu wollen, und konnten dies 2013 Stück für Stück umsetzen. Ein toller Schritt, aber ohne die Jahre davor wären wir nie so schnell so weit gekommen. Das Vertrauen, das TUI und Falkensteiner als große Namen ausstrahlten, half unserem Image schnell, wofür wir heute noch dankbar sind.
Ist Scheitern hierzulande immer noch ein Makel?
In unserer Harzer Region war es schwierig. Auf Veranstalter- und Vertriebsseite weniger: Geschäftsleute wissen, wie es im Leben läuft. Und uns ist bei Gesprächen mit Projektpartnern immer wichtig, dass sie davon wissen. Die Krise gehört zu unserer Unternehmensvita und hat uns stark beeinflusst.
Dennoch kennen wenige im Markt die Sonnenhotels und ihre Geschichte. Dabei wachsen Sie gerade mit Neueröffnungen und einer neuen Managementebene.
Wir wissen, dass Klappern zum Handwerk gehört. Aber das sind wir nicht. Wir sind hanseatisch bodenständig geprägt, lange unauffällig mit einfachen, aber ehrlichen Dreieinhalb-Sterne-Hotels gewachsen und haben viel Respekt davor, uns nicht wieder zu übernehmen. Nach dem Motto: Erst wenn die Hausaufgaben gemacht sind und die Story wirklich erfolgreich ist, dann kannst du sie erzählen.
Wann ist sie erfolgreich?
Fragen Sie mich 2020. Wir sind gerade mit drei Neueröffnungen in einem Jahr in einer hochelektrisierten Phase: Ende 2018 eröffnete Ettershaus mit den Baumhäusern, im Februar der barrierefreie Salinengarten und im September das Weingut Römmert. Die Neueröffnungen wollen wir unter der Marke Sonnenhotels als ‚Selection‘ mit durchgängigen Designkonzepten führen, die Häuser im Bestand als ‚Classic‘ – alle mit gleicher DNA: Mensch, Werte, Gastfreundschaft, Individualität, Echtheit, Ehrlichkeit.
Wie würden Sie die Sonnenhotels in der ersten Phase beschreiben wie nach 2009, und wie heute?
In den ersten 16 Jahren waren die Sonnenhotels ein Portfolio, das aus Gelegenheiten entstanden ist. Es gab kein strategisches Wachstum, man vertraute auf die Vertriebskompetenz, egal wo. In den drei Jahren Alps & Cities waren wir in die Konzernwelt eingebunden, mit klaren Leit- und Stützplanken. Neue Projekte haben wir zusammen diskutiert und viel gelernt. Quasi ein eigenständiges Unternehmerleben an sehr kurzer Leine geführt. Heute haben wir das Bewusstsein, dass Portfolio- und Produktentwicklung kein Zufall sind, und dass viel Potenzial in Produkt und Marke steckt. Und dass wir uns stabil weiterentwickeln müssen, ohne die Leistungsfähigkeit der Organisation zu überfordern. Der Professionalisierungsgrad ist deutlich gestiegen.
Hätten Sie 2009 auch ohne Ihren Mann weitergemacht?
Diese Frage hat sich glücklicherweise nie gestellt. Aber wenn, dann ja: Ich liebe es, Gastgeber bei uns zu vereinen, die jedes Haus wie ihr eigenes führen wollen. Das Einzelhotel ist die Benchmark fernab von Gruppenklischees wie Handbuch und Organigramm. So gesehen wäre für mich im Alter auch ein eigenes Hotel etwas. Also noch einmal ein Neustart als Gastgeberin.