In Garmisch-Partenkirchen visiert eine Jugendherberge eine neue Klientel an. Sauna, Bar und Alpenpanorama sollen neben Youngstern auch Familien und Kurzurlauber gewinnen.
Hagebuttentee, Tischdienst und Stockbetten – und das alles mitten in der Pampa. So haben die meisten die Jugendherberge bei der Klassenfahrt in Erinnerung. Aber die Häuser mit Bildungsauftrag öffnen sich neuen Konzepten, zumal Hostels immer beliebter werden. Ein Beispiel ist das Moun10 in Garmisch-Partenkirchen, das Ende 2018 eröffnete. Die Jugendherberge bietet Gästen Hotelkomfort mit Sauna, Fitnessstudio und Bar. Bodentiefe Fenster in der Lobby geben den Blick auf die Alpen frei. Das Panorama ist mit wenigen Hotels im Ort vergleichbar, und diese Wenigen liegen im Superior-Bereich.
Unterhalb der Zugspitzbahn entstand ein Haus, das den Zeitgeist aufgreift und trotzdem seine Identität als Bildungsstätte bewahrt. Das Moun10 soll laut Herbergsleiterin Petra Weckerle eine neue Zielgruppe anlocken. Es bietet die ideale Ausgangslage für Bergsportler, Backpacker und Familien. Zentrum und Zugspitzbahn sind zu Fuß erreichbar, und die Skiausrüstung kann in einem Abstellraum verwahrt werden. In der Lobby stehen bunte und flexibel verschiebbare Sofas. Der TV-Bildschirm kann für Filmabende genutzt werden. Nur noch Brettspiele auf den Beistelltischen erinnern an die „klassische Jugendherberge“.
Vor allem die Bar verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen traditionell und weltoffen, in dem sich Petra Weckerle und ihr Team bewegen. Im Moun10 werden Bier, Wein und Sekt an Volljährige ausgeschenkt. Aber nur mit Einverständnis des Gruppenleiters. Bei Gruppen entscheidet der Leiter auch dann, wenn Teilnehmer über 18 Jahre sind. Hochprozentiger Alkohol ist im Haus nicht gestattet. Das Verpflegungskonzept lehnt sich an den Hotelbetrieb an, denn im Moun10 erhalten Gäste nur Frühstück. Eine zweite Jugendherberge in Garmisch-Partenkirchen bietet Vollverpflegung, die vor allem für Schulklassen entscheidend ist.
Trotz des neuen Konzepts bleibt das Moun10 eine Jugendherberge, und diese hat traditionell einen Bildungsauftrag. Nur Mitglieder des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) dürfen einchecken. Der Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft liegt zwischen sieben und 22,50 Euro und kann beim Check-in abgeschlossen werden. Auch den Tagungsraum inklusive Dachterrasse im vierten Stock nutzen nur Gruppen mit Bezug zur Jugend- oder Familienförderung. Nebenan befindet sich der Wellnessbereich, in dem Gäste Sauna und Ruheraum kostenfrei nutzen können.
Zwischen Hostel und Hotel
Die neu interpretierte Herberge verbindet Elemente aus dem Hostel- und Hotelbereich. Für das Interior Design beauftragte der Landesverband Bayern des DJH das Planungsbüro Neumeier aus Holzkirchen. Martin Neumeier und sein Team statten vor allem gehobene Themenhotels aus, darunter das Bell Rock Hotel im Europa Park. Das Moun10 mit seinen speziellen Budgetanforderungen stellte die Innenarchitekten vor einige Herausforderungen. Martin Neumeier wählte für die Inneneinrichtung natürliches Material. Einfachheit zeichnet Jugendherbergen aus, und so auch das Moun10. Die Stock- und Doppelbetten sind aus Seekiefer gefertigt, die Linoleum-Böden leicht zu reinigen und instandzuhalten. „Unsere Gäste beanspruchen das Haus anders. Wenn eine Schulklasse durchfegt, merken wir das“, so die Herbergsleitung. Funktionalität und Design standen daher für Neumeier gleichermaßen im Fokus. Viele Möbel können flexibel angeordnet werden. Familien oder Freunde schieben Einzelbetten über eine Schiene am Kopfende zusammen, wenn sie möchten. Auch die Bettlampen sind lose angeklemmt. Gäste verstauen das Gepäck in Rollkästen unter dem Bett. Platzsparend und einfach, wie man es von der Klassenreise damals kennt. Toilette und Dusche teilen sich maximal sechs Zimmerbewohner statt ein ganzer
Gang.
In den Zimmern setzen bayerische Herzchenstühle Farbakzente, zum Beispiel in Apfelgrün, und Deckenlampen sind mit Bergseilen befestigt. „Im Moun10 war ein Augenzwinkern dabei“, sagt Martin Neumeier. Das Haus setzt alpine Details bewusst in Szene. „Altholzdielen und Ofenbank im Ruheraum der Sauna erinnern an eine Bauernstube.“ Heimat ist auch das Gestaltungsthema auf den Gängen. Ein Lageplan der Region lädt vor allem junge Gäste ein, zu verfolgen auf welchem Berg sie den Tag verbracht haben.
Mit „Go Pro“ über das Baugerüst
Für die Aquarellbilder an den Zimmerwänden standen verschiedene Profi-Sportler Portrait, die die Bauphase in einem Videotagebuch begleiteten. Darunter der Parcours- und Freestylerunner Amadei. Er versuchte, unbemerkt auf das Dach der Baustelle zu gelangen und filmte seinen Weg über das Baugerüst mit einer „Go Pro“-Kamera. Snowboarder Marco Smolla übernachtete im Moun10-Rohbau und zeigte seinen Followern anschließend die Pisten. Szenen aus diesen Youtube-Videos wurden auf den Zimmerwänden festgehalten.
Auch die Mitarbeiter des Moun10 leben das Konzept Jugendherberge. „Wir haben hier nicht dieses Andienerische“, erklärt Herbergsleitung Petra Weckerle. Das unterscheide das Haus von vielen Hotels. Das Durchschnittsalter der Belegschaft liegt bei 30 und diese begegne allen Gästen auf Augenhöhe. Zusätzliches Personal könne das Moun10 auch durch den Bundesfreiwilligendienst und die Behindertenwerkstätten vor Ort gewinnen. Inklusion, Gemeinschaft erleben – diese Werte gingen nicht verloren.
Das neue Konzept entstand nicht aus dem Druck schwindender Gästezahlen. Schulklassen bleiben weiterhin die Zielgruppe des DJH. Aber ein nächstes Projekt mit Neumeiers Team ist bereits in Planung. Trotzdem betont Petra Weckerle: „Dieses Haus wird nicht für jede Zielgruppe passen. Jugendherbergen sind keine Kette, die sich an jedem Standort wiederholen.“ „Den Hagebuttentee gibt es übrigens noch beim Frühstücksbuffet“, berichtet sie. „Aber wir experimentieren gerade an einem Drink für unsere Bar – uns fehlt nur noch der zündende Name.“ Vielleicht „Hagebu10“?
Sabrina Demmeler