Design "Der Trend geht hin zu noch mehr Flexibilität"

Wollen Räume schaffen, in denen sich Gäste wohlfühlen: Corinna Kretschmar-Joehnk & Peter Joehnk, ­JOI-Design, Hamburg © JOI-Design

Architekten und Innenarchitekten haben stets den Finger am Puls der Zeit und kennen die neuesten Bau- und  Design-Entwicklungen. Wohin die Reise 2023 geht, sagen Corinna Kretschmar-Joehnk und Peter Joehnk von JOI-Design in Hamburg im Gespräch mit Tophotel.

Frau Kretschmar-Joehnk, Herr Joehnk, was ist derzeit State-of-the-art in der Hotelarchitektur beziehungsweise beim Interior Design von Hotels?

Corinna Kretschmar-Joehnk & Peter Joehnk: Im Design gibt es leider den „State-of-the-art“ nicht, dafür laufen zu viele Trends parallel. Aber immerhin gibt es eine Geisteshaltung, die uns alle eint, und das ist die Thematik der Nachhaltigkeit und die Suche nach einem natürlichen Leben.

Welche Trends werden Hotels 2023 prägen?

So wie es ausschaut, wird das Jahr 2023 von der Energiekrise geprägt sein und vielleicht – hoffentlich! – dazu führen, dass die amerikanisch geprägten Kettenhotels auf Klimaanlagen verzichten, zumindest in den Resort Hotels, die derzeit Liebling der Hotelentwickler sind.

Bei den Raumkonzepten geht der Trend weiter zu noch mehr Flexibilität und Mehrfachnutzung von Räumen. Speziell die Hotellobby wird mehr und mehr dazu dienen, gleichzeitig Lounge, Frühstücksrestaurant, Bar, Abend-Restaurant, Konferenzbereich, Work- und Partyzone, Shop Area, Rezeptionsbereich, Spielbereich und Buffet zu sein.

"Die Reduzierung von Flächenangeboten steht im Vordergrund"

Gibt es möglicherweise ein Revival einer speziellen Räumlichkeit im Hotel?

Während der Corona-Pandemie dachten wir, dass es wieder zu mehr kleingliedrigen Räumen und damit zu mehr zweckbestimmten Räumen kommen würde, aber das ist nicht der Fall. Es ist weiterhin festzustellen, dass die Reduzierung von Flächenangeboten im Vordergrund steht, die auch durchaus zu dem Lebensgefühl einer flexiblen Gesellschaft passt.

Ein Revival sehen wir allenfalls bei integrierten Shop-Konzepten, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr eingeplant haben – wobei in der Anfangsphase unserer Tätigkeit der Friseur, Boutiquen und Schmuckgeschäfte noch einen festen Platz in der Hotelplanung hatten. Heute sind solche Shops eher auf Nachbarschaftskonzepte ausgelegt: Mit Bäckerei, Blumen oder externen Cafés oder Dienstleistungen, wie etwa der Paketannahme für die Nachbarschaft.

Wie beeinflussen Corona-Pandemie, Ukrainekrieg und Klimakrise die Architektur und das Interior Design?

Design und speziell Hoteldesign ist immer Spiegel der Gesellschaft. Die Nachhaltigkeit in der Architektur führt jedenfalls dazu, dass eher über Umnutzungen statt Abriss und Neubau nachgedacht wird, und die Energiekrise wird uns weiter dafür sensibilisieren, sparsam mit Energie umzugehen, noch mehr zu dämmen, aber vielleicht weniger zu klimatisieren.

Vor welchen Herausforderungen sehen Sie sich als Gestalter?

Als Gestalter ist es unsere Aufgabe, Räume zu schaffen, in denen sich Gäste wohl fühlen, also positive Energie ausstrahlen. Aber wie sie an den eigenen Fragestellungen sehen, bestimmen negative Krisen-Szenarien unsere Gedankenwelt, die wir positiv auffangen müssen – mit Geborgenheit, Sicherheit, Übersicht, Ruhe im Design.

"Die Energiekrise wird uns weiter dafür sensibilisieren, sparsam mit Energie umzugehen"

Wie lautet Ihr gestalterisches Credo?

„Wir gestalten Lebensräume“ – Menschen gestalten für Menschen. Die inhaltliche Aussage dieser Philosophie erschließt sich am besten dadurch, was nicht mehr im Vordergrund steht. Vor 40 Jahren begannen wir unter dem Motto „Design follows atmosphere“, da wurde Design also als Werkzeug gesehen, eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen, die durch das Marketing des Hotels oder durch eine Thematisierung vorgegeben wurde. Später proklamierten wir dann die Aussage, dass das Design der beste Concierge des Hotels sei, der zugrunde liegt, dass Design verkauft und Gäste deswegen ins Hotel kommen (nicht falsch, aber zu kurz gesprungen). Und heute sind wir der Überzeugung, dass die Menschlichkeit der Antrieb für unsere Arbeit sein sollte. Wir kümmern uns mit dem Design um den Gast und helfen ihm, sich wohl zu fühlen.

Worauf wollen Sie im nächsten Jahr den Fokus Ihrer Arbeit legen?

Der Wert des „Hospitality Designs“ liegt ganz klar in seiner Fokussierung auf den Gast und diese Orientierung auf den Nutzer möchten sich inzwischen auch andere Gebäudetypen zu eigen machen, und so werden wir mehr und mehr angesprochen von Entwicklern aus der Office-Szene, von Serviced Apartments bis hin zu Seniorenimmobilien und nicht zuletzt auch von Betreibern von Kreuzfahrtschiffen, die das klassische Gefühl des „Home away from home“ auch bei den schwimmenden Hotels suchen. Und letztlich ist auch unser indischer Ableger erfolgreich, indem wir einen Teil unserer Werte mit westlichem Design in dieses faszinierende Land exportieren. Fokus bleibt das Design für Menschen – in allen verschiedenen Ausprägungen.

Worauf sollten Hoteliers bei der Planung und Gestaltung mehr Wert legen?

Andersherum lässt sich die Frage einfacher beantworten: Nicht der eigene Geschmack ist das Maß aller Dinge, sondern der Hotelier sollte sich bewusst werden, wer seine Gäste sind, und was diese für Ansprüche stellen. Und dann sollte er einem Fachmann/-frau vertrauen, dies umzusetzen. Getreu dem – zugegeben sehr strapazierten – Spruch: Der Wurm muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken.

Ihre drei Schlagworte für Hotelarchitektur und -interior 2023?

Nachhaltigkeit, Wohlfühlen, Menschlichkeit

Brit Glocke


Dieser Beitrag könnte Sie auch interessieren:

Verfolgen bewusst keine kurzlebigen Trends: Die Innenarchitekten Cord und Rolf Glantz von Geplan Design in Stuttgart © Geplan Design/Christof Mattes

Geplan Design: “Es geht um ernsthafte Nachhaltigkeit“
Architekten und Innenarchitekten haben stets den Finger am Puls der Zeit und kennen die neuesten Bau- und ­Design-Entwicklungen. Wohin die Reise 2023 geht, sagen Cord und Rolf Glantz von Geplan Design in Stuttgart im Gespräch mit Tophotel.
Jetzt lesen!