Bundesregierung und Bundesländer haben sich bei der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz auf das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie verständigt. Fest steht nun: Nicht-Geimpfte müssen sich im Kampf gegen eine neue große Corona-Welle auf mehr Testpflichten im Alltag einstellen - und Schnelltests ab 11. Oktober in der Regel auch selbst bezahlen. Wie immer liegt die konkrete Umsetzung jedoch bei den Bundesländern, die eigene Regeln festlegen können.
Die neuen Beschlüsse im Überblick
Tests: Vom Bund finanzierte kostenlose Bürgertests soll es ab 11. Oktober nicht mehr geben. Begründung: Es gibt die kostenlose Impfung. Für Schwangere, Kinder und Jugendliche unter 18 sowie andere Menschen, für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt, sollen Antigen-Schnelltests aber kostenlos bleiben.
"3G"-Regel: Für bestimmte Einrichtungen und Freizeitangebote soll, wie auch heute schon in manchen Bereichen, spätestens ab 23. August grundsätzlich gelten: Nur Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete haben Zutritt. Das soll in Kliniken, Pflegeheimen, Fitnessstudios, Schwimmbädern, Friseuren und in Innenräumen etwa in Restaurants oder bei Veranstaltungen der Fall sein. Bei Beherbergungen soll ein Nachweis bei der Anreise und - für Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene - dann zwei Mal pro Woche ein Test erforderlich sein. Der Test darf nicht älter als 24 Stunden (Antigen-Test) oder 48 Stunden (PCR) sein. Ausgenommen von der Regel sind Kinder bis sechs Jahren und Schüler, da an Schulen sowieso weiter regelmäßig getestet werden soll. Und die "3G-Regel" kann ausgesetzt werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Kreis "stabil" unter 35 liegt.
Corona-Indikatoren: Im Bund-Länder-Beschluss wird die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen Covid-19 als "wichtige Größe zur Beurteilung des Infektionsgeschehens" bezeichnet. Daneben wird betont, dass Bund und Länder "alle Indikatoren, insbesondere die Inzidenz, die Impfquote und die Zahl der schweren Krankheitsverläufe sowie die resultierende Belastung des Gesundheitswesens berücksichtigen", um die Corona-Maßnahmen gegebenenfalls anzupassen.
Impfaufruf: An die Bevölkerung wird "eindringlich" appelliert, "schnellstmöglich die bestehenden Impfangebote" wahrzunehmen. Arbeitgeber werden aufgerufen, ihre Beschäftigten dabei zu unterstützen, etwa durch Impfangebote über Betriebsärzte und Freistellungen für Impftermine. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat erneut alle Bürger, die sich noch nicht gegen das Coronavirus haben impfen lassen, dazu aufgerufen, dies nachzuholen. "Wir müssen die Pandemie in Schach halten", sagte er am Dienstagabend. Dies geschehe "nicht, indem jeder macht, was er will, wie manche empfehlen, sondern indem sich möglichst viele Menschen impfen lassen".
Reisen: Geimpfte und Genesene müssen nach Rückreise aus einem Hochrisikogebiet auch weiterhin nicht in Quarantäne. Als Hochrisikogebiet gelten Regionen mit besonders hohen Fallzahlen oder in denen "Anhaltspunkte eines gefährlichen Infektionsgeschehens vorliegen", wie es beim Bundesgesundheitsministerium heißt.
Masken: In öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen sollen weiterhin medizinische Schutzmasken (OP oder FFP2) "verbindlich vorgeschrieben" sein. Alle vier Wochen soll das überprüft werden. Allerdings hatte Sachsen bereits die Maskenpflicht beim Einkaufen bei niedriger Inzidenz aufgehoben.
Feiern und Veranstaltungen: Einschränkungen, wie eine begrenzte Teilnehmerzahl für Clubs und Partys, sind weiter möglich, Hygienekonzepte müssen vorgelegt werden. In Fußballstadien und bei Sportveranstaltungen mit mehr als 5.000 Zuschauern soll maximal die Hälfte der Plätze der Veranstaltungsstätte oder des Stadions besetzt werden. Die Höchstzahl der Zuschauer soll bei 25.000 liegen.
Arbeit: Die Corona-Arbeitsschutzverordnung wird noch einmal über den 10. September hinaus verlängert. Sie verpflichtet Unternehmen zu Hygieneplänen und zum Angebot von Tests für Beschäftigte.
Verlängerung von Coronahilfen: Die bisher bis Ende September laufenden Wirtschaftshilfen (Überbrückungshilfe III Plus) und die Erleichterungen zum Zugang für das Kurzarbeitergeld sollen verlängert werden.
Epidemische Lage: Sie wird vom Bundestag festgestellt und gibt dem Bund das Recht, direkt Verordnungen etwa zu Tests und Impfungen zu erlassen. Auch Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen, die die Länder festlegen können, beziehen sich laut Infektionsschutzgesetz auf die Feststellung dieser Lage. Bund und Länder formulieren vorsichtig und bitten in ihrem Beschluss den Bundestag "zu erwägen", die epidemische Lage über den 11. September hinaus zu verlängern.
"2G" oder "3G"?
Im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz betonte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder erneut, dass wohl bald eine neue Debatte folgen wird - über Zugänge nur für Geimpfte und Genesene ("2G") im Gegensatz zur "3G"-Regel, die Freiheiten für Geimpfte, Getestete und Genesene beschreibt. "2G wird so oder so ab einem bestimmten Zeitpunkt kommen und mir wäre es lieber, wir würden jetzt ehrlich drüber reden als es zu vertagen bis nach der Bundestagswahl", so der CSU-Politiker.
Auch dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gehen die Corona-Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz nicht weit genug. "Ich hätte es besser gefunden, Großereignisse mit Hunderten Menschen in Clubs oder Hallen auf Genesene und Geimpfte zu begrenzen", sagte Lauterbach den Zeitungen der "Funke"-Mediengruppe (Mittwoch). "Denn es sind potenzielle Superspreader-Events." Mit der Testpflicht in Innenräumen ab einer Inzidenz von 35 könne man aber "sehr gut arbeiten". "Ich hätte die Grenze noch unter einer Inzidenz von 35 gesetzt", sagte Lauterbach.
Geteiltes Echo
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat die Beendigung der kostenlosen Corona-Tests begrüßt. "Es ist richtig, dass ab dem 11. Oktober die Bürgertests nur noch für die Personen kostenfrei sind, die nicht geimpft werden können. Wer ein Impfangebot nicht annimmt, muss akzeptieren, dass er für den Zugang zu bestimmten öffentlichen Veranstaltungen einen selbst finanzierten negativen Test vorweisen muss", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post" (Mittwoch).
Der Hausärzteverband hat hingegen enttäuscht auf die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz reagiert. Es hätte "endlich eines bundeseinheitlichen, umfassenden Bewertungssystems des Pandemiegeschehens auf Basis unterschiedlicher Faktoren bedurft", sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, den Zeitungen der "Funke"-Mediengruppe (Mittwoch). Für die Erarbeitung solcher neuen Maßstäbe "war Zeit genug in den letzten Monaten". dpa
Dehoga Bayern über die neuen Beschlüsse
Die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz beurteilt der Dehoga Bayern zwiespältig. "Wir hätten uns mehr Mut zu mehr Selbstverantwortung und weniger Verbote gewünscht", sagt Dehoga Bayern Präsidentin Angela Inselkammer über die neuen Beschlüsse. Positiv sei, dass kein erneuter Lockdown thematisiert wurde. "Das klare Bekenntnis, dass eine Schließung des Gastgewerbes zumindest für Geimpfte und Genesene definitiv ausgeschlossen ist, ist ein wichtiges Signal an alle Unternehmer und Beschäftigte", so Angela Inselkammer. Positiv gewertet werde auch, dass es für Getestete keine Zugangsbeschränkungen zu gastgewerblichen Betrieben gibt. Auch die Zusage zur Verlängerung der Überbrückungshilfen und dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld seien wertvoll.
Kein Verständnis habe der Dehoga Bayern hingegen, dass der Maßstab für verschärfte Zugänge erneut "einzig und allein der 7-Tage-Inzidenzwert sein soll". Es wurde zwar von weiteren Faktoren geredet, aber entscheidend für die "3G"-Regel ist der Inzidenzwert. Dass in diesem Zusammenhang der Inzidenzwert von 50 auf 35 herabgesetzt wurde, ist laut Dehoga Bayern ebenfalls nicht nachvollziehbar. Zudem wirft der Landesverband die Frage auf, wie die Testinfrastruktur ab Oktober aufrechterhalten werden soll. "Auch wenn Tests kostenpflichtig sind, so müsse ja zumindest die Möglichkeit für die Bürger bestehen bleiben, insbesondere für diejenigen, die sich nicht impfen lassen können."