Gambino Hotel Werksviertel in München Relaxte Basis zum Ausschwärmen

Ein großer Teil der Zimmer blickt auf das Gelände des zukünftigen Konzerthauses, auf dem bis zum Baubeginn 2022 noch das große Riesenrad steht. © Gambino Consulting / Oliver Florian

Das jüngste Haus der Geschwister Sabrina Gambino-Kreindl und Alessandro Gambino bietet kreativ designten Komfort und motiviert seine Gäste, die vielfältigen Bars und Restaurants des aufstrebenden Münchner Szeneviertels zu frequentieren.
Es ist zwar noch immer zum großen Teil Baustelle, dennoch strahlt das Werksviertel bereits jetzt eine urbane Lebendigkeit aus, über die kein anderes Stadtentwicklungsgebiet in München verfügt. Bis Mitte der 1990er-Jahre wurden hier am Ostbahnhof Kartoffeln verarbeitet, Motorräder hergestellt, Kleidungsstücke geschneidert und Schmierstoffe produziert. Danach etablierten sich der Kunstpark Ost, die Kultfabrik und schließlich die Optimolwerke – Orte der Subkultur, die sich auch bei Partygängern großer Beliebtheit erfreuten. Auch wenn all diese Zwischennutzungen längst nicht mehr existieren, prägen Clubs, Bars, Restaurants, Musikevents, aber auch Künstler­ateliers, Start-ups und Flohmärkte aller Art bis heute das Zentrum dieses Areals.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde das einstige Pfanni-Werksgelände und heutige „Werksviertel Mitte“ ein Begriff, nachdem bekannt wurde, dass hier im Jahr 2025 ein neues Konzerthaus, unter anderem für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, eröffnet werden soll. Bis zum Baubeginn 2022 wird der Bauplatz von einem 78 Meter hohen Riesenrad markiert, das nicht nur einen sensationellen Blick auf die Stadt und die Alpen eröffnet, sondern auch auf das direkt gegenüberliegende Gambino Hotel Werksviertel.
Bei einem Vor-Ort-Besuch Mitte Juni 2020 ist von dem sonst hier herrschenden bunten Treiben nur wenig zu spüren. Das liegt nicht nur daran, dass es bei geradezu herbstlichen Temperaturen schon seit Tagen regnet. Maßgeblich ist vielmehr das Coronavirus: Das Riesenrad dreht sich erst seit Mitte Juli wieder, sämtliche Clubs sind geschlossen, Restaurants und Cafés bewegen sich nur langsam wieder in Richtung Normalbetrieb. Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass die Geschwister Sabrina Gambino-Kreindl und Alessandro Gambino das nach eigenen Vorstellungen gestaltete Hotel bereits am 28. Mai eröffnet haben.

Anknüpfung an die ehemals industriell geprägte Umgebung

Das insgesamt siebengeschossige Gebäude im Herzen des Werksviertels zu finden ist leicht. Zum einen müssen die Gäste einfach nur dem Riesenrad folgen, ganz gleich, ob sie mit dem Auto ankommen oder am Ostbahnhof aus dem Fernzug oder aus der S-Bahn steigen. Zum anderen wirkt der nach Plänen des Münchener Architekturbüros Hild und K errichtete Neubau auffällig unauffällig. Seine Form basiert auf einem fast quadratischen Grundriss, der in den unteren drei Obergeschossen U-förmig, und darüber L-förmig ausgebildet ist. Für das Erscheinungsbild entscheidend ist aber sein Fassadenmaterial: rötlich eingefärbte Betonfertigteile mit schuppenartig angeordneten Keramik­riemchen. Sie erzeugen eine erdige Wärme und knüpfen zugleich an die vormals industriell geprägte Geschichte der Umgebung an.
Die städtebauliche Einbindung ist für das Architekturkonzept genauso wesentlich wie für das Hotelkonzept. Die Grundidee der Gambino-Geschwister, die mit diesem Haus bereits ihr viertes Hotel in München betreiben, liegt darin, preisbewussten, designaffinen Gästen einen unkomplizierten, hochwertigen Ort zum Schlafen zu bieten, der sich optimal in sein Umfeld integriert. „Uns ist es wichtig, Teil des Viertels zu sein“, sagt Sabrina Gambino-Kreindl bei einem Treffen in der Lobby, die nicht zuletzt durch das minimalistisch-elegante Industrial Design Bezüge zur Geschichte des Quartiers herstellt. Hinzu kommen Lampen aus alten Lagerhallen, liebevoll aufgearbeitete Werkbänke sowie ein Wandgraffito von Loomit – einem Streetart-Künstler, dessen weit über München hinaus bekannte Bilder bereits seit Jahren das Werksviertel zieren.
Einen noch direkteren Anknüpfungspunkt zum Werksviertel schafft das Hotel, indem es dem Quartier gegenüber als Partner und nicht als Konkurrent auftritt. So bietet es zwar 303 zwischen 15 und 22 Quadratmeter große Zimmer, jedoch keinerlei zusätzliche Dienstleistungen. „Diese kann und soll jeder Gast in seiner unmittelbaren Umgebung nutzen“, sagt Sabrina Gambino-Kreindl. Zum Frühstücken, für das Fitnessprogramm und für den abendlichen Cocktail schwärmen die Gäste dann ins Umfeld aus und unterstützen so die Nachbarschaft – auch die im Erdgeschoss des Gebäudes untergebrachten Läden sind vom Hotelbetrieb unabhängig. Für kleinere Pausen verfügen die Zimmer über eine Kaffee- und Teestation, während ein stets frisch bestückter „Foodji“-Automat weitere Getränke sowie Snacks bereithält – von der Chia Berry Bowl über Wraps und Smoothies bis hin zu Bio-Chips.

Neueröffnung in Corona-Zeiten

Aus dem fehlenden Dienstleistungsangebot folgt im Umkehrschluss, dass es unter den Hotelgästen – außer in der Lobby – vergleichsweise wenig Berührungspunkte gibt. Und das wiederum heißt, dass von all den Anti-Corona-Maßnahmen, die heute das Bild der Gastronomie prägen, hier im Hotel fast nichts zu spüren ist. Einzige Ausnahme in diesem Zusammenhang bilden die temporär aufgestellten Plexiglastrennwände an den drei locker im Raum platzierten Empfangstresen. Ansonsten konnte das Hotel relativ kurz nach dem Ende des Lockdowns ohne nennenswerte Umplanungen oder Modifikationen eröffnen.
„Vertraglich war Ende Mai als spätestmöglicher Eröffnungstermin vereinbart, nun müssen wir sehen, wie wir zurechtkommen“, sagt Sabrina Gambino-Kreindl nicht ohne Optimismus, aber auch ohne einen Hehl daraus zu machen, dass die aktuelle Auslastung alles andere als optimal ist. „Unsere Wirtschaftlichkeitsberechnungen gingen von 70 Prozent aus, doch mit Corona können wir froh sein, wenn es die Hälfte wird. Ab 55 Prozent würden wir die schwarze Null erreichen – bei einer Nettodurchschnittsrate pro Zimmer und Nacht von 90 Euro.“ Vergeben werden derzeit nur die Zimmer im ersten, dritten und fünften Obergeschoss. Doch wirklich sparen lässt sich dadurch kaum etwas. Schließlich muss die Umluftkühlanlage ebenso betrieben werden wie die Wasserleitungen und die Toilettenspülungen.
Das Hotel, wie ursprünglich geplant, bereits Ende April zu öffnen hätte kaum Sinn ergeben. Zu diesem Zeitpunkt durften Hotels (noch) keine Privatgäste empfangen, und die Zahl der Geschäftsreisenden war extrem niedrig, weil die meisten Firmen Reisestopps für ihre Mitarbeiter verhängt hatten und stattdessen virtuelle Meetings abhielten. Dass sich die Verschiebung des Openings relativ unkompliziert bewerkstelligen ließ, hat nicht zuletzt mit Werner Eckart zu tun, dem ehemaligen Eigentümer der Pfanni-Werke. Ihm gehört heute sowohl das Hotel als auch das gesamte Grundstück des Werksviertels Mitte. Vor gut zwanzig Jahren verkaufte Eckart sein Unternehmen und erlag anschließend nicht den Verlockungen der Investoren, sondern verschrieb sich stattdessen der sozialen und kulturellen Vielfalt, die das Werksviertel seitdem prägt. Seine Wahl fiel nicht zuletzt deshalb auf die Gambino-Geschwister als Pächter, weil ihn ihr Konzept des Miteinanders und der indirekten Unterstützung der ansässigen Unternehmen überzeugte.

Design und Komfort statt starre Zielgruppenvorgaben

Eine bestimmte Zielgruppe hat das Gambino Hotel nicht im Auge. „Wir rechnen langfristig mit rund je einem Drittel Touristen, Geschäftsreisenden und Teilnehmern an Veranstaltungen aller Art“, erläutert Sabrina Gambino-Kreindl. Den Gästen stehen vier Zimmerkategorien zur Verfügung – jeweils mit breitem, komfortablem Boxspring-Bett und Blick auf das Werksviertel oder in den ruhigen Innenhof. Die Zimmer ab 64 Euro (Einzelzimmer) beziehungsweise ab 84 Euro (Doppelzimmer) pro Nacht sind zwar vergleichsweise klein, aber intelligent und sehr hochwertig ausgestattet – mit minimalistisch-eleganten, zum Teil eigens entworfenen Möbeln im gleichen Industrial Design wie in der Lobby. Hervorstechend ist die durchdachte und ästhetische Gestaltung der Oberflächen. Decken und Wände wurden in samtig-feinem Sichtbeton ausgeführt, sehr gut passend zum hellen (und leicht zu reinigenden) Fliesenbelag am Boden.
Teppichbodenbeläge gibt es jeweils nur am Betteinstieg sowie an der Wand zum Bad. Auf Anstriche, die immer wieder erneuert werden müssen, wurde konsequent verzichtet.
Prägend für die Zimmer sind aber auch die originellen Lösungen zur Raumnutzung. Bei 15 Quadratmeter Raumgröße ist kein Platz für zusätzliche Schreib­tische, Sessel und Sofas. Dafür gibt es mehrere leicht verschiebbare Polsterhocker, die zugleich als Sitzmöglichkeit, Beistelltisch und Fußauflage dienen, sowie eine Polsterauflage auf dem breiten Fensterbrett. Sich mit weichen Kissen dort niederzulassen ist nicht nur sehr bequem, es eröffnet auch neue Perspektiven – ins Zimmer genauso wie auch nach außen ins Werksviertel. Umgekehrt sorgen die großzügig bemessenen Fenster für lichtdurchflutete, freundliche Hotelzimmer.
Mitte Juni ist in der Lobby nur einer der drei Empfangstresen besetzt, die bequemen Loungemöbel sind weitgehend frei, und am Abend sind nur wenige Zimmer hell erleuchtet. Wenn die Corona-Pandemie jedoch eines Tages überstanden ist, die Clubs wieder voll und das Konzerthaus eröffnet sind, spätestens dann wird dieses Gambino Hotel mit ziemlicher Sicherheit eine Glanzzeit erleben. Dank des überaus gelungenen Miteinanders von erstklassiger Lage, moderatem Preis und feinsinniger Gestaltung.