Frankfurt am Main So will die Stadt aus dem Coronatief kommen

City- und Stadtmarketing-Leiter Eduard Singer treibt die Erholung Frankfurts voran. © Bernd Kammerer

Mit seinem hohen Anteil an internationalen wie auch an Business- und Mice-Gästen gilt Frankfurt am Main als einer der größten touristischen Verlierer der Coronapandemie in Deutschland. Dass sich die Mainmetropole jetzt aus dem Tief herausbewegt, hat sie nicht zuletzt ihrem engagierten City- und Tourismusmarketing zu verdanken.

Der Schock für Frankfurt im März 2020 war enorm: Der Flughafen gespenstisch leer, Business-Reisende im Homeoffice, das Mice-Geschäft und die Messe am Boden, touristische Reisen untersagt. So hatten sich die Investoren der zahlreichen neuen Hotels im messenahen Europaviertel oder im Quartier Gateway Gardens am Flughafen, aber auch die Mieter des erst im Herbst 2018 eröffneten Touristenmagnets Neue Altstadt die Zukunft gewiss nicht vorgestellt.

2019 zählte Frankfurt laut Tourismus+Congress GmbH (TCF) noch fast elf Millionen Übernachtungen und 68 Millionen Tagesreisen. Damit generierte die Stadt aus dem Tourismus einen Gesamtumsatz von fünf Milliarden Euro. Die Branche brachte der Stadt 470 Millionen Euro an Mehrwert- und Einkommenssteuer. 71.000 Menschen lebten in Frankfurt unmittelbar vom Tourismus. 308 Hotelbetriebe stellten insgesamt 59.506 Betten zur Verfügung. Das Verhältnis des Business- und Mice-Aufkommens zu Leisure lag bei 67 Prozent zu 33 Prozent. 2019 fanden an 235 Veranstaltungsstätten 108.173 Veranstaltungen mit 5,75 Millionen Teilnehmern statt. Die wichtigsten Quellmärkte für dieses Mice-Segment waren Großbritannien, die USA, und die Schweiz. Die treibenden Branchen sind Banken, Chemie/Pharma, EDV/IT, Immobilien, Kommunikation, Medizin und Logistik. Lockdowns und Reiseverbote führten im Vergleich 2019/2020 zu einem Rückgang der Gästezahlen von 6,2 auf 2,2 Millionen, das entspricht einem Minus von 65 Prozent. Bei Übersee-Gästen sind die Zahlen sogar um 72 Prozent eingebrochen. Bei den Übernachtungen ergab sich ein Minus von 62,1 Prozent.

Schließungen und vage Zukunft

Der Rückgang der Gästezahlen blieb für die Hotellerie nicht folgenlos: Im Oktober 2020 schloss die Unternehmensgruppe Prinz von Hessen ihr frisch renoviertes Grandhotel Hessischer Hof; im Juli 2021 verkündeten die Flemings Hotels, drei ihrer Häuser in der Stadt einem anderen Nutzungszweck zuzuführen; das Intercontinental Hotel bleibt bis 2025 wegen Renovierungen geschlossen. Von 308 Beherbergungsbetrieben waren im August 2021 nur noch 265 geöffnet. "Einige Häuser stehen vor der Wiedereröffnung, bei anderen ist die Zukunft unklar. Manche warten auf Messegäste, alle beklagen den Fachkräftemangel", begründet dies Eduard M. Singer, viele Jahre General Manager, darunter IHG Hotels und Grandhotel Hessischer Hof, sowie Vorsitzender des Dehoga Frankfurt.

Seit Oktober 2020 ist Singer als Leiter des City- und Stadtteilmarketings bei der Stadt Frankfurt beschäftigt. "Meiner Meinung nach werden es vor allem Hotels im Mittelklassesegment schwer haben, die kein starkes, für die Gäste erkennbares, eigenes Profil besitzen. Hier wird wohl eine weitere Marktbereinigung stattfinden. Chancen sehe ich für smarte Hotelkonzepte, die sich insbesondere durch Mut und Visionen, globale Marketing- und Vertriebsstärke, Digitalisierung, Location, Zeitgeist und Urbanität, Mitarbeiterwertschätzung, Arbeitszeitflexibilisierung, Nachhaltigkeit und Qualität positionieren."

Der Branche verbunden

Singers Wechsel in das Citymanagement hatte vielerlei Gründe: "In erster Linie war es die neue Herausforderung", sagt er. Mit seiner langjährigen Erfahrung in Hotellerie und Tourismus, seinem Netzwerk und seiner starken Motivation wolle er dazu beitragen, die Potenziale der Frankfurter City zu entwickeln und auszuschöpfen. Aber auch der frustrierende Stillstand in der Hotellerie habe ihn veranlasst, die Seiten zu wechseln. "Schwierige Themen wie der Fachkräftemangel und dessen Ursachen werden nicht ausreichend konsequent angegangen", bedauert er. "Ich fühle mich der Branche sehr verbunden und hoffe sehr, dass es ihr gelingt, sich eine starke Identität zu schaffen und ein von Werten, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit geprägtes Image aufzubauen, kurz: den Aufbruch zu einem aktiven und nachhaltigen Handeln zu meistern."

Seine Abteilung existiert seit zwei Jahren und versteht sich als Kümmerer mit dem Kapital der Verwaltungs- und Politiknähe, engen Beziehungen zu den städtischen Gesellschaften sowie verschiedenen Akteuren. Zu ihren Aufgaben zählen etwa das Veranstalten lokaler Events wie der Bahnhofsviertelnacht oder des Tags der offenen Tür im Rathaus Römer. Das City- und Stadtteilmarketing unterstützt aber auch Projekte anderer Akteure, darunter die Kampagnen Frankfurt Re-Start der Wirtschaftsförderung Frankfurt oder Main-Viertel des Dachverbands der Frankfurter Gewerbevereine. Außerdem koordiniert die Abteilung diverse Recovering-Maßnahmen wie den Sommer in der Stadt oder den Street-food-Freiluftmarkt auf dem Börsenplatz. Die Mitwirkung beim Bewerben um Mittel aus Förderprogrammen zählt ebenso zu ihren Aufgaben wie das Initiieren partizipativer Prozesse. Aktuell leitet sie beispielsweise einen Prozess mit dem Titel Erlebnis-City Frankfurt am Main, in dem ein Entwicklungskonzept für die Innenstadt entsteht.

"Zeitgleich zur Gründung der Abteilung City- und Stadtteilmarketing hat Frankfurt den Runden Tisch City- und Stadtteilmarketing initiiert, wo sich zentrale Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung, Kammern und Verbänden zu bestimmten Themenschwerpunkten der Stadtentwicklung verständigen. Den Vorsitz hat Oberbürgermeister Peter Feldmann", erläutert Singer. Die Pandemie hat den Transformationsdruck auf alle Innenstädte, nicht nur auf Frankfurt, erhöht. Die Bedeutung von City-Managern wächst. Innenstädte von morgen müssen ein neues Zusammenspiel aus Wohnen, Arbeiten, Kultur, Freizeit und Konsum finden. Frankfurt hat daher die Marketingsäulen Citymarketing, Tourismusmarketing und
Standortmarketing sehr eng verzahnt.

Masterplan für Tourismus

Singers Team sowie die ebenfalls städtische TCF unter Leitung von Thomas Feda setzen sich mit vereinten Kräften für die schnelle Erholung des Frankfurter Marktes ein. Die TCF verantwortet das nationale und internationale Tourismus- und Kongressmarketing und veranstaltet außerdem die städtischen Volksfeste und Großveranstaltungen. Mit dem Masterplan Tourismus 2030 erarbeitete und präsentierte sie bereits vor der Pandemie Strategien für den Tourismus in Frankfurt. Darunter auch das Ziel, bis 2030 zu den zehn beliebtesten Kunst- und Kulturmetropolen Europas zu zählen. "Thomas Feda und ich telefonieren mehrmals in der Woche miteinander und sehen uns, je nach Projekt, sehr oft. Die Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung", unterstreicht Singer.

Unter Mitwirkung der TCF positionierte sich Frankfurt in den vergangenen Jahren zunehmend attraktiver für Leisure-Gäste. Zudem mauserte die Stadt sich unter anderem dank ihrer zahlreichen Instagram-tauglichen Plätze zum Hot-Spot für eine junge, urbane Zielgruppe. "Wir nutzen in der Vermarktung das gesamte Potenzial der Stadt: Veranstaltungen, klassische Feste wie das Museumsuferfest, ausdifferenzierte Angebote für Leisure-Tourists, große Ausstellungen." Singers und Fedas Entwicklungsziele aus dem Masterplan 2030 sind vor allem qualitativer Natur, aber auch quantitativ wollen sie so schnell wie möglich zurück in die Erfolgsspur und die Übernachtungszahlen bis 2025 wieder auf das Niveau von 2019 steigern.

7.000 weitere Zimmer

Selbst wenn dies gelingt, bleibt es für die Hotellerie eng. Denn neben den vorhandenen Häusern stehen laut einer TCF-Liste in nächster Zeit 29 Hotelprojekte und -eröffnungen mit rund 7.000 Zimmern an, überwiegend im Bereich First Class und Luxus. In diesem Jahr gingen in der Innenstadt bereits das 431-Zimmer Meliá Hotel und das 215-Zimmer Ruby Louise an den Start. Im August 2021 zeigte die Bettenauslastung mit 31,5 Prozent wieder klar nach oben. Wirtschaftlich erfolgreich sind Hotels in Frankfurt damit aber nicht zu betreiben. Insgesamt wurden von Januar bis August 2.078.526 Übernachtungen gezählt, ein Rückgang von 32,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die durchschnittliche Verweildauer stieg von 1,84 auf 2,05 Tage. Aktuell stammen noch rund 70 Prozent der Gäste aus dem Inland, rund 30 Prozent aus dem Ausland. Vor Corona war das Verhältnis etwa ausgeglichen.

Thomas Feda: "Die Buchungsdynamik bewegt sich wieder in Richtung eines höheren Anteils internationaler Gäste, und die steigenden Übernachtungszahlen stimmen uns optimistisch für die kommenden Monate. Wir freuen uns, dass unsere touristischen Restart-Maßnahmen in den nationalen und internationalen Märkten Wirkung zeigen. Entscheidend für ein weiteres Wachstum der Übernachtungszahlen ist der Impffortschritt in den Quellmärkten und im Binnenmarkt, gemeinsam mit einer niedrigen Infektionslage."