Das Mainzer Unternehmen Bluecontec begleitet Unternehmen seit mehr als 20 Jahren auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz, geringeren Energiekosten und weniger CO2-Emissionen. Im Hotel+Technik-Interview berichtet Berater Torsten Merker, welche Maßnahmen jetzt genau auf der To-do-Liste von Hoteliers stehen sollten.Hotel+Technik: Herr Merker, die explodierenden Energiepreise belasten die gesamte Gesellschaft. Was jedoch bedeuten sie speziell für Hotelunternehmen?Torsten Merker: Die anteiligen Energiekosten, die je nach Ausstattung und Effizienzlevel der Häuser stark variieren, haben sich seit 2019 häufig verdoppelt. Bei Hotelunternehmen, in denen sie einen besonders hohen Anteil in der Kostenstruktur haben, geht es jetzt mitunter ums nackte Überleben. Die Kalkulation der im Optimalfall bereits langfristig zuvor verkauften Zimmer passt plötzlich nicht mehr. Jetzt kommt es darauf an, Wege zu finden, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.Sie sind unter anderem auf die Branche Hotellerie spezialisiert. Wo sehen Sie die größten Stellschrauben, um der Problematik entgegenzuwirken?
Es ist schwierig, hier allgemeine Aussagen zu treffen, dafür gibt es zu viele jeweils individuelle Faktoren, die Maßnahmen beeinflussen. Es gibt also keinen allgemeingültigen Masterplan. Eines unserer Kerngebiete sind Energieaudits nach DIN EN 16247, bei denen wir einen Betrieb ganzheitlich energetisch durchleuchten, analysieren und Empfehlungen aussprechen, wie Energie eingespart werden kann (siehe Grafik Seite 11). Dabei werden die Energieflüsse bis hin zum letzten Leuchtmittel sichtbar gemacht. Es wird also die Frage beantwortet, wofür wie viel Energie verbraucht wird. Hier liegt häufig auch der größte Hebel. Wer weiß, was energetisch in seinem Betrieb passiert, sieht häufig schnell, wo viel verbraucht wird und kann entsprechend priorisiert handeln. Auf die derzeit steigenden und vermutlich noch länger auf hohem Niveau verbleibenden Preise können Hoteliers kurzfristig nur mit Sparen reagieren – möglichst so, dass es mit den Ansprüchen der Gäste und den Herausforderungen des Alltags harmoniert.
Wie viel Potenzial ist den vorhanden?
Die Einsparpotenziale sind oft viel höher als erwartet. Die empfohlenen Maßnahmen unserer Energieaudits ergeben meist Einsparpotenziale von 30 Prozent des Gesamtenergiebedarfs und mehr. Größeren Investitionen wird häufig kritisch gegenübergestanden. Aber auch die Amortisationszeiten sind oft kürzer als erwartet, und es gilt: Je höher die Energiepreise, desto schneller ist die Amortisation erreicht, wobei gegenwärtig allerdings auch die Preise für Anlagen und Installation immer weiter in die Höhe schießen. Größere Umbauten sind derzeit auch deshalb meist nicht schnell umsetzbar, da Handwerker und Monteure voll ausgelastet sind.
Was empfehlen Sie Hoteliers in der momentanen Situation – welche Vorgehensweise, welche Maßnahmen?
Auf jeden Fall hilfreich dürfte der Blick in die Checkliste der "Dehoga Energiekampagne" sein, an der Bluecontec mitgewirkt hat. Der Titel: "20 Top-Maßnahmen zur schnellen Senkung Ihrer Energiekosten". Darüber hinaus gibt es viele Dinge, die mit vergleichsweise geringen Investitionen hohe Einsparungen ergeben können. Beispiel Beleuchtung: Alles auf LED umzustellen ist ein alter Hut, aber nach wie vor fast auf jeder unserer Empfehlungslisten zu finden. Hoteliers sollten jetzt auch die letzten Leuchtstoffröhren austauschen. Bis zu 70 Prozent Ersparnis sind hier drin!
Geben Sie uns gern mehr Beispiele …
Ratsam sind das Überprüfen des Heizungssystems und der hydraulische Abgleich. Neue Verordnungen der Bundesregierung schreiben das jetzt teils sogar vor: Wird zur Wärmeerzeugung Erdgas genutzt, sind Gebäudeeigentümer verpflichtet, eine Heizungsprüfung durchzuführen und die Anlage, wenn nötig, bis Mitte September 2024 optimieren zu lassen. Es sei denn, sie agieren ohnehin bereits im Rahmen eines standardisierten Energie- oder Umweltmanagementsystems beziehungsweise mit Gebäudeautomation. Ab 1.000 Quadratmeter beheizter Fläche ist der hydraulische Abgleich der Heizungsanlage vorgeschrieben. Zudem sollten Heizleitungen, sofern noch nicht schon geschehen, unbedingt gedämmt werden. Darüber hinaus bringt ein Absenken der Raumtemperatur fünf bis sechs Prozent Ersparnis pro Grad. Im Bereich Heizungsanlage werden momentan viele Maßnahmen gefördert. Es lohnt sich, sich hier zu informieren, beispielsweise auf der Webseite des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), unter dem Stichwort Heizungsoptimierung.
Was sind Ihre Tipps rund um das Thema Kühlung?
Jeder Koch kennt eigentlich die nötigen Maßnahmen, beispielsweise kaputte Dichtungen und Schlösser an den Kühlgeräten zu vermeiden. Oder die Temperaturen an die vorgegebenen HACCP-Mindesttemperaturen anzupassen – nicht mehr und nicht weniger. Jedes Grad, das man weniger kühlt, spart fünf bis sechs Prozent Energie ein. Ebenfalls auf der To-do-Liste sollten unter anderem das regelmäßige Enteisen sowie Reinigen der Wärmetauscher stehen. Auch sollten die Lüftungsgitter unbedingt frei bleiben.
Damit klingt an, dass auch das Verhalten und die Gewohnheiten des Teams eine Rolle spielen. Welche Ansatzpunkte ergeben sich hier?
Oft erleben wir, dass Dinge einfach so gemacht werden, weil es schon immer so war. Hier gilt es zu hinterfragen, die eigene Mannschaft zu motivieren und ihr Know-how zu nutzen. Die Mitarbeitenden haben aus ihrer Erfahrung heraus Erkenntnisse, in welchen Bereichen am ehesten gespart werden kann. Hotelchefs sollten das zumindest abfragen und überprüfen beziehungsweise das Energiesparen zu einem Betriebsthema machen.
Wann sollte ein Hotelier Experten zur Beratung einbeziehen?
Bei größeren Projekten ist es ratsam, sich an einen Energieberater zu wenden. Die Wärmepumpe, Photovoltaik- oder sonstige Heizungsanlage muss sinnvoll berechnet und dimensioniert sein. Eine Begleitung sowie Wartung über die Nutzungsdauer der Anlagen sind ebenso empfehlenswert. Oft ändert sich nach der Installation an der Einstellung einer Anlage nichts mehr. Eine Überprüfung und Anpassung können jedoch enorme Einsparungen bewirken.
www.energiekampagne-gastgewerbe.dewww.bafa.de
Von Stefanie Hütz
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