Energiekrise Einspar­poten­ziale finden – Versorgung sichern

Die Situation auf dem Energiemarkt bleibt angespannt und volatil. Wie reagiert die Hotellerie auf diese neuerliche Krise? Besorgt, aber gleichzeitig engagiert und kreativ, wie Hoteliers aus Bayern, Niedersachsen und Thüringen ­schildern. Auch gibt es durchaus Stellschrauben, um den steigenden ­Energiepreisen entgegenzuwirken. Experten ­zeigen ­Maßnahmen, die sich – auch kurzfristig – lohnen, um die Energieeffizienz zu steigern. Vor 20 Jahren übernahm Unternehmensberater Wolfgang Kanig das Ringberg Hotel im thüringischen Suhl. Mit knapp 300 Zimmern und 24.000 Quadratmetern Nutzfläche lebt es vor allem von großen Veranstaltungen – schon die Coronapandemie war insofern eine besonders herausfordernde Zeit. Jetzt kommt die Energiekrise hinzu. Ab 1. Januar 2023 gelten neue Verträge. Zahlte das Ringberg Hotel zuletzt jährlich 390.000 Euro für Strom, Gas und Wasser, werden laut Hochrechnung künftig 950.000 Euro auf der Rechnung stehen. "Wie wir das stemmen sollen, weiß ich noch nicht", sagt der eigentlich stets optimistische Unternehmer, der seit Beginn seiner Hoteliers-Tätigkeit permanent in Energieeffizienz-Maßnahmen investiert hat und sich gut aufgestellt sah. LED-Beleuchtung, ­Fassadendämmung, Pufferspeicher zur Wassererwärmung in der Schwimmhalle, Energiewächter in allen Zimmern, modernisierte Kühltechnik – all das ist längst umgesetzt.
Wolken über dem Ringberg Hotel im thüringischen Suhl: Trotz eines hohen Energieeffizienz-Levels kämpft das Management mit
den steigenden Energiekosten.
"Jetzt denken wir darüber nach, die drei Blockheizkraftwerke auf Flüssiggas umzustellen, was jedoch eine Frage der Verfügbarkeit ist, sowie die Parkplätze zu überdachen und mit Solarpanels auszustatten." Das bedeutet jedoch: weitere Investitionen. Hoffentlich wohlwollende Banktermine sind bereits vereinbart, und mit dem "Gaspreisdeckel", dessen Ausgestaltung bei Redaktionsschluss noch nicht feststand, gibt es ein wenig Licht am Horizont. "Auch wenn es schmerzt", hat Wolfgang Kanig dennoch sicherheitshalber einen Energiezuschlag von fünf Euro pro Gast und Aufenthalt eingeführt, Kinder unter sechs Jahren sind ausgenommen. Auch das "The Hearts Hotel" im niedersächsischen Braunlage, das mit jährlichen Mehrkosten für Energie in Höhe von 200.000 Euro rechnet, hat eine Energiepauschale bei Zimmerbuchung von drei Euro pro Nacht und Gast gestartet. "Insbesondere für die Wintermonate müssen wir aufgrund der Preise am Strom- und Gasmarkt sowie der generell anhaltenden Inflation mit erheblichen Verlusten rechnen. Spätestens im März wären demnach alle Rücklagen aufgebraucht und der ansonsten kerngesunde Betrieb pleite", rechtfertigt Hotelier Meik Lindberg die Maßnahme. "Nach Bekanntwerden des Abwehrschirms der Bundesregierung und in der Hoffnung, dass die Energiemehrkosten dadurch deutlich sinken, haben wir die zuvor auf fünf Euro kalkulierte Pauschale direkt um zwei Euro reduziert", so Lindberg, der auch zukünftig transparent und unmittelbar auf die starke Preisdynamik reagieren will.
Zur Sicherung der kuscheligen Atmosphäre hat das The Hearts Hotel in Braunlage eine Energiepauschale eingeführt.
Generell findet Lindberg immer neue Wege, um Kosten einzusparen. Beispielsweise hat er mit "The Outdoor Kitchen" das Restaurant in den Sommermonaten nach draußen verlegt – mit Adventure-Feeling und Erlebnischarakter wurde über einer Feuerstelle gekocht. Markante Einsparungen sollen "die Umstellung auf Flüssiggas noch in diesem Jahr, konsequente Schulungen der Mitarbeiter sowie energetische Umbaumaßnahmen" bringen. Die Erwartungen des Hoteliers an die Politik bleiben parallel dazu hoch: "Wir brauchen klare, verbindliche Regelungen und Hilfen ohne bürokratische Hürden.

Energiepauschalen und angepasste ­Zimmerpreise

Spa- und Wellnesshotels sind naturgemäß besonders betroffen. Das Hotel Victory Therme Erding mit 128 Zimmern ist an die größte Therme der Welt angebunden. Es gilt, 185.000 Quadratmeter Fläche wirtschaftlich zu betreiben. "Wir rechnen allein für das Hotel mit Zusatzkosten im sechsstelligen Bereich, bei der Therme werden sie siebenstellig sein", berichtet Hoteldirektor Jens Bernitzky. Die Gegenmaßnahmen: "Dank einer guten und langfristig ausgelegten Revenue-Management-Strategie und einer derzeitigen Nachfrage auf Vor-Corona-Niveau können wir die zu erwartenden Mehrkosten für Energie, aber auch für die gestiegenen Löhne einigermaßen über die angepassten Zimmerpreise ausgleichen. Doch wie weit werden die Energiepreise noch steigen? Wo liegt bei Zimmer- und Eintrittspreisen die Schwelle, ab der die Gäste nicht mehr kommen?"
In der Wellenlagune des Hotel Victory Therme Erding wurde die Wassertemperatur um 2 Grad gesenkt.
Fragen wie diese treiben das Team in Erding um. Bernitzky möchte möglichst nicht beim Angebot sparen oder die Wassertemperaturen senken. Wobei diese im letzten Sommer – der bekanntlich heiß war – tatsächlich schon einmal um zwei Grad heruntergefahren wurden, "und niemand hat es gemerkt", so der Hotelier. Zum Glück hat Gas am Gesamtenergieverbrauch des Hotels Victory und der Therme Erding nur einen Anteil von etwas mehr als 30 Prozent. Dank einer Thermalquelle mit rund 60 Grad heißem Wasser kann Geothermie-Energie genutzt werden. Blockheizkraftwerke, Wärme- und Kälterückgewinnungsanlagen kommen seit langem zum Einsatz. "Wir analysieren darüber hinaus sehr genau, wo wir durch noch intelligentere zeitliche Steuerung von großen Verbrauchern, darunter die Klimaanlagen, den Verbrauch weiter reduzieren können", erläutert Bernitzky und kündigt zudem eine größere Investition an: 11.000 Quadratmeter Photovoltaik sind für das Hotel in Planung, 30 Prozent des Strombedarfs will er damit decken.

Ratgeber

Das Informationsangebot der „Dehoga Energiekampagne“ hält zahlreiche Handlungsempfehlungen bereit. Es reicht von den "20 Top-Maßnahmen zur schnellen Senkung Ihrer Energiekosten" über eine Fallbeispiele-Datenbank, einen Energiecheck und Wirtschaftlichkeitsrechner bis hin zum Fördermittelwegweiser. Zudem zeigt ein „virtuelles Hotel“ interaktiv an typischen Energieverbrauchsstellen auf, wo sich wie viel Energie einsparen lässt. www.energiekampagne-gastgewerbe.de Energiespartipps, noch spezifischer auf die Gastronomie ausgerichtet, hat der Beraterverband FCSI Deutschland-Österreich (Foodservice Consultants Society International) in einem kostenlosen Whitepaper zusammengefasst. Diese reichen bis hin zur Anpassung der Speisekarte. Grundsätzliche Empfehlung: Die Energiekennzahl ermitteln. Dafür dividiert man den Gesamtverbrauch in kWh aus der letzten Jahresabrechnung durch die Gesamtfläche des Hotelrestaurants in Quadratmetern (Produktion, Toiletten, Gastraum). Der Wert sollte laut FSCI zwischen 230 und 300 kWh pro Quadratmeter und Jahr liegen. Liegt er darüber, gebe es deutliches Einsparpotenzial. www.fcsi.de
Auch das Bilderberg Bellevue Hotel Dresden hat sich zu diesem Investment entschlossen. Die gesamte Fläche der Flachdächer auf Ost- und Westflügel wird dazu genutzt. Zuvor werden diese saniert und mit neuer Dämmung ausgestattet. "Energie sparen ist schon seit Jahren Bestandteil unseres Tagesgeschäfts", so General Manager Sebastian Klink. "Aufgrund der gestiegenen Kosten ist es jetzt aber notwendig, besondere Maßnahmen einzuleiten."
Blick in die Zukunft: So werden die Flachdächer des Bilderberg Bellevue Hotel Dresden aussehen, wenn der Dienstleister Solarwatt die geplanten 992 Solarmodule installiert hat.
992 Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 401,76 Kilowattpeak werden installiert, wobei laut der angestellten Berechnungen mehr als 94 Prozent des erzeugten Solarstroms direkt vom Hotel verbraucht werden. "Unser jährlicher Strombedarf beläuft sich auf 1.700.000 kWh. Die mit Abstand größten Energieverbraucher im Haus sind die Aufzüge, die Heißluftöfen in der Küche sowie die Klimaanlage. Hier können wir in Zukunft einen signifikanten Teil der Energie über die Photovoltaikanlage speisen", so Sebastian Klink erfreut.

Lohnend: Photovoltaik und ganzheitliches Agieren

"In Investitionen für einen möglichst hohen Autarkie­grad liegen die größten Stellschrauben, um steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken und gleichzeitig die Versorgung so gut es geht zu sichern", bestätigt Matthias Kodal, Leiter Energieeffizienz & Fördermittelbeschaffung bei Green Aktiv in München. "Zu den relevanten Maßnahmen gehören Umstellungen in der Wärmeerzeugung für Heizung und Trinkwarmwasser, energetische Verbesserungen an der Gebäudehülle wie Fassade, Dach, Fenster und Türen sowie die Eigenversorgung des Strombedarfs über Photovoltaik." Holk Schubert, Prokurist beim BFE Institut für Energie und Umwelt in Mühlhausen macht zudem darauf aufmerksam, dass Photovoltaik (PV) für rund 25 Jahre grünen Strom zum gleichbleibend günstigen Preis ohne Abhängigkeiten liefert. "Bei den derzeitigen Strompreisen kann sich eine PV-Anlage je nach verfügbarer Fläche schon in unter acht Jahren amortisieren und lohnt sich fast immer", so Schubert. "Und für Hotels, die sich in einem gemieteten oder gepachteten Gebäude befinden, sind langfristige Stromliefervereinbarungen (PPAs, Power Purchase Agreements) eine Möglichkeit, ebenfalls Photovoltaik zu nutzen." Der erste Schritt zu mehr Energieeffizienz sollte allerdings immer darin bestehen, Transparenz über die Verbräuche zu schaffen, legt Schubert nahe. Dann stellt sich die Frage: Wie viel ist zu viel Energie? "Fünf Prozent des Jahresumsatzes, das war bislang die Daumenregel für den Anteil der Energiekosten, derzeit reicht das aber sicher nicht aus", so der Experte. Laut dem "Bundesweiten Energieeffizienz-Berater-Netzwerk" gliedert sich der Bedarf der Hotellerie durchschnittlich zu 30 Prozent in Heizwärme, 17 Prozent Warmwasser, 15 Prozent Kühlung und zwölf Prozent Beleuchtung. Oder anders ausgedrückt: 70 Prozent gehen zu Lasten der Wärmeerzeugung und 30 Prozent zu Lasten von elektrischer Energie. "Wir empfehlen zunächst jedem Betrieb ein energetisches Gutachten, die sogenannte Auditierung nach DIN EN 16247", rät Matthias Kodal von Green Aktiv. "Hierin werden sämtliche energetischen Verbraucher eines Unternehmens bewertet und anschließend individuelle Optimierungsinvestitionen vorgeschlagen." Und zwar inklusive möglicher Förderungen, von denen es gegenwärtig eine ganze Reihe gibt. www.energieeffizienz-im-betrieb.net

Dieser Beitrag könnte Sie auch interessieren:

Torsten Merker ist Berater bei Bluecontec.
Energiekrise: "Energiesparen zum Betriebsthema machen" Das Mainzer Unternehmen Bluecontec begleitet Unternehmen seit mehr als 20 Jahren auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz, geringeren Energiekosten und weniger CO2-Emissionen. Im Hotel+Technik-Interview berichtet ­Berater Torsten Merker, welche Maßnahmen jetzt ­genau auf der To-do-Liste von ­Hoteliers stehen sollten. Jetzt lesen!