Eltahmash Israr "Zeitlos mit 10 bis 15 Prozent Highlights"

Eltahmash Israr Zitatbild
Der promovierte Neurobiologe Eltahmash Israr gründete 1997 zusammen mit seinem Bruder Babur Shah Israr das Innenarchitektur-Studio Roc. D. © Roc. D; Stephan Offermann

Eltahmash Israr, Gründer und Geschäftsführer von Roc. D, ist Neurobiologe und Interior Designer. Im Interview erläutert er, welchen Komfort er für unverzichtbar hält, und warum Touch-Bedienung nicht immer die beste Lösung ist.
Tophotel: Herr Israr, bei der Konzeption Ihrer Interior Designs stellen Sie die Menschen in den Fokus. Was können Hotel-Einrichter davon lernen?
Eltahmash Israr: Es gibt eine Menge cooler Design-Konzepte, Tendenz steigend. Dabei gerät aus meiner Sicht jedoch mitunter die Funktionalität zu sehr in den Hintergrund. Die Gäste möchten, so beobachte ich es immer wieder, zugunsten der Optik nicht auf Annehmlichkeiten verzichten. Sie möchten den Koffer abstellen und selbst bei kurzen Aufenthalten auspacken; eine reine Kleiderstange ist da eher kontraproduktiv.
Sie möchten sich auch bequem hinsetzen können oder die Zentralschaltung am Bett haben, sodass sie nicht aufstehen müssen, um das Licht zu löschen. Gäste schätzen Privatsphäre, um sich auch ohne T-Shirt entspannt im Raum bewegen zu können, der natürlich nicht komplett einsehbar sein sollte.
Welches sind weitere Faktoren, die für die Gäste von großer Bedeutung sind?
Bettkomfort ist ein weiterer Aspekt von hoher Bedeutung. Warum beispielsweise nicht Matratzen mit zwei Härtegraden anbieten, die sich wenden lassen? Oder wie oft kommt es vor, dass man das Bad beim Duschen gleich komplett unter Wasser setzt? Ich finde: zu oft. Die Fliesen sollten trotz aller Style-Ansprüche zudem rutschfest sein. Und was nützen Armaturen, die sich über Touch bedienen lassen, wenn die meisten Menschen nach dem Hebel suchen?
Ein weiteres Beispiel ist folgendes: Lobbys werden immer häufiger als Open Spaces gestaltet, sollten aber zugleich gut geführt sein, damit die Gäste nicht nach der Rezeption suchen müssen. Verständliche Konzepte sind gefragt. Zugleich muss der Komfort-Aspekt in starkem Maße Berücksichtigung finden, ohne dass wiederum die Ästhetik darunter leidet. Für meine Arbeit gilt daher: Ich versuche immer, das Maximale an Funktion und Design für den Gast herauszuholen, selbst wenn die Budgetvorgaben streng sind.
Kommt bei Ihrer Antwort der Neurobiologe zum Vorschein?
Ja, für mich steht definitiv der Mensch im Vordergrund. Ich habe zwei Leidenschaften, und dazu zählt auch die wissenschaftliche Ader. Ich war acht Jahre lang als Dozent an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main tätig, bevor ich mich ganz auf Roc. D konzentriert habe. Bevor ich einen Stift in die Hand nehme und Entwürfe zeichne, steht immer ein langer Gedankenprozess: Wer sind die Gäste? Welche Ansprüche haben sie? Womit kann ich sie positiv überraschen? Wie erziele ich eine Unverwechselbarkeit, mit der sie sich sofort identifizieren? Diese Fragen stelle ich mir und durchstreife im Vorfeld intensiv das Umfeld des Standorts, analysiere auch die Konkurrenz-Situation. Daraus ergibt sich ein Korsett an Facts, die die Grundlage des Gestaltungsprozesses bilden.
Trend ist, dass es keinen gibt, heißt es immer öfter – ein Satz, den Sie unterschreiben können?
Es gab eine starke Phase des Nüchtern-Kühlen. Die nordisch-klare Designströmung war angesagt, daneben aber auch das Mediterrane, Warme, mit vielen Erdtönen. Aktuell hält zunehmend die asiatische Designphilosophie Einzug. In puncto Materialien sind Holz beziehungsweise Holzoptiken im Kommen, oftmals im Mix mit Glas, Rauchglas und Verspiegelungen. Nach dem vielen Grau, Greige und Beige sind stärkere Farben präsenter, darunter Rot und Orange. Das hat sicher auch mit der Coronapandemie zu tun. Die Menschen sind müde, die Psyche hat hier einen starken Einfluss. Und Farbe steht für Lebensfreude.
Wie gehen Sie selbst mit Trends um?
Ich persönlich behalte meine Vorgehensweise bei, die auf ein zeitloses Grundkonzept setzt, das zu etwa zehn bis 15 Prozent durch Farbakzente und Highlights bereichert wird. Es sei denn, der Auftraggeber wünscht ausdrücklich den absoluten Wow-Effekt.
Stichwort Corona: Gibt es weitere Veränderungen, die auf Pandemie-Folgen zurückzuführen sind?
Das Bewusstsein für Hygiene wird sicherlich bleiben, kontaktlose Lösungen werden zunehmen. Gleichzeitig vermissen die Gäste Menschen. Aktuell sind vielerorts immer noch recht leere Lobbys anzutreffen. Kein schöner Anblick, keine gute Stimmung.
Wir kreieren daher Empfangsräume, die sowohl zwanglosen Kontakt ermöglichen als auch Rückzugsmöglichkeiten mittels Nischen bieten.
Stichworte Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Welchen Blick haben Sie auf diese beiden Themen?
Ein klares "Ja" sage ich zur Digitalisierung. Wobei dabei immer die Balance gehalten werden sollte zwischen den technikaffinen und den in dieser Hinsicht eher unerfahrenen Menschen. Es kommt sehr genau auf die Berücksichtigung der Zielgruppen an.
Manche Gäste möchten beispielsweise auch am Bett keine Technik und nachts kein WLAN. Das sollte man mit im Auge behalten. Die Möglichkeit, am Restauranttisch das Handy zu laden, dürfte hingegen mehrheitsfähig sein. Nachhaltigkeit ist ebenfalls sehr wichtig. Wir achten definitiv auf Ressourceneffizienz und den Einsatz nachhaltiger, zunehmend auch recycelter Materialien. Ökobeton oder wasserlösliche Lacke sind nur zwei Beispiele.
Wenn gerade kein größerer Um- oder Neubau geplant ist: Was können oder sollten Hoteliers zur Attraktivitätssteigerung unternehmen?
Wenn schon mit bloßem Auge der Abnutzungsgrad erkennbar ist und man die "Macken" sofort sieht, hilft nur noch ein neues Konzept. Abseits davon lässt sich mit Farbe, Wandbekleidungen, Dekostoffen, dem Austausch von Lampen oder der Kunst – also mit vergleichsweise kleinen Investitionen – bereits viel erreichen. Die Möglichkeiten werden sogar unterschätzt. Und das Gute ist, dass alles während des operativen Betriebs stattfinden kann.


Über Roc. D

Das Designbüro Roc. D wurde 1997 von Neurobiologe Eltahmash Israr und seinem Bruder, Diplom-Informatiker Babur Shah Israr, gegründet. Eltahmash Israr verantwortet das Design, sein Bruder Technik, IT und Finanzen. Das Kürzel Roc. D steht für "Republic of Contemporary Design": Eine zeitlose wie nachhaltige Ästhetik ist die DNA des Unternehmens mit Stammsitz, Planungsbüro und Showroom in Frankfurt am Main. Roc. D hat nicht nur exklusives Interior Design im Fokus, sondern ist – unter anderem mit eigenem Montageteam – als Generalunternehmer für "löffelfertigen" Innenausbau tätig, bietet also einen 360-Grad-Innenarchitektur-Service, der bis hin zum Teelöffel reicht. Alles wird aus einer Hand geliefert und umgesetzt. Zu Roc. D gehört auch die Werbeagentur Agonist, die Kommunikationskonzepte von Branding bis Website erstellt.


 
Interview: Stefanie Hütz