Drittes Entlastungspaket Die Maßnahmen im Überblick

Banknoten in der Währung Euro
Die Ampel-Koalition hat sich auf ein drittes Entlastungspaket im Umfang von etwa 65 Milliarden Euro geeinigt. © M. Schuppich - stock.adobe.com

Die Ampel-Koalition erwartet teils starke Erhöhungen der Preise für Gas und Strom in den kommenden Monaten. Mit ihrem dritten Paket plant sie daher Entlastungen. Die Maßnahmen im Überblick.

(Stand: 04.09.2022, 23:09 Uhr) Zur Abfederung steigender Lebenshaltungskosten stockt die Bundesregierung die Finanzmittel erheblich auf: Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich auf ein drittes Entlastungspaket im Umfang von etwa 65 Milliarden Euro geeinigt. Es ist damit mehr als doppelt so groß wie die ersten beiden Pakete mit ihren zusammen rund 30 Milliarden Euro. "Deutschland steht zusammen in einer schwierigen Zeit", erklärte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag bei der Vorstellung der Ergebnisse im Berliner Kanzleramt. "Wir werden als Land durch diese schwierige Zeit kommen."

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Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten etwa 18 Stunden lang bis zum Sonntagmorgen über Details verhandelt. Neben Scholz nahmen unter anderem Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) an den Beratungen teil.

Eine durchverhandelte Nacht später steht ein Paket, "von dem man durchaus sagen kann, dass es wuchtig ist", wie Lindner zufrieden anmerkt - denn das hatte er vorher ebenso wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gefordert. Grünen-Chef Omid Nouripour lobt das Werk als "substanziell und rund". Die Grünen können insbesondere auf Geld für den Nahverkehr und Unterstützung für Menschen mit wenig Geld verweisen. Der SPD sind die gezielten Entlastungen für Rentner und Studierende wichtig. Die FDP wiederum verbucht Unterstützung für Lindners neueste Steuerpläne auf der Haben-Seite.

Reaktionen

Die Reaktionen auf das Paket fielen kontrovers aus. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisierte es etwa als enttäuschend: "Die Ausweitung des Sozialstaates kann keine Antwort auf eine Kosten-Steigerung der Energiepreise auf dem Weltmarkt sein." DGB-Chefin Yasmin Fahimi bezeichnete das Paket dagegen als "insgesamt beeindruckend".

Die Maßnahmen im Überblick

Strompreisbremse: Privathaushalte sollen die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten. Für kleine und mittlere Unternehmen mit Versorgertarif soll dies auch gelten. Finanziert werden soll die Preisbremse mit Einnahmen durch eine neue Erlösobergrenze für Energieunternehmen. Zudem sollen die beim Strompreis relevanten, voraussichtlich steigenden Netzentgelte damit bezuschusst werden.

CO2-Preis: Die am 1. Januar anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne wird um ein Jahr auf 2024 verschoben, auch die Folgeschritte sollen sich verschieben. Heute liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne.

Kurzarbeit, Gastronomie, Mieter: Ein wegen des Corona-Abschwungs eingeführter erleichterter Zugang zur Kurzarbeit soll verlängert werden - ebenso die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent. Mieterinnen und Mieter sollen gegebenenfalls vor einer Überforderung durch steigende Nebenkostenvorauszahlungen geschützt werden. Strom- und Gassperren sollen vermieden werden.

Rente: Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro von der Rentenversicherung erhalten. Sie waren bei der ersten Pauschale für Berufstätige leer ausgegangen. Wegen der Steuerpflichtigkeit wirkt die Pauschale bei niedriger Rente stärker.

Studierende: Studierende und Berufsfachschülerinnen und -schüler sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Der Bund will mit den Ländern eine schnelle Auszahlung beraten.

Wohngeld: Ein weiterer Heizkostenzuschuss soll im Herbst an die Wohngeldbeziehenden gehen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt. Im Zuge der für Jahresbeginn geplanten Wohngeldreform soll er dann zur dauerhaften Komponente des Wohngelds werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden. Ende 2020 hatten laut Statistik-Amt 618.200 Haushalte Wohngeld bezogen.

Bürgergeld: Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten - etwa 500 Euro monatlich. Dies soll durch einen "Paradigmenwechsel" (Bundeskanzler Olaf Scholz) geschehen: Bei der Berechnung der Sätze soll künftig schon die zu erwartende Inflation im Jahr der Anpassung berücksichtigt werden - bisher wurden nur zurückliegende Werte angesetzt.

Midi-Jobs: Beschäftigung knapp über der Mini-Job-Schwelle mit geringeren Sozialbeiträgen soll erleichtert werden. Die sogenannten Midi-Jobs sollen künftig monatlich bei bis zu einem Verdienst von 2.000 Euro liegen können.

Steuerentlastung: 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Steuer entlasten werden. Dazu soll an Stellschrauben des Einkommensteuertarifs gedreht werden. Steuererhöhungen infolge der Inflation sollen verhindert werden. Denn durch die sogenannte kalte Progression droht vielen Menschen unter anderem, dass ihre Kaufkraft sinkt.

Kindergeld: Es soll zum 1. Januar um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind angehoben werden. Die Erhöhung soll für 2023/2024 gelten. Heute beträgt das Kindergeld jeweils 219 Euro für das erste und zweite Kind. Beim Kinderzuschlag für Familien mit niedrigem Einkommen soll der Höchstbetrag ab 1. Januar auf 250 Euro monatlich steigen.

Steuerfreie Prämie: Der Bund bietet Arbeitgebern und Beschäftigten an, dass er auf Steuern und Abgaben verzichtet, wenn Unternehmen zusätzliche Zahlungen an ihre Beschäftigten bis zu 3.000 Euro leisten.

Unternehmenshilfen: Energieintensive Unternehmen, die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, sollen mit einem neuen Programm unterstützt werden. Der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Bestehende Unternehmenshilfen unter anderem mit zinsgünstigen Krediten und erweiterten Bürgschaften sollen bis 31. Dezember verlängert werden. Geprüft werden Schritte für Unternehmen, die aufgrund von Gasmangel und hoher Energiepreise die Produktion temporär einstellen müssen.

Nahverkehr: Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein Nahverkehrsticket eingeführt werden - bundesweit nutzbar, digital buchbar, als Abo-Ticket. Preis: 49 bis 69 Euro. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro dafür zuschießen, wenn die Länder mindestens ebenso viel zahlen.

Weitere Steuerschritte: Steuerzahler sollen ab 1. Januar ihre Rentenbeiträge voll absetzen können; Renten sollen künftig in der Auszahlungsphase besteuert werden. Mit einer Senkung der Umsatzsteuer auf Gas zum 1. Oktober auf sieben Prozent soll die Gasumlage ausgeglichen werden. Die bis Ende 2022 verlängerte Homeoffice-Pauschale soll entfristet und verbessert werden.

Wo das Geld herkommen soll

Ungefähr die Hälfte, nämlich 32 Milliarden Euro, kommt laut Finanzminister Lindner aus den Bundeshaushalten des laufenden und des kommenden Jahres. Und zwar, wie er betont, ohne dass ein Nachtragshaushalt für 2022 oder die Aufweichung der Schuldenbremse, die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt, im kommenden Jahr nötig sei. Auch die Einnahmen aus der Abschöpfung von "Zufallsgewinnen" von Energieunternehmen durch extrem hohe Strompreise sollen in Entlastungen fließen. Hinzu kommen laut Lindner höhere Steuereinnahmen sowie Vorsorge, die schon im Haushalt getroffen worden sei. dpa