Zwei Jahre Corona in den Umsatzbüchern und nun fundamentale Preissteigerungen: Wie können Hospitality-Unternehmerinnen und -Unternehmer sowie die Gäste dies verkraften? Bettina von Massenbach vom FCSI gibt Tipps für den richtigen Umgang im Betriebsalltag.
Hotel+Technik: Frau von Massenbach, wie wirken sich die Preissteigerungen auf die Hospitality aus?
Bettina von Massenbach: Die coronabedingten Lieferengpässe bei Consumer-Goods aus China bestehen immer noch. Nun kommt der Mangel an Agrarrohstoffen und Energie-Ressourcen hinzu. Durch die Anpassung der niedrigen Lohnstufen auf ein allgemeinverbindliches Niveau muss außerdem das gesamte Gehaltsgefüge neusortiert werden. Das bedeutet, dass Vorplanungen der Einkaufspreise, ob Rohöl, Ackerprodukte oder auch Dienstleistungen, nicht mehr machbar sind. Die Intervalle für Preisverhandlungen werden immer kürzer.
Was bedeutet das für Hotelküchen?
Wirtschaftlich betrachtet sinken die Renditen, es entsteht eine Warenknappheit an Grundnahrungsmitteln. Hinzu kommen steigende Energie- und Logistikkosten.
Auch die Gäste leiden unter den Preissteigerungen. Ist das anhand von neuen Erwartungen oder verändertem Konsumverhalten im Hotelrestaurant spürbar?
Die Gäste wägen zwischen Freude am Erlebnis und dem Sparbuch ab. Der Hotelier gerät in eine Zwickmühle und muss ein Gespür dafür entwickeln, inwieweit er seine Preise im F&B-Bereich an seine Gäste weitergeben kann, beziehungsweise in welchem Rahmen seine Gäste bereit sind, mehr Geld auszugeben.
Wie können Hoteliers darauf reagieren?
Das Herzstück eines jeden Restaurants ist die Speisekarte, da sollte angesetzt werden. Hier spiegelt sich der gesamte Prozess von Wareneinkauf, Lagerkapazitäten, Produktion, Personalverfügbarkeit bis hin zum Verkauf wider. Aus der Analyse der Produkte lassen sich Schlüsse zur Herkunft und Qualität ableiten. Die Beschaffung der Waren ist für große Kettenhotels mit zentralem Einkaufsmanagement anders zu beurteilen als für ein inhabergeführtes Boutique-Hotel, das mit handverlesenen Lieferanten zusammenarbeitet. Portionsgrößen haben ebenso Einfluss auf die Preisgestaltung, und darüber hinaus wirken sich diese positiv auf den Lebensmittelabfall aus.
Was gilt es noch zu berücksichtigen?
Der Aufbau und die Gestaltung der Speisekarte sind ebenfalls entscheidend. Außerdem sollten die Gäste selbst entscheiden können, in welchem Umfang sie konsumieren möchten. Hier helfen verschiedene Portionsgrößen von small über medium bis large. Auch Einzelpositionen stärker zu berücksichtigen lohnt sich – ist zum Beispiel der Salat Bestandteil des Menüs oder wird er separat dazu bestellt –, das gibt dem Gast die Entscheidungsfähigkeit über sein Konsumverhalten. Darüber hinaus finde ich es sehr wichtig, dem Servicepersonal fundierte Argumente zum Preisanstieg an die Hand zu geben. Gäste sind heutzutage bestens darüber informiert und kennen Ursachen sowie Auswirkungen. Die Mitarbeitenden müssen in der Lage sein, Rückfragen der Gäste zu beantworten, ohne sie zu verlieren.
Gibt es auch Maßnahmen, die innerhalb des Betriebs umgesetzt werden können?
Unbedingt! Die Identifikation mit dem Betrieb ist die Basis für unternehmerisches Denken und Handeln der Mitarbeitenden. So sollte der Umfang an Kapitalbindung im Warenlager als bewusste Entscheidung im Team getroffen werden. Gemeinsam Lösungen für zusätzliche Lagerkapazitäten zu finden und das Sortiment zwischen „Must-haves“ und „Nice-to-haves“ zu differenzieren, empfiehlt sich ebenso. Die Lieferanten stehen vor den gleichen Herausforderungen und müssen neue Wege gehen. Individuelle Absprachen sind in diesen Zeiten notwendig, um allen gerecht zu werden. Fingerspitzengefühl wird zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor.
Wie sieht die Zukunft aus?
Ein Blick in die Glaskugel ist immer ein Wagnis. Fest steht, dass wir keine Planungssicherheit auf absehbare Zeit haben werden. Somit liegt die Gestaltung der Betriebe in individuellen, auf den Betrieb zugeschnittenen Lösungen.
Interview: Mareike Knewitz