Als Trend- und Strategieexperte beschäftigt sich Pierre Nierhaus mit allen Bereichen der Hospitality Industrie, darunter auch mit den Public Areas. Für Top hotel hat er die wichtigsten Erfolgsfaktoren und Trends für Lobby, Lounge & Co. zusammengefasst.
Die Lobby mit ihren Übergängen zu Lounge und Gastronomie ist in der Regel das erste, was der ankommende Hotelgast zu Gesicht bekommt. In Sekundenbruchteilen wird der Bereich gescannt und bewertet. In diesem kurzen Moment entscheidet der Gast, ob das Hotel zu ihm passt und er sich wohlfühlt. Die öffentlichen Bereiche avancierten in jüngster Vergangenheit zu einer Art »Tattoo«, mit dem das Hotel seinen Gästen signalisiert: Das sind wir! Sie sind zudem Markenbotschafter, Imagefaktor und Umsatzbringer. Die Hotellerie hat dies erkennt und überbietet sich mit immer neuen Konzepten, die Wohlfühlfaktor mit urbanem Chic und Trendgastronomie verbinden. Doch obwohl die Open Lobby mittlerweile Mainstream ist, zeigen sich immer wieder Schwachstellen in Konzeption und Umsetzung: Der Wohlfühlfaktor stimmt nicht, die Story hat Brüche und die Ganzheitlichkeit leidet, weil das Konzept nicht konsequent auf alle Bereiche übertragen wurde.
Worauf bei der Gestaltung zu achten ist und welche Trends auf die Hotellerie zukommen, ist in den folgenden Punkten zusammengefasst:
1. Glanz, Glamour, Reputation
Mit seinen öffentlichen Flächen setzt das Hotel Zeichen. Einerseits spielt an diesem Ort das Leben, andererseits zeigt sich hier die neue Aufgabe der modernen Hotels: die Schaffung auf den einzelnen Gast zugeschnittener Erlebnisse sowie die Vernetzung von Menschen, Hotel und Umgebung. Mit Lobby, Lounge und Gastronomie wird eine Lifestyle-Atmosphäre geschaffen, die dem Haus mehr Faszination und Ausstrahlungskraft verleiht, als dies allein durch die Zimmer möglich wäre.
2. Geschichten erzählen
Öffentliche Flächen sind die Hauptbühne für das Storytelling. Hier setzen Architekten und Designer ihre Geschichten atmosphärisch dicht in Szene und schaffen wirkungsvolle Instagramm-Motive. Vorbild im Storytelling sind die 25hours Hotels. Aber auch das neue Orania Berlin spielt so virtuos mit dem Intellekt und den Gefühlen seiner Gäste, dass manche sagen: »Orania Berlin ist so schön, dass man es gar nicht verlassen möchte.« Solche Begeisterung findet ihren Niederschlag in höheren Zimmerpreisen und Belegungsraten.
3. Hotelgastronomie als Umsatzbringer inszenieren
Es gibt zwei Wege für erfolgreiche Hotelgastronomie: Entweder man macht sie selbst und konzipiert sie wie ein öffentliches Restaurant oder eine Bar. Oder man positioniert sich in Richtung Szenebar oder Szenerestaurant – dann empfiehlt sich die Suche nach einem erfahrenen externen Betreiber. Es sei denn, man ist Hotelier mit Kompetenz für Szenegastronomie, wie die Macher von East und Roomers. Sie waren die ersten, die ihre Hotelkonzepte von der Gastronomie her dachten und sie mit einem sexy Design zu Lieblingsorten und Umsatzkönigen machten. Wer sich für diesen Weg entscheidet, muss wissen: Szene-Gastronomie auf hohem Niveau funktioniert nur mit vollem Einsatz und der bewussten Entscheidung, alles hierfür Notwendige zu tun.
4. Vom Abendkonzept her denken
Für ein erfolgreiches Gastronomiekonzept im Hotel gibt es eine wichtige Regel: Niemals vom Tag, sondern immer vom Abend her denken. Dementsprechend muss die Abend-
gastronomie tagestauglich gemacht werden. Das Konzept geht von der Vision eines Abendrestaurants aus, ergänzt durch einfache aber wirkungsvolle Lösungen (flexible Wände/
Möbelelemente, Lichtkonzept), den Raum kurzfristig in ein Frühstücksrestaurant umzugestalten. Dieser Ansatz setzt voraus, dass das Buffet bereits mitverbaut wird. Eine überzeugende Lösung wurde im Novotel Airport München realisiert, wo man ein Streetfood Buffet integrierte. Im Hamburger Grand Elysée gelang mit dem »Theos« ein Steak-
restaurant der Extraklasse. Wandelbare Seitenwände erlauben die Metamorphose zum Frühstücksrestaurant bei hoher Belegung.
5. Businesscenter sind überholt
Jeder Reisende ist heute mobil online unterwegs, informiert und bucht sich selbst Eintrittskarten, Plätze im Restaurant, Flüge, usw. Für Businesscenter gibt es deshalb keinen Bedarf mehr. Die neue Netzwerker- und Influencer-Generation arbeitet in der Lobby inmitten aller anderen Gäste. Serviceleistungen wie Ausdrucke können vom Front Desk mitübernommen werden.
6. Craft-Elemente integrieren
Die Craft-Welle eignet sich hervorragend, um das Angebot zu erweitern und aufzuwerten. Craft steht für Handwerklichkeit und wird von den Gästen als besonders glaubwürdig und echt empfunden. Die bekanntesten Vertreter der Craft-Welle sind Craft Beer und Barista Kaffee, aber auch besondere Weine von ausgewählten Weingütern haben das typische Craft-Flair. Craft-Angebote stützen die Story, sie machen Gästen und Mitarbeitern Spaß, sorgen für Kommunikation und machen die Gastronomie interessant, auch für Locals.
7. Digitale Strukturen, analoges Erlebnis
Die Digitalisierung wird in sämtliche Bereiche der Hotellerie vordringen. Sie hilft Hoteliers, Gäste zu gewinnen und Prozesse zu vereinfachen. Ist der Gast aber im Hotel, will er in erster Linie ein analoges Erlebnis. Seine Begeisterung ist ein analoges Gefühl, das er digital in Form von Instagramm-Bildern oder Videos im Netz verbreitet. Digitale Selbstverständlichkeiten im Hotel müssen Online-Check-in/out, leistungsstarkes WLAN und ausreichend USB-Anschlüsse und Steckdosen sein.
8. Ganzheitlichkeit leben
Werden Lobby und Gastronomie einem Relaunch unterzogen, gilt die Devise: ganz oder gar nicht. Stückwerk oder nur Veränderungen am Design zahlen sich nicht aus, ansonsten bleibt der Relaunch nur oberflächlich und ist nicht nachhaltig. Gäste spüren, ob etwas Fake oder echt ist, ob alles aus einem Guss realisiert wurde und ob die Mitarbeiter dahinter stehen. Die Veränderung muss alle Bereiche ergreifen, sinnvolle Strukturen und begeisternde Eindrücke und Erlebnisse schaffen. Ein Relaunch ist deshalb ein Prozess, zu dem alle ins Boot geholt werden müssen. Um die Ganzheitlich zu erreichen, muss sich die Haltung von Management und dem ganzen Team ändern.
9. Profilstarke Gastronomie
Hotelrestaurants setzen heute auf ein klares Profil mit Signature Dishes und hoher Produktqualität. Regionalität bietet sich als Thema an, mit dem gespielt wird, aber auch als Klassiker, um internationale Hotelgäste abzuholen. Abwechslung kann über saisonale Angebote und Trendprodukte erzeugt werden.
10. Hotelbar mit Profil
Klasse statt Masse lautet die Empfehlung. Im Klartext bedeutet das, die Karten zu entstauben und zu verschlanken. Lieber ein Dutzend Signature Cocktails, eigene Rezepturen und Drinks servieren statt die volle Klaviatur spielen mit einer überladenen Barkarte. Inspiration kann man sich holen z.B. bei den Top-Bars aus der Liste »The World’s 50 Best Bars«. Meine Beobachtung zum Thema Gin: Gin bleibt weiterhin ein Barliebling, wird aber zum Mainstream. Die Avantgarde wendet sich bereits anderen Spirituosen zu.
Tipp an alle, die Investitionen in Public Areas planen
Erst Ideen sammeln, dann starten. Immer zuerst die Gesamtsituation überdenken und sich über die Ziele und Rahmenbedingungen im Klaren sein. Dann kann man sich umsehen, innovative Hotels und Gastronomie besuchen und Trends auf Relevanz für den eigenen Betrieb bewerten.< /p>
Pierre Nierhaus berät internationale Hotelkonzerne und Individualhotels sowie Gastronomie-Unternehmen und die Zulieferindustrie. Er ist Spezialist für öffentlichen Bereiche und hat an der Neukonzeption einer Reihe erfolgreicher Konzepte mitgewirkt u.a. für die InterCityHotels oder »Relax« von Mercure. Seine Kompetenz bündelt er in seinem Tätigkeitsspektrum als Berater, Change- und Trendexperte, Keynote-Speaker und Buchautor.
Weitere Infos: www.nierhaus.com